Eine Krankenhausserie mitten in der Corona-Pandemie, braucht es das? Die ARD beantwortet die Frage mit „ja“ und startet die mittlerweile dritte Staffel der Serie „Charité“. Die widmet sich der Berliner Klinik und ihrer berühmten Mitarbeiter zu Zeiten des Mauerbaus 1961.
Wie schon in den vorangegangenen Staffeln, setzt sich das Serien-Personal aus zeitgenössischen Größen der medizinischen Forschung – Otto Prokop, Helmut Kraatz sowie Mitja und Ingeborg Rapoport – und einigen fiktiven Figuren zusammen. Aus deren Perspektive können die Zuschauer die Abschottung der DDR und auch medizinische Entwicklungen der Zeit miterleben. Allerdings bleibt der Mehrwert durch die fiktiven Handlungsstränge fragwürdig.
Die Handlung hetzt von Thema zu Thema
Kritiker diagnostizierten der Produktion bereits zuvor eine heillos überfrachtete Handlung und offenbar ließ sich bisher keine wirksame Therapie dagegen finden. Mauerbau und Mauertote, fluchtbedingter Personalschwund, die Segen sozialistischer (Miß-)Wirtschaft, Einschüchterung und Gängelung durch die Staatsmacht, das tragische Schicksal zerrissener Familien, politischer Dissens in Beziehungen, die Überwindung von Geschlechterrollen und das problematische Verhältnis von persönlicher Betroffenheit und empirischer Forschung.
Diese kurze Aufzählung verschafft einen – immer noch unvollständigen – Überblick über die angeschnittenen Themenfelder, die zusätzlich noch um verschiedenste Patientenschicksale und eine Liebesgeschichte ergänzt werden.
An Ambitionen hat es den Drehbuchautoren hier zumindest nicht gemangelt, doch mit sechs Folgen ist auch diese dritte Staffel merklich zu kurz, um all die aufgemachten Fässer zu leeren. Atemlos hetzt die Handlungsführung von einem Thema zum nächsten und bleibt deshalb zwangsläufig oberflächlich.
Kein Stereotyp darf fehlen
Wie überambitioniert die Handlung auch daherkommen mag – die Figurenzeichnung wirkt dafür umso liebloser. Vom schwer zugänglichen Genie, das dem Zuschauer langsam ans Herz wächst, über die selbstbewußte junge Ärztin, die sich gegen die anfänglichen Vorbehalte ihrer männlichen Kollegen durchsetzt, bis hin zum gutaussehenden Oberarzt, mit dem sich eine Liebesgeschichte anbahnt: Kein Stereotyp wird ausgelassen. Die weibliche Hauptrolle Ella Wendt, besagte junge Ärztin ist eine der fiktiven Figuren, wirkt stellenweise so abgedroschen, daß man lachen muß.
Schon der Umgang mit ihrer ersten Patientin hat eine emotionale Involvierung in deren tragisches Schicksal zur Folge. Abgesehen von der kitschigen (“Du machst die Mama doch wieder gesund, oder?”) Ausführung wirkt diese übermäßige – und für einen Arzt auf Dauer ungesunde – Empathie klischeehaft und es drängt sich die Frage auf, ob man sich diese fiktive Figur nicht gänzlich hätte sparen können. Interessante reale Persönlichkeiten konnte die Belegschaft der Charité 1961 schließlich zu Genüge vorweisen.
Die Historien-Krankenhausserie enttäuscht
Stereotypes Personal, erzwungene Liebesgeschichte, überfrachtete Handlung und Oberflächlichkeit. All diese Symptome lassen darauf schließen, daß „Charité“ auch in der dritten Staffel noch an den schon zuvor diagnostizierten chronischen Gebrechen leidet. Die Serie erweist sich nämlich leider erneut als Versuch eines umfassenden Sittengemäldes der Epoche, das im viel zu engen Korsett einer Krankenhaus-Seifenoper der Marke „Emergency Room“ erstickt. Bedauerlich.
Die dritte Staffel von „Charité“ ist in der ARD-Mediathek zu sehen und läuft ab kommenden Dienstag jeweils um 20.15 Uhr.