WIEN. In der FPÖ wächst nach dem Debakel der Partei bei der Nationalratswahl am Sonntag die Kritik am früheren Vorsitzenden Heinz-Christian Strache. „Hätte Strache nach ‘Ibiza’ das Gleiche getan wie Gudenus, wäre uns das erspart geblieben“, sagte der niederösterreichische FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl laut einem Bericht des ORF. Johann Gudenus war nach dem Skandal um das Ibiza-Video aus der Partei ausgetreten und gab auch sein Mandat im Nationalrat zurück.
Der steirische Landesvorsitzende der Partei, Mario Kunasek, ging noch weiter und forderte einen Parteiausschluß Straches, sollten sich Vorwürfe aus der Spesenaffäre der vergangenen Woche erhärten. Strache wird beschuldigt, private Käufe mit Scheinbelegen aus Parteivermögen bezahlt zu haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn wegen Untreue. Im Raum steht auch der Vorwurf, „regelmäßig Sporttaschen mit hohen Summen Bargeld erhalten“ zu haben. „Wenn das stimmt, sehe ich keine andere Möglichkeit, so leid es mir tut“, sagte Kunasek.
Strache gibt seinen Nachfolgern Schuld am Wahlausgang
Strache war am Wahlabend in die Offensive gegangen und hatte seiner Partei Fehler im Wahlkampf vorgeworfen. „Wer sich so an die ÖVP anbiedert, und den konsequenten bisherigen Weg einer sozialen Heimatpartei verläßt, darf sich nicht wundern, wenn viele gleich ÖVP wählen oder verunsichert werden“, schrieb er auf Facebook. Zudem sprach er von „einem kriminell jahrelang aufgebauten Angriff gegen meine Person und die FPÖ“.
Straches Frau Philippa hat nach derzeitigem Stand weiterhin Chancen auf ein Nationalratsmandat. Sie hatte sich auf der Wiener Liste der Partei beworben. Wie das Portal oe24.at allerdings meldete, will Strache im Falle ihrer Wahl das Mandat nicht annehmen und nennt dabei den innerparteilichen Umgang mit ihrem Mann als Grund. Die FPÖ wollte einen etwaigen Mandatsverzicht Straches weder bestätigen noch dementieren.
Unterdessen hat sich der neue Parteichef Norbert Hofer skeptisch zu einem erneuten Eintritt in eine Regierung von Sebastian Kurz geäußert. Er sehe keinen Auftrag für eine Regierungsbeteiligung, sagte Hofer am Abend. Die FPÖ verlor im Vergleich zur Wahl 2017 fast neun Prozentpunkte und liegt laut vorläufigem amtlichen Endergebnis ohne Briefwahlstimmen mit 17,3 Prozent auf dem dritten Platz.
Doskozil gegen SPÖ-Regierungseintritt
Die ÖVP und Sebastian Kurz kommen auf 38,4 Prozent (plus 6,9 Prozentpunkte), die SPÖ unter ihrer neuen Vorsitzenden Pamela Rendi-Wagner auf 21,5 Prozent (minus 5,4 Prozentpunkte). Das ist für die SPÖ der schlechteste Wert seit Bestehen der Zweiten Republik. Der SPÖ-Landeshauptmann im Burgenland, Hans-Peter Doskozil, warnte seine Partei vor einem Eintritt in eine Regierung Kurz. Man dürfe „unter keinen Umständen einfach zur Tagesordnung übergehen“, sagte er der Zeitung heute. „Unser Ergebnis ist ein Desaster, kein Regierungsauftrag.“
Die Grünen haben den Wiedereinzug in den Nationalrat geschafft. Ein Zugewinn von 8,6 Prozentpunkten brachte der Partei ein Ergebnis von 12,4 Prozent ein. Neben SPÖ und FPÖ sind auch die Grünen ein möglicher Koalitionspartner für Kurz. Als fünfte Fraktion schafften die NEOS den Einzug mit 7,4 Prozent (plus 2,1 Prozentpunkte). Für den Mittwoch hat Staatspräsident Alexander van der Bellen den Beginn von Gesprächen mit den Vorsitzenden der im Nationalrat vertretenen Parteien angekündigt. Den Anfang macht dabei Sebastian Kurz. (tb)