DRESDEN. Der Angeklagte im Fall der tödlichen Messerattacke auf ein homosexuelles Paar in Dresden hat einem Gutachter zufolge aus extremistisch-islamischen Motiven gehandelt. Der Syrer Abdullah al H. H. muß sich seit Montag vor dem Oberlandesgericht in Dresden verantworten, weil er Anfang Oktober zwei Inlandstouristen in der sächsischen Hauptstadt mit einem Messer attackiert und dabei einen der beiden getötet haben soll.
Wie die Bild-Zeitung und die Deutsche Presse-Agentur berichten, hatte sich der 2015 nach Deutschland gekommene anerkannte Flüchtling im März stundenlang mit dem forensischen Psychologen unterhalten. Demzufolge bezog sich der mutmaßliche Attentäter auf eine Sure im Koran, wonach „Ungläubige“ getötet werden dürften.
Zwar zugestochen, aber „nicht mit dem Herzen“
Der Gutachter erklärte, der Beschuldigte habe sich auf „irritierende Weise selbstkritisch“ zu der Tat geäußert. Demnach machte er sich Vorwürfe, nicht stark genug gewesen zu sein, denn er habe zwar zugestochen, aber „nicht mit dem Herzen“. Der 21jährige habe nichts Falsches erkennen können. Lediglich bedauerte er, sich vorher nicht mit Vertretern des IS-Kalifats verständigt und der Terrororganisation die Treue geschworen zu haben.
Der Verteidiger des Syrers wertete diese Äußerungen als Geständnis. „Die Katze ist insofern aus dem Sack. Er hat die Tat eingeräumt. Es ist hier der richtige Täter vor Gericht.“ Auch seien die von der Bundesanwaltschaft genannten Mordmerkmale erfüllt. Allerdings gehe es noch darum, ob das Jugendstrafrecht oder die Sicherungsverwahrung angewendet würden. Im Prozeß wolle sich der Angeklagte nicht äußern und sich „schweigend verteidigen“.
Die Anklage wirft Abdullah al H. H. vor, bereits seit Jahren einen Anschlag geplant zu haben. Die beiden Opfer seien für den Syrer „Repräsentanten einer vom ihm als ‘ungläubig‘ abgelehnten freiheitlichen und offenen Gesellschaftsordnung“ gewesen. Er habe die Männer für die angeblich „schwere Sünde“ mit dem Tod bestrafen wollen.
Beschuldigter ist vorbestraft und löste Abschiebe-Debatte aus
Der Beschuldigte war bereits 2018 vor dem Oberlandesgericht Dresden wegen Propaganda für den IS zu einer Jugendstrafe verurteilt worden, die nach mehreren Angriffen auf Beamte im Gefängnis erhöht worden war. Ende September 2020 wurde er aus der Haft entlassen, wenige Tage später soll er die beiden Urlauber attackiert haben.
Der Fall hatte anschließend eine Debatte über Abschiebungen von Gefährdern ausgelöst. Als solcher galt auch Abdullah al H. H. Der Chef des sächsischen Landeskriminalamts, Petric Kleine, sagte wenige Wochen nach der Tat, diese hätte verhindert werden können, „wenn eine Abschiebung oder eine Ausweisung vollzogen worden wäre“.
Im Dezember beschlossen die Innenminister von Bund und Ländern, daß Gefährder mit Beginn des Jahres 2021 auch nach Syrien wieder abgeschoben werden dürften. (ls)