DRESDEN. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat sich verständnisvoll über eine „Projektregierung“ in Thüringen geäußert. „Auch in der Opposition muß man versuchen, Dinge zu bewegen“, sagte Kretschmer am Donnerstag den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland.Es gehe nicht darum, „immer nur Contra zu geben, sondern um kritische Begleitung und Ringen um den rechten Weg“.
Als die Union zwischen 1998 und 2005 unter dem damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) in der Opposition gewesen sei, habe sie „auch Regierungsentscheidungen mitgetragen, wenn sie sie für richtig befand“, begründete Kretschmer seine Einschätzung. Die CDU könne jedoch keinen Linkspartei- oder AfD-Politiker zum Ministerpräsidenten wählen sowie keine Kabinettsmitglieder in deren Regierungsmannschaft stellen.
In Thüringen laufen seit der Landtagswahl Ende Oktober Verhandlungen über eine neue Regierungskoalition. In der CDU hatten sich zuletzt Politiker zu Wort gemeldet, die eine Zusammenarbeit zwischen ihrer Partei und der Linken ablehnen. Auch ein Beschluß des 31. CDU-Parteitags sieht vor, daß die Partei jegliche Zusammenarbeit mit Linkspartei und AfD ausschließt.
CDU sinkt in Umfrage ab
Thüringens CDU-Chef Mike Mohring stellte Anfang der Woche Mehrheiten für eine rot-rot-grüne Koalition in Aussicht. Man habe bei wichtigen Themen „unvoreingenommene Prüfung“ und Gesprächsoffenheit zugesichert und „daß dort Mehrheiten gesichert werden, wo Themen notwendig sind, weil sie das Land voranbringen“, sagte Mohring am Montag nach einem Treffen von CDU, Linkspartei, SPD, Grünen und FDP vor Journalisten.
Laut dem Chef des Meinungsforschungsinstituts Insa, Hermann Binkert, hat die Debatte über eine Zusammenarbeit zwischen CDU und Linkspartei negative Auswirkungen vor allem auf die Union. „Bei vielen CDU-affinen Wählern gibt es eine große Skepsis gegenüber der Linken.“ In der jüngsten Insa-Umfrage von Anfang der Woche verlor die Union zwei Prozentpunkte und kam auf 27 Prozent.
Der Politologe Werner J. Patzelt, der Ko-Vorsitzender der CDU-Programmkommission zur Landtagswahl 2019 war, kritisiert die geplante Projektregierung. Ein solches Bündnis entzöge dem Wähler die Chance, eine Richtungsentscheidung zu treffen, schrieb Patzelt in einem Gastbeitrag für die aktuelle Ausgabe der JUNGEN FREIHEIT.
„Eben dieses Ungleichgewicht im Emotionshaushalt unserer politischen Ordnung hat einst die – inzwischen von der AfD geschlossene – Repräsentationslücke rechts der CDU entstehen lassen und die dafür verantwortlichen Parteien zum Glauben an eine geschichts- und staatspolitische Pflicht gebracht, überall Einheitsfronten gegen die AfD zu bilden. Genau das wurde allerdings zum Grund für politisch widersprüchliche Bündnisse oder für Minderheitsregierungen dort, wo es zwar rechte Mehrheiten in der Bevölkerung gibt, diese aber parlamentarisch nicht nutzbar sind. Den Preis für daraus entstehende Dilemmata bezahlt die CDU – und zwar zu Recht, denn vor allem sie ist schuld am Aufkommen der AfD.“ (ls)