BERLIN. Die Migrationsforscherin Naika Foroutan hat vor dem Erstarken eines neuen Faschismus in Europa gewarnt. Die gesellschaftliche Entwicklung laufe derzeit auf „eine präfaschistische Phase“ hinaus. Die zunehmende Verrohung der Debatten um Flüchtlinge und deren Aufnahme hätten sie sehr erschüttert, sagte sie dem Tagesspiegel.
Die wachsende Zahl konservativer Regierungen in Europa beunruhige sie. Neben Ungarn, Polen und der Slowakei sei die Entwicklung in Italien besonders dramatisch. „Jetzt wird Italien rechts dominiert, es werden Roma gezählt und Flüchtlinge als Invasoren entmenschlicht, die man im Mittelmeer sterben lassen sollte.“ Außerdem werde zwischen Berlin, Wien und Rom wieder von einer „Achse“ gesprochen.
„Deutschsein ist wieder mit Herkunft verbunden“
Foroutan gab an, eine Wandlung hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Deutschen und Zuwanderern festgestellt zu haben. „Deutschsein ist wieder sehr viel stärker mit Herkunft verbunden, mit nationalem Bekenntnis, mit Weißsein – vor Özil war Boateng dran – und ohne Bekenntnis zu Religionspluralität.“ Dadurch werde Deutschland brutaler.
Angesichts der aktuellen innenpolitischen Lage sprach sich die Sozialwissenschaftlerin dafür aus, die Grünen zu wählen. Nur sie könnten auch die ausländischstämmige Bevölkerung in die Gesellschaft integrieren. „Die Grünen sind die einzigen, die in der fundamentalen Frage, wie das neue Deutschland aussehen muß, nicht auf Distanz gegangen sind. Robert Habeck ist ein Suchender, der mit viel Herzenswärme eine Politik für die Bevölkerung macht. Und hier hätte er Potential, die migrantische deutsche Bevölkerung gezielter zu adressieren und in diese Wärme einzubinden.“
Vergangene Woche hatte die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright ihre Sorge über einen neuen Faschismus in Europa ausgedrückt. Auch sie bezog sich dabei ausdrücklich auf Ungarn und Polen. (ag)