GÜTERSLOH. Wissenschaftler der Bertelsmann-Stiftung haben vor einer wachsenden gesellschaftliche Spaltung nach der Bundestagswahl im September gewarnt. Durch die Corona-Pandemie werde die Wahlbeteiligung besonders in sozial schwächeren Milieus wohl geringer ausfallen als 2017, heißt in einer am Mittwoch vorgestellten Studie der Stiftung.
Die Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt in diesem Jahr wiesen womöglich auf eine erneute Trendumkehr hin. Nach den historischen Tiefständen bei der Beteiligung an der Wahl des Bundestags in 2009 und 2013 war die Zahl 2017 wieder etwas angestiegen, so auch bei den Landtagswahlen. In allen drei genannten Bundesländern sei die Beteiligung nun aber wieder gesunken. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg mit jeweils sechs Prozentpunkten sogar deutlich.
„AfD-Effekt“ könnte vollständig verpuffen
Die Bereitschaft ein Kreuzchen zu setzen, sei vor vier Jahren vor allem aufgrund der „rechtspopulistischen Mobilisierung durch die AfD“ sowie der „Gegenmobilisierung aus der demokratischen Mitte“ angekurbelt worden. Diesen Aufwärtstrend habe die Pandemie aber vorerst gestoppt. „Sollte es pandemiebedingt zu erneuten Kontakt- und Hygienebeschränkungen kommen, die den Gang ins Wahllokal be- oder verhindern, könnte sich daraus ein spürbarer Rückgang der Wahlbeteiligung ergeben“, warnen die Autoren der Studie.
Aus aktuellen Umfragen zur Wahlbeteiligungsabsicht gehe hervor, daß das Vorhaben, im September zur Urne zu gehen, in „prekären“ Teilen der Gesellschaft im Vergleich zu 2017 mit 15,1 Prozent am stärksten abgenommen habe. „Der populistische Mobilisierungseffekt der Protestwahlstimmen für die AfD wäre fast vollständig verpufft“, heißt es in der Studie.
Geringe Wahlbeteiligung sei Resonanzboden für Populismus
Wahlmüdigkeit sei aber auch bei anderen Milieus wie der „bürgerlichen Mitte“, den „Traditionellen“, oder den „Liberal-Intellektuellen“ zu verzeichnen. Die Abnahme sei dort jedoch geringer. Das erzeuge „soziale Repräsentationslücken und beschädigt die Demokratie“. Bereits bei der vergangenen Bundestagswahl lag der Stimmenanteil in der Oberschicht fast 40 Prozentpunkte höher als in sozial benachteiligten Milieus.
Eine solche Kluft führe zu großen Herausforderungen für die Demokratie. „Die typischen Nichtwahlmilieus wachsen und verhärten sich weiter und bilden einen stetig wachsenden Resonanzboden für Populismus“, mahnen die Wissenschaftler in der Studie. (zit)