Als die ersten Plagiats-Vorwürfe gegen Annaela Baerbock und ihr Buch „Jetzt. Wie wir unser Land verändern können“ aufkamen, versuchten die Grünen noch, die Ähnlichkeiten zu Textpassagen fremder Autoren damit zu rechtfertigen, daß es sich dabei lediglich „um allgemein zugängliche Fakten“ handle, wie man sie bei Wikipedia oder der Bundeszentrale für politische Bildung findet.
Doch mittlerweile ist klar: Baerbock hat in deutlich größerem Umfang abgekupfert und sich bei fremden Federn bedient. Mehr als 40 zu beanstandende Passagen hat der Plagiatsjäger Stefan Weber bislang identifiziert. Besonders peinlich: Darunter finden sich auch Stellen, in denen Baerbock persönlich Erlebtes schildert, allerdings in und mit den Worten anderer.
Im Kapitel „Herz und Verstand“ berichtet die Grünen-Politikerin, wie sie 2019 in den Irak und in die Autonome Region Kurdistan reiste, um sich „ein Bild von der Lage der jesidischen Frauen und Kinder“ zu machen. In bewegenden Worten beschreibt Baerbock, wie diese von ihrem Leid berichteten. „Mir rannen Tränen über die Wangen. Beim Schreiben tun sie das noch heute“, heißt es auf Seite 47.
Bericht aus der Deutschen Welle
Eine der geflohenen Frauen habe ihr auf dem Handy mit gesplitterten Display Fotos ihrer beiden Töchter gezeigt, die sich, anders als die Mutter, noch in den Händen der Peiniger des Islamischen Staats befanden. „Die befreiten Mädchen haben mit acht, zwölf, vierzehn Jahren sexualisierte Gewalt in brutalster Form überlebt. Den Jungen ist es nicht besser ergangen. Knapp die Hälfte wurde als Kindersoldaten mißbraucht. Permanente Schläge, Hunger und Durst, schwerste Mißhandlungen. Sie wurden an Waffen ausgebildet und unter Todesdrohungen zum Kämpfen gezwungen“, faßt Baerbock das schreckliche Los der Jesiden in ihrem Buch zusammen.
Allerdings: Einige Sätze finden sich nahezu wortgleich in dem Bericht „Albtraum ohne Ende für jesidische Kinder“ der Deutschen Welle vom 2. August 2020. Dort heißt es: „Viele haben sexuelle Gewalt in brutalster Form erfahren, so wie Randa. (…) Den Jungen erging es nicht besser. Knapp die Hälfte wurde als Kindersoldaten mißbraucht. Im Amnesty-Bericht erzählt Sahir seine Geschichte. Eine Geschichte von permanenten Schlägen, auch mit Kabeln und Plastikrohren, von Hunger und Durst, von schwersten Mißhandlungen. Sahir wurde an Waffen ausgebildet und unter Todesdrohungen zum Kämpfen gezwungen.“
An einer anderen Stelle schildert Baerbock, wie ihr Co-Vorsitzender Robert Habeck einst als Energieminister in Schleswig-Holstein leidenschaftlich für ein Öko-Strom-Projekt aus Windkraft, die sogenannte Westküstenleitung, geworben habe. Der Bericht liest sich, als sei Baerbock bei dem ein oder anderen Bürgerdialog von Habeck mit vor Ort gewesen.
„Auf zahlreichen Bürger*innenversammlungen hat er mit den Betroffenen, Verbänden und Vereinen, Kreisen und Behörden gesprochen. Es wurden ‘runde Tische’ ins Leben gerufen, Messehallen, Stadthallen und Dorfkrüge angemietet, um den Austausch zu ermöglichen. Die Diskussionen der Fachleute, Planenden und der Bürger*innen waren lebhaft und impulsiv, emotional und sachlich; der Informationsgewinn war aufseiten aller hoch.“
Ullstein-Verlag: Manuskript wurde sorgfältig lektoriert
Dumm nur: Auch diese Passage stammt aus einer fremden Feder. Genauer gesagt aus einem Vorwort des Leiters Erneuerbare Energien der Deutschen Umwelthilfe, Peter Ahmels. Er schrieb 2013 über die Diskussionen um die Westküstenleitung:
„Der Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern, Verbänden und Vereinen, Kreisen und Behörden wurde intensiv geführt. Es wurden ‘runde Tische’ ins Leben gerufen, Messehallen, Stadthallen und Kirchspielkruge angemietet, um den Austausch zu ermöglichen. Die Diskussionen der Fachleute, Planer und der Bürgerinnen und Bürger waren lebhaft und impulsiv, emotional und sachlich; der Informationsgewinn war auf Seiten aller extrem hoch.“
Doch damit nicht genug: Es finden sich in dem Buch noch weitere Passagen, wo Baerbock auf fremde Textbausteine zurückgegriffen hat. Beispielsweise als sie dem Leser davon erzählt, wie sie „vor etlichen Jahren“ östlich von Berlin, in Neuenhagen, das Control Center des Übertragungsnetzbetreibers „50 Herz“ besucht und dort „rauf und runter“ diskutiert habe, wie sich dezentral erzeugter Strom über weiter Strecken transportieren lasse. Wenn Annalena Baerbock damals so leidenschaftlich diskutierte, daß sie sich bis heute an den Tag erinnert, fragt man sich allerdings, warum nicht wenige ihrer Formulierungen wortgleich auf der Unternehmensseite von 50 Hertz auftauchen.
Zufall, Schlamperei oder bewußtes Plagiieren? Annalena Bearbock hat bis heute nicht erklärt, wie es zu den Textdopplungen in ihrem Buch kam. Beim verantwortlichen Ullstein-Verlag, der Baerbock immerhin ein Honorar von rund 30.000 Euro zahlte, gibt man sich auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT, wie die Verantwortlichen die immer länger werdende Liste der Plagiate im Buch beurteilten, wenig wortreich.
„Der Ullstein Verlag hat sich in den vergangenen Tagen bereits mit allen relevanten Informationen geäußert. Das Manuskript von Annalena Baerbocks Buch ist im Verlag sorgfältig und nach sämtlichen verlagsüblichen Standards lektoriert worden. Ansonsten äußern wir uns grundsätzlich weder zu vertraglichen und inhaltlichen Details noch zur Zusammenarbeit mit unseren Autoren“, teilte eine Sprecherin mit.