Ein Nebenthema der derzeit laufenden Verhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP zur Bildung einer neuen Bundesregierung ist die mögliche Legalisierung von Cannabis. Während Grüne und Liberale dafür sind, zögern die Sozialdemokraten noch. Dabei hatte sich ausgerechnet ihr Gesundheitsexperte Karl Lauterbach jüngst für die Freigabe der Droge ausgesprochen und dabei im Sinne des Gesundheitsschutzes argumentiert.
Gegenüber der Rheinischen Post begründete er seine Haltung. „Jahrelang habe ich eine Cannabislegalisierung abgelehnt. Mittlerweile komme ich als Arzt aber zu einem anderen Schluß.“ Denn immer öfter würden Drogendealer Cannabis mit Heroin vermischen, um ihre Kunden auf diese Weise davon abhängig zu machen. Wäre der Verkauf von Cannabis ein erlaubtes Geschäft, könnte damit der Handel mit verunreinigtem Haschisch bekämpft werden.
Weiter schilderte Lauterbach der Zeit, daß in den USA Heroin auf Joints gesprüht werde. Dabei berief er sich auf zuständige Ermittlerkreise.
Heroin sei kein geläufiges Streckmittel
Doch zumindest deutsche Ermittlerkreise haben von so einer Entwicklung noch nichts gehört. Nachfragen der ARD ergaben demnach, daß weder dem Bundeskriminalamt (BKA) noch dem nordrhein-westfälischen Landeskriminalamt (LKA) solche Fälle – „die wirklich berichtenswert wären“ – bekannt seien.
Auch einer Stuttgarter Drogenberatungsstelle ist der von Lauterbach kolportierte Trend neu. „Die Geschichte, daß Dealer diese ‚Verkaufsstrategie‘ wählen, um neue Kunden zu gewinnen, gehört nach unserer Ansicht in den Bereich der Drogenmythen und taucht immer wieder auf“, sagte Bernd Klenk vom Verein Release. Die üblichen Streckmittel für Cannabis seien vielmehr gewichterhöhende Zusätze wie Blei, Sand, Zucker oder schlimmstenfalls Glassplitter. Zudem wirke das Opiat Heroin auch ganz anders als Haschisch.
Polizeigewerkschaften warnen vor Cannabis-Freigabe
Ebenfalls als Schall und Rauch erwies sich die USA-Geschichte von Lauterbach. Denn das dortige National Institute on Drug Abuse erwähnt in seinen Aufzeichnungen keinen einzigen Fall, in dem Cannabis mit Heroin oder auch synthetischen Opiaten gestreckt worden sei, wie Recherchen der ARD ergaben.
Somit scheint Lauterbach offenbar einem Drogenmythos aufgesessen zu sein und unter dessen Eindruck mit seiner Legalisierungs-Forderung ironischerweise für das größere gesundheitliche Risiko plädiert zu haben. Die Polizeigewerkschaften hatten bereits davor gewarnt, daß es sich bei Marihuana um eine Einstiegsdroge handele. Sie beklagten in dem Zusammenhang auch die Verharmlosung der Droge. (ag)