DRESDEN. Die Delegierten des AfD-Bundesparteitags in Dresden haben am Sonntag mehrere Verschärfungen des Programms für die Bundestagswahl im Herbst beschlossen. Für eine heftige Debatte sorgte ein Antrag zum Thema Migration, Asyl und Integration. Mehrere Delegierte, darunter Thüringens Landesparteichef Björn Höcke („Mehr Japan wagen!“), hatten einen Änderungsantrag des hessischen Landtagsabgeordneten Andreas Lichert unterstützt. Darin hieß es, die AfD fordere „ein sofortiges Migrationsmoratorium auf unbestimmte Zeit“. Ziel einer „identitätswahrenden Migrationspolitik kann nicht das kanadische oder australische Modell unterbevölkerter Riesenstaaten sein, sondern nur das japanische Modell“.
Außerdem lehne die Partei „das konstruierte Narrativ der Industrie- und Wirtschaftsverbände sowie anderer Lobbyvereine“ ab, wonach in Deutschland ein Fachkräftemangel herrsche. „Jegliche Zuwanderung aus Staaten außerhalb der EU wird ausgesetzt“, stand in dem Antrag. Ausgenommen von dem Moratorium seien „Investoren ab einem Investitionsvolumen von fünf Millionen Euro“. Während der Aussetzung solle „ein Anforderungskatalog an potenzielle Zuwanderer“ erarbeitet werden, „der die Wahrung der kulturellen Identität der Deutschen als primäres Ziel“ verfolge.
„Physische Barrieren zur Sicherung der Staatsgrenzen“
Läuft bei der #AfD … 👇#AfDBundesparteitag #Dresden #afdbpt21 pic.twitter.com/YznOKoX5dV
— Stefan Schirmer (@st_schirmer) April 11, 2021
Der Antrag wurde zunächst angekommen. Anschließend äußerte die stellvertretende Parteivorsitzende Beatrix von Storch scharfe Kritik daran. Später wurde der Antrag abgeschwächt, indem etwa das Migrationsmoratorium und die Ausnahmen davon gestrichen wurden.
Der Antrag wurde nach Kritik abgeschwächt, lautet nun wie folgt und wurde mit deutlicher Mehrheit angenommen: #afdbt2021 https://t.co/WdCy6Gqfxc pic.twitter.com/rc1fCYugl7
— Lukas Steinwandter (@LSteinwandter) April 11, 2021
Zum selben Themenkomplex beschlossen die Delegierten auch den Stopp jeglichen Familiennachzugs für Zuwanderer. Höcke, einer der Befürworter, sprach davon, man müsse eine „politische Botschaft setzen“. Gegner des Antrags argumentierten, die AfD sei die Partei der Familie und im Falle einer solchen Regelung könnten verfolgte Christen, die nach Deutschland fliehen, ihre Frauen und Kinder nicht mehr nachholen. Daneben stimmte eine Mehrzahl der Delegierten für „physische Barrieren wie zum Beispiel Grenzzäune zur Sicherung der Staatsgrenzen“.
Für „Grundfunk“ und gegen Geschlechtsumwandlungen
Überdies sprachen sich die Delegierten dafür aus, ein Verbot von Geschlechtsumwandlungen bei Kindern und Jugendlichen in das Wahlprogramm aufzunehmen. Ein solches Gesetz hatte der US-Bundesstaat Arkansas vor kurzem beschlossen. Ebenso fand folgender Satz Eingang in das Papier: „Die Pflicht zum Tragen einer Maske lehnen wir ab.“
Auch die Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kam zur Sprache. Hier entschied sich eine Mehrheit auf dem Parteitag für die Forderung nach einem „Grundfunk“. Dieser soll rund ein Zehntel so groß sein wie die aktuellen Sendeanstalten. „Wichtig bleiben regionale Inhalte: ein schlanker Heimatfunk als Schaufenster der Regionen“, hieß es in dem Antrag. Finanziert werden soll dieser über die Besteuerung für ausländische Technikkonzerne.
Am ersten Tag des AfD-Bundesparteitags in Dresden hatten die beiden Vorsitzenden Jörg Meuthen und Tino Chrupalla gesprochen. Zudem einigten sich die Delegierten auf ein Spitzenduo für den Bundestagswahlkampf. Wer diese Positionen einnimmt, soll allerdings die Parteibasis entscheiden. Am Freitag hatte die AfD ihre Kampagne für die Bundestagswahl vorgestellt. Der Claim lautet demnach: „Deutschland. Aber normal.“
Mehrheit für Hartwig als Leiter der „Arbeitsgruppe Verfassungsschutz“
Am Sonntag abend nahm die Mehrheit des Parteitags einen Antrag zur Wiedereinsetzung des Bundestagsabgeordneten Roland Hartwig als Leiter der „Arbeitsgruppe Verfassungsschutz“ an. Dieser war vom Bundesvorstand Ende 2020 abgesetzt und durch den Bochumer Anwalt Knuth Meyer-Solthau worden. Der Parteikonvent hatte anschließend Hartwigs Rückkehr auf den Posten gefordert. Dem kam der Bundesvorstand allerdings nicht nach.
Für die Annahme des Antrags setzte sich Höcke ein. Ihm liege das Thema am Herzen, sagte er in seiner Begründung. Hartwig sei für ihn „die Verkörperung des Leistungsprinzips“. Er habe wenig geredet und viel getan, sei ein „wahrer Preuße“. Außerdem sei er ein „Brückenbauer zwischen den verschiedenen Strömungen“.
Trotz seiner Expertise sei er „wahrscheinlich aus machtpolitischen Gründen von seinen Aufgaben entbunden worden“. Aus der Basis sei ihm in den vergangen Wochen herangetragen worden, daß sie das Gefühl hätten, „daß ihr (die Mehrheit des Bundesvorstandes) zu viel Energie in Parteiausschlußverfahren, zu viel Energie in den Entzug von Mitgliederrechten, zu viel Energie in die Absetzung von verdienten Mitstreitern steckt, zu viel Energie in machtpolitische Spiele investiert.
Antrag möglicherweise unzulässig
Diese Energie könnte an einem anderen Ort viel besser und sinnvoller eingesetzt werden, nämlich „gegen die, die unser geliebtes Deutschland jeden Tag ein wenig weiter reduzieren und auflösen wie ein Stück Seife unter einem lauwarmen Wasserstrahl“. Höcke forderte unter Applaus, daß „die spalterischen Tendenzen endgültig überwunden werden müssen“. Es gelte, ein Zeichen zu setzen, gegen den „spalterischen Geist“.
Das Parteipräsidium wies auf eine mögliche Unzulässigkeit des Antrags hin. Joachim Paul, Mitglied des Bundesvorstands, konterte mit Verweis auf die Klagen der AfD gegen den Verfassungsschutz, daß ein Wechsel an der Spitze zum jetzigen Zeitpunkt fehlerhaft sei. Man dürfe ein erfolgreiches Team nicht auswechseln. Die Delegierten stimmten mit 53,5 Prozent zu 46,5 Prozent für eine entsprechende Resolution.
Die „Arbeitsgruppe Verfassungsschutz“ war vom Bundesvorstand eingesetzt worden. Dieser ist an die Resolution nicht gebunden. (ls)