Versuchen Sie bitte einmal, sich folgende Situation vorzustellen: Die US- Regierung nimmt anläßlich des Jubiläums eines großen nationalen Feiertags eine Unsumme an Steuergeldern in die Hand, um eine Kampagne zu finanzieren, in der das Klischee des übergewichtigen, ungebildeten Hillbillys als „sooo American“ und damit offiziell als typisch amerikanisch gezeichnet wird.
Können Sie sich nicht vorstellen? Dann versuchen Sie es damit: Eine steuerfinanzierte Kampagne ähnlichen Tenors aus Frankreich, in der der typische Franzose als dauerbaggernder, ständig an einem Baguette knabbernder Schnurbartträger gezeigt wird, der mit Rotweinfahne am Steuer einer Schrottkarre sitzt.
Socken in Sandalen
Auch das können Sie sich nicht vorstellen? Na gut. Ein dritter Versuch: Die deutsche Bundesregierung läßt sich vom deutschen Steuerzahler eine „Das ist sooo deutsch“-Kampagne finanzieren, in der sie den Deutschen als kleingeistigen und unmodischen Spießer veralbert.
Das ganze auch noch anläßlich des 30. Jahrestages der Wiedervereinigung und der friedlichen Revolution in der DDR. Können Sie sich vorstellen? Das ist sooo deutsch. Deutschland ist nämlich wohl das einzige Land der Welt, in dem sich die Bürger von ihrer gewählten Regierung nicht nur wirklich jede Frechheit gefallen lassen, sondern in dem es auch allgemein üblich ist, das eigene Land und die eigene Mentalität vor allem mit negativen Attributen zu verbinden.
Viele dieser negativen Zuschreibungen tauchen auch in der Regierungskampagne auf. Auf großflächig angebrachten Plakaten und in kleinen, leicht antideutsch anmutenden Werbeclips. Auf der eigens für die Aktion eingerichteten Seite heißt es dazu: „Die Vorstellung der Filme zur Kampagne ‘Das ist sooo deutsch’ ließ die Zuschauer schmunzeln. Mit einem zwinkernden Auge wird hier aufgegriffen, was oft als ‘typisch deutsch’ gilt, beispielsweise Socken in Sandalen, Gartenzwerge, der Trabi oder Karneval.“
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Altbackene Klischees
Daß die Bundesregierung all diese Klischees in ihrer Kampagne verwurstet, ist auch deshalb interessant, weil Klischees nach „typisch deutscher“ Definition ja eigentlich immer mit Vorurteilen gleichgesetzt werden. Sie sind damit eigentlich absolut tabu.
Aber hier geht es ja um Klischees über Deutsche. Die übrigens mindestens so altbacken sind, wie die Haltung, die den Deutschen in der Werbung vorgeworfen wird. Diese alten Klischees stimmen ja in vielen Fällen immer noch und müssen daher benannt werden. Auf daß sie von dem neuen, bunteren und besseren Deutschsein überwunden werden können. Deshalb, so liest man auf der Homepage zur Kampagne, „spiegelt die Diversität der Motive die Vielfältigkeit des Landes sowie das Motto des Jubiläumsjahres wider – Deutschland ist eins: vieles.“
Zum Erdenken und Verbreiten solcherlei Plattitüden hat die Bundesregierung übrigens extra eine eigene Kommission mit 22 Mitgliedern aus Politik, Wirtschaft, Kunst, Kultur, Medien, Wirtschaft und Zivilgesellschaft eingesetzt. Ihr gehören ausgelatschte, alte, rote Socken wie Matthias Platzeck an. Aber auch die üblichen „Kulturschaffenden“, wie Jan Josef Liefers und Anna Maria Mühe. Die Kommission soll Empfehlungen „für vielfältige Veranstaltungen“ zur Friedlichen Revolution und der Deutschen Einheit geben, die sich 2019 und 2020 zum 30. Mal jähren. Denn: „Die Jahrestage sollen als ein ganz Deutschland einendes Jubiläum gefeiert werden. Historische Meilensteine auf dem Weg zur Einheit sollen gewürdigt werden.“
Die Kampagne macht sich über das deutsche Volk lustig
Deutsche Geschichte oder gar Stolz auf historische Leistungen der Deutschen gehen für die geistige Kaste, die in solchen Kommissionen sitzt, aber eben nicht ironiefrei zusammen. Nur so ist es zu erklären, daß es sich die Köpfe hinter der Kampagne nicht verkneifen konnten, sich anläßlich der Ehrung des friedlichen deutschen Volksaufstands von 1989 nach Strich und Faden über das deutsche Volk lustig zu machen.
Natürlich nur ganz liebevoll und augenzwinkernd. Nicht bösartig, wie die rechte Hate-Speech-Fraktion, wenn sie sich über die Erdogan-Türken oder die Rückständigkeit vieler Araber lustig macht. Vielleicht, der Gedanke muß einem kommen, ist diese Form der Kampagne auch ein spätes Nachtreten gegen die Feinde der DDR und die Deutsche Einheit, die Angehörige der linken Kulturelite so nie gewollt haben. Von den sozialdemokratischen Gegnern der deutschen Wiedervereinigung ganz zu schweigen.
Das Volk, auch das ist irgendwie ist sooo deutsch, reagiert auf die herablassende Kampagne seiner Regierung mit Galgenhumor. In den sozialen Netzwerken verbreiten sich derzeit unzählige selbstkreierte Varianten der Werbeplakate. „Das ist sooo deutsch“ heißt es da etwa über Bilder von flaschensammelnden Rentnern oder den sogenannten Merkelpollern vor Volksfesten und Weihnachtsmärkten. Humor war in Deutschland eben schon immer, wenn man trotzdem lacht.