Der öffentlich-rechtliche Rundfunkverbund und seine Sender stehen meist unter verstärkter Beobachtung. Das liegt vor allem daran, daß nahezu jeder Haushalt und jedes Unternehmen in Deutschland ARD, ZDF und Deutschlandradio üppig zwangsfinanzieren müssen. Da erwartet man auch eine ordentliche Leistung.
Den Sendern sind deshalb im Medienstaatsvertrag einige Regeln auferlegt. Eine davon lautet: „Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.“
Ihrem Auftrag, „als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken“ und über das regionale, nationale und internationale Geschehen zu berichten, versuchen sie auch immer mehr in sozialen Medien nachzukommen.
„Baerbock nicht gebildet? Schauen Sie sich die Ausbildung der Frau an“
Genau dort sorgten ARD und ZDF in den vergangenen Tagen jedoch in mehreren Fällen für empörte Reaktionen. Das Twitter-Konto vom Ersten reagierte am 1. Mai auf einen Kommentar unter einem Video des Accounts der ARD-Sendung „Maischberger“, der die Fachkenntnisse und die Allgemeinbildung von Politikern in Frage stellte.
„Wie kommen Sie dazu, daß Frau Baerbock nicht gebildet ist? Schauen Sie sich die Ausbildung der Frau an. Wenn das keine Bildung ist …“, schrieb das Erste in Grünen-Pressesprecher-Manier. In dem Clip war ein Ausschnitt aus der „Maischberger“-Sendung von vergangener Woche zu sehen, in dem die Bild-Journalistin Nena Schink die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock dafür kritisiert, keine Regierungserfahrung zu haben.
Auf Nachfrage der JUNGEN FREIHEIT, inwieweit der ARD-Tweet mit dem Objektivitätsgebot vereinbar sei, antwortete ARD-Sprecher Burchard Röver am Montag: „Wir haben unsere Antwort vom 1. Mai auf den Tweet zur Bildung von Politikern gelöscht, weil sie nichts mit dem Programm des Ersten zu tun hat. Wir bitten um Entschuldigung.“
Teil 2.
Wieso antwortet hier eigentlich der ARD-Account und nicht der von Maischberger? pic.twitter.com/RmyDln2jMM— Lukas Steinwandter (@LSteinwandter) May 2, 2021
Der Twitter-Account des Ersten gab auch in einem anderen Fall Anlaß für Kritik. Ein anonymer Nutzer schrieb unter demselben Videoclip, warum denn überhaupt Bild-Journalisten zu Talkshows eingeladen würden. „Wieso nicht gleich Frau im Spiegel-‘Journalisten’? Das entzieht doch dem ganzen Format gleich schon jede Daseinsberechtigung.“ Die ARD quittierte diese Herabwürdigung der Bild-Kollegin mit einem „Gefällt mir“. Nach einer JF-Anfrage bei der ARD verschwand das Like wieder. Röver betonte, bei dem Like habe es sich „um ein Versehen“ gehandelt.
Verschwunden ist auch ein Tweet des ZDF. Am Samstag nachmittag schrieb der 1,2 Millionen Anhänger zählende Kanal: „Brennende Baumaschinen, Angriffe auf Wohnungsunternehmen. Und warum? Weil Wohnraum immer knapper und teurer wird. Angesichts der Tricks von Wohnungsbesitzern platzt manchen Mietenden der Kragen.“ Dahinter war ein Smiley mit einer explodierenden Schädeldecke abgebildet. Der Tweet verlinkte auf eine Dokumentation über den Immobilienmarkt.
Jetzt rechtfertigt man beim ÖRR offenbar auch offen extremistische Angriffe und Straftaten. pic.twitter.com/Awtg7cPWqQ
— Leon (@LeonHirte) May 1, 2021
Nachdem zahlreiche Nutzer dies als gewaltrelativierend kritisiert hatten, löschte das ZDF den Eintrag wieder, da er „ungünstig und mißverständlich formuliert“ gewesen sei. Tatsächlich könnte sich die Aussage auf eine Passage in der Dokumentation beziehen, in der es heißt: „Die Krise auf dem deutschen Wohnungsmarkt ist ungelöst. In Großstädten werden Wohnungen für immer mehr Menschen unbezahlbar. Das führt zu Verzweiflung und Wut. Und die entlädt sich inzwischen in brennenden Baumaschinen und Angriffen auf Wohnungsunternehmen.“
„Einen schönen Kampftag der Arbeiterklasse“
Unmißverständlich war hingegen ein Facebook-Eintrag der ARD-Sendung „ttt – titel, thesen, temperamente“. Deren Redaktion teilte Samstag früh ein Zitat aus dem Buch „Die heilige Familie“ von Karl Marx und Friedrich Engels: „Wenn der Mensch von den Umständen gebildet wird, so muß man die Umstände menschlich bilden.“
Dazu schrieben die ARD-Mitarbeiter: „Gilt insbesondere für die Arbeitsverhältnisse von Pflegepersonal, Künstlerinnen, Erziehern, Kassiererinnen, Büroarbeitern, Freelancerinnen, Paketboten, Social-Media-Redakteurinnen und Berufsrevoluzzern. Einen schönen Kampftag der Arbeiterklasse, allerseits!“ Am Ende stand eine geballte Faust.
Im Gegensatz zu den Twitter-Einträgen steht der Facebook-Beitrag bis heute da. In einem Leserkommentar heißt es sarkastisch: „objektiver Rundfunk“.