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Rede des Bundespräsidenten zum 3. Oktober: Steinmeier spaltet

Rede des Bundespräsidenten zum 3. Oktober: Steinmeier spaltet

Rede des Bundespräsidenten zum 3. Oktober: Steinmeier spaltet

Steinmeier
Steinmeier
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Festakt zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit Foto: picture alliance/Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa
Rede des Bundespräsidenten zum 3. Oktober
 

Steinmeier spaltet

Der Bundespräsident hat eine Rede gehalten. In Potsdam zum Tag der Deutschen Einheit. Er hat dieser Einheit keinen Dienst erwiesen. Denn Frank-Walter Steinmeier spaltet durch die Einseitigkeit und Ungerechtigkeit seiner Betrachtungsweisen. Ein Kommentar von Karlheinz Weißmann.
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Der Bundespräsident hat eine Rede gehalten. In Potsdam, zum 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit. Er hat dieser Einheit keinen Dienst erwiesen. Denn Frank-Walter Steinmeier spaltet. Er spaltet durch die Einseitigkeit und Ungerechtigkeit seiner Betrachtungsweisen.

In deren Zentrum steht das präsidiale Geschichtsbild, das nur zwei Farben kennt: Schwarz und Weiß. Weiß ist für Steinmeier alles, was unter friedlich, fortschrittlich, egalitär, feministisch, bunt, antifaschistisch und international fällt. Schwarz alles andere. So etwa das Kaiserreich, dessen 150. Gründungstag bevorsteht.

Darüber heißt es bei Steinmeier: „Die nationale Einheit 1871 wurde erzwungen, mit Eisen und Blut, nach Kriegen mit unseren Nachbarn, gestützt auf preußische Dominanz, auf Militarismus und Nationalismus.“

Eine Belastung, die nicht ohne Folgen bleiben konnte: „Mit eiserner Hand wurde im Kaiserreich auch nach innen durchregiert. Katholiken, Sozialisten, Juden galten als ‘Reichsfeinde’, wurden verfolgt, ausgegrenzt, eingesperrt; Frauen von politischer Mitbestimmung ausgeschlossen.“ Und: „Es war ein kurzer Weg von der Gründung des Kaiserreiches bis zur Katastrophe des Ersten Weltkrieges.“

Steinmeier in der Rolle des Schulmeisters

Die hier zur Geltung kommende Sicht ist nur noch um Nuancen vom DDR-Ansatz getrennt, der die Bedeutung des Jahres 1871 auf eine „großpreußisch-militaristische Reichsgründung“ reduzierte und stets die Assoziation nahelegte, es habe sich beim Bismarckstaat um einen Protofaschismus gehandelt, der ohne Umweg zu Vernichtungskrieg und Massenmord unter Adolf Hitler führte.

Eine derartige Sicht des Kaiserreiches ist aber nicht nur sachlich falsch. Sie beruht auch auf jener Art „Mythen“, vor denen Steinmeier an anderer Stelle warnte, weil sie Tatsachen bewußt verzeichnen, um Menschen manipulieren zu können.

Trotzdem wird Steinmeier kaum mit Kritik rechnen müssen. Denn das Gesagte entspricht nicht nur dem, was uns der Politisch-Mediale Komplex als Konsens andient. Es bringt auch eine Auffassung vom Amt des Bundespräsidenten zur Geltung, die in den vergangenen Jahrzehnten durchgesetzt wurde.

War das Verständnis ursprünglich davon bestimmt, daß der Bundespräsident als Staatsoberhaupt erkennbar über den Parteien zu stehen habe und in seiner Person das größere Ganze repräsentiere, hat sich die Vorstellung Stück für Stück dahin verschoben, daß er eine Art praeceptor Germaniae sei, ein Schulmeister, der die Deutschen darüber belehrt, was richtig und was falsch ist.

Die ersten Bundespräsidenten waren um Ausgleich bemüht

Von einem derartigen Selbstverständnis waren die ersten Bundespräsidenten noch weit entfernt. Auf Grund der bitteren Erfahrungen mit den Konflikten in der Weimarer Republik suchten sie stets ausgleichend zu wirken.

Mit dem Amtsantritt Gustav Heinemanns änderte sich das. Als Heinemann aus Anlaß des 100. Jahrestages der Reichsgründung eine Ansprache hielt, die alle Sender – Rundfunk wie Fernsehen – am 17. Januar 1971 ausstrahlten, war der Neuansatz schon festzustellen. Für vieles, was Steinmeier heute sagt, hat Heinemann damals Stichworte geliefert.

Aber Heinemann mußte – anders als Steinmeier – noch eine gewisse Vorsicht walten lassen. Denn eine Opposition, die den Namen verdiente, war bereit, entschieden und im Zweifel lautstark Widerspruch zu erheben. So erklärte ein Bundestagsabgeordneter der Union: „Ich meine, Nation ist ein Inbegriff von gemeinsamer Vergangenheit und Zukunft, von Sprache und Kultur, von Bewußtsein und Wille, von Staat und Gebiet. Mit allen Fehlern, mit allen Irrtümern des Zeitgeistes und doch mit dem gemeinsamen Willen und Bewußtsein hat diesen unseren Nationsbegriff das Jahr 1871 geprägt. … Leider aber haben wir im Jubiläumsjahr der Reichsgründung … von hoher und besonders hoher Stelle andere, zumeist kritische Äußerungen zu dieser Nation gehört.“

Geräuschloser Systemwechsel

Die Sätze stammen aus einer Rede Richard von Weizsäckers. Einige Jahre später wurde er selbst Bundespräsident und bekehrte sich zu schlechteren Einsichten. Was nicht allein mit Zeitumständen und persönlicher Schwäche zu erklären ist. Es handelte sich auch um eine Reaktion auf die verschobenen Machtverhältnisse im westdeutschen Überbau.

Obwohl sie es anders und besser wußten, räumten die Bürgerlichen ihre Positionen und unterwarfen sich dem, was man wahlweise als „Fundamentalliberalisierung“ (Jürgen Habermas) oder als „Umgründung“ (Manfred Görtemaker) der Bundesrepublik bezeichnet hat. Im einen wie im anderen Fall ging es um einen geräuschlosen Systemwechsel. Ganz an sein Ende gekommen ist er bis heute nicht. Aber der jüngsten Rede des Staatsoberhaupts ist zu entnehmen, wie wenig noch fehlt.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Festakt zum 30. Jahrestag der Deutschen Einheit Foto: picture alliance/Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa
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