WIEN. Bei der Nationalratswahl in Österreich hat die ÖVP unter Parteichef Sebastian Kurz Stimmen hinzugewinnen und den Wahlsieg einfahren können. Die ÖVP kommt nach der neuesten Hochrechnung des Meinungsforschungsinstituts Sora auf 37,2 Prozent der Stimmen. Die sozialdemokratische SPÖ verbucht demnach 21,7 Prozent, ihr historisch schlechtestes Ergebnis. Die FPÖ verliert und erreicht 16 Prozent.
Die Grünen haben den Wiedereinzug ins Parlament geschafft und kommen auf ihr historisch beste Ergebnis von 14 Prozent. Für die liberalen Neos stimmen 7,4 Prozent der Wähler. Die Liste Jetzt verpaßt mit zwei Prozent den Einzug ins Parlament.
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Das tatsächliche Ergebnis könnte sich gegenüber der Hochrechnung allerdings noch leicht ändern, da die Briefwahlkarten noch ausgezählt werden müssen. Ihr prognostiziertes Ergebnis ist in der Hochrechnung miteinbezogen. Die Wahlbeteiligung lag bei rund 76 Prozent. Etwa 6,4 Millionen Österreicher waren zur Wahl aufgerufen.
Kurz: „Ich bin überwältigt und fast schon sprachlos“
„Ich bin überwältigt und fast schon sprachlos“, sagte Kurz über seinen Wahlerfolg. „Vielen, vielen Dank, liebe Freunde, für all eure Unterstützung. Wir sind als Bundesregierung im Mai abgewählt worden. Es waren schwere vier Monate. Und heute hat uns die Bevölkerung zurückgewählt. Vielen Dank für eure Unterstützung und euer Vertrauen. Mir fehlen selten die Worte, aber heute ist es soweit.“ Er nehme das Vertrauen demütig an. Es sei nun der Auftrag an die ÖVP, „bestmöglich für ein schönes Österreich zu arbeiten“, betonte der 33 Jahre alte Spitzenpolitiker.
Erfreut vom Wahlerfolg der ÖVP zeigte sich auch deren Fraktionschef August Wöginger. „Ich bin sehr zufrieden, das Volk hat entschieden“, sagte Wöginger vor Journalisten. Rot-Blau sei abgewählt worden, ergänzte er in Anspielung an den Mißtrauensantrag gegen Ex-Kanzler Kurz. Über mögliche Koalitionspartner wollte er nichts sagen.
Mölzer: „FPÖ muß sich neu gründen, wenn sie überleben will“
FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky sagte gegenüber dem ORF, dises Ergebnis zeige, daß die Koalition aus ÖVP und FPÖ abgewählt worden sei.
Der frühere EU-Abgeordnete Andreas Mölzer kommentierte in der Tageszeitung Die Presse: „Die FPÖ muß sich neu gründen, wenn sie überleben will. Sie muss ihre moralische Glaubwürdigkeit zurückerobern. Sie muss die Dinge, die sie immer versprochen hat, Sparsamkeit, Transparenz, Antikorruption, auch wirklich umsetzen. Ein für alle verpflichtender Wertekanon könnte hier eine Lösung sein.“
Mehrere Koalitionsoptionen für Kurz
Bleibt es bei diesem Ergebnis, ergeben sich für Kurz mehrere Koalitionsmöglichkeiten. Zum einen könnte er die Koalition mit der FPÖ fortsetzen. FPÖ-Chef Norbert Hofer deutete im Wahlkampf mehrfach an, dies anzustreben. Auch Kurz erwähnte mehrfach die seiner Angaben nach gute Zusammenarbeit. Zum anderen wäre ein Bündnis mit der SPÖ möglich. Dieses gilt aber bei beiden Parteien als unbeliebt.
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Weil die Grünen den Wiedereinzug ins Parlament klar geschafft und die Neos ebenso Stimmen hinzugewinnen konnten, wäre auch eine sogenannte Dirndl-Koalition bestehend aus ÖVP, deren Farbe seit zwei Jahren Türkis ist, Grüne und Neos, deren Parteifarbe Pink ist, denkbar. Sollten sich die Hochrechnung bestätigen, wäre auch eine Koalition aus ÖVP und Grünen möglich.
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Wahlkampf von Skandalen geprägt
Bei der Wahl handelte es sich um eine vorgezogene Abstimmung. Nach der Nationalratswahl 2017 regierte zunächst die ÖVP unter Kurz zusammen mit der FPÖ. Nach der Ibiza-Affäre kündigte Kurz die Koalition auf. Der ÖVP-Chef verlor daraufhin jedoch das Vertrauen im Parlament und mußte das Kanzleramt räumen. Anschließend wurde eine Beamtenregierung bestellt.
Der Wahlkampf war von mehreren Skandalen geprägt. Gegen den früheren FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache etwa wird seit einigen Tagen wegen Untreue ermittelt. Zudem kündigte die Wiener FPÖ eine Prüfung von Straches Spesen seit 2013 an. Hintergrund sind eine anonyme Anzeige und an Medien zugespieltes Material über Straches Ausgaben.
Kurz geriet in die Negativ-Schlagzeilen, als ein Video aufgetaucht war, das seinen früheren Social-Media-Chef zeigt, der fünf Festplatten in einem Fachbetrieb mehrfach schreddern läßt. Dabei soll der Mann unter falschem Namen aufgetreten sein.
Bei der Wahl zum EU-Parlament errang die ÖVP mit 34,6 Prozent einen klaren Sieg. Die FPÖ verlor im Vergleich zur EU-Wahl 2014 zweieinhalb Prozentpunkte und kam auf 17,2 Prozent. Die SPÖ verbuchte 23,9 Prozent. (ls)