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Shitshorm gegen die „Zeit“: Rückzugsgefecht der Gesinnungstaliban

Shitshorm gegen die „Zeit“: Rückzugsgefecht der Gesinnungstaliban

Shitshorm gegen die „Zeit“: Rückzugsgefecht der Gesinnungstaliban

„Aquarius“
„Aquarius“
Die „Aquarius“ mit Einwanderern an Bord (Archivbild) Foto: picture alliance / Photoshot
Shitshorm gegen die „Zeit“
 

Rückzugsgefecht der Gesinnungstaliban

In dem Shitstorm gegen „Zeit“-Redakteurin Mariam Lau zeigt sich die Verhärtung und Radikalisierung der Gesinnungsethik des linksliberalen Millieus. Zweifel, Kritik und der Appell an die Verantwortungsethik gelten dort vielen als Verrat. Der Beitrag Laus ist auch deswegen ein Hoffnungsschimmer. <>Ein Kommentar von Thorsten Hinz.<>
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Die Zeit-Redakteurin Mariam Lau erlebt gerade einen Shitstorm übelster Art. Ausgelöst wurde er durch ihre Stellungnahme zu den sogenannten Seenotrettern im Mittelmeer. Auf der dritten Seite der Hamburger Wochenzeitung hielt sie fest, daß die NGO-Aktivisten nichts zur Problemlösung beitrügen.

Im Gegenteil, sie seien fest eingeplante Akteure im Geschäftsmodell der Schlepper. Die Schiffbrüchigen hätten zwar Anspruch auf Rettung, aber nicht auf ein Zielland ihrer Wahl. Die NGOs handelten aus angemaßter moralischer Überlegenheit heraus, ohne einen Gedanken an die Folgen ihres Tuns zu verschwenden.

Angebot für eine längst fällige Debatte

„Stellen wir uns für zwei Minuten vor, wo Europa jetzt stünde, wenn man dem Drängen der Menschenrechtsorganisationen nach Legalisation aller Wanderungsbewegungen, ob Flucht oder Armutsmigration, nachgegeben hätte. Nach einem Europa ohne Grenzen. Eine Million, zwei Millionen, drei Millionen. Wie lange würde es wohl dauern, bis die letzte demokratische Regierung fällt?“

So weit, so bekannt. Der Text ist maßvoll in der Form und in der Sache. Er ist Angebot für eine längst fällige Debatte. Die abschließende Frage müßte man allerdings zuspitzen: Wie lange würde es dauern, bis auch die letzten europäischen Metropolen zu Kalkutta geworden sind, mit allen sozialen, kulturellen, zivilisatorischen Konsequenzen?

In der Süddeutschen Zeitung reagierte Heribert Prantl erwartbar aufgebracht wie sachfremd: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Dieser Satz muß der sicherste aller sicheren Sätze sein und bleiben.“ Repräsentativ für die Reaktionen auf Twitter ist der Tweet, den der Chef der Satire-Zeitschrift Titanic, Tom Wolff, abgesetzt hat: „Wer bei der Zeit arbeitet und nach diesen Sätzen von Mariam Lau (…) ihr nicht täglich brühend heißen Kaffee ins Gesicht kippt, ist für mich moralisch gestorben.“

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Frustration und Desorientierung des Juste milieus

Bernd Ullrich, Stellvertretender Chefredakteur der Zeit und grüneingefärbter Linksausleger, zeigte sich geschockt über die aggressiven Rückmeldungen. „Ich habe heute am eigenen Leib mitbekommen, wie es ist, wenn die flüchtlingsfreundliche Gemeinde ins Gefecht zieht. ‚Arsch offen, Zeit-Redakteure töten? Zivilisationsbruch, die Zeit aus dem Diskurs raus, mit Kaffee verbrühen, maßlose Enttäuschung‘.“

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In einem zweiten Tweet ergänzte er: „Ich kann besser erspüren, warum Leute aus Trotz weiter nach rechts gehen. Ich bin kein fragiles Gemüt, bei mir wird das nicht passieren. Aber man sollte schon mal überlegen, ob Humanismus mit nichthumanem Sprechen erreicht werden kann. Gute Nacht Freude“.

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In der enthemmten Sprache entladen sich die Frustration und die Desorientierung des Juste milieus, deren Leitorgan die Zeit nach wie vor ist. Dieses Milieu ahnt, daß seine hypermoralische Haltung zu einer suizidalen Gefahr geworden ist, möchte diese Einsicht aber noch von sich schieben, auch weil das Eingeständnis mit einem Prestige-Verlust verbunden wäre.

https://twitter.com/titatimwo/status/1017443263450632193

Bevölkerungsexplosion in Nigeria

Einige reagieren darüber hinaus mit Verhärtung und der Radikalisierung ihrer Gesinnungsethik. Jede Abweichung von der reinen Prantl-Lehre, Zweifel, Kritik, der Appell an die Verantwortungsethik, gelten ihnen als Verrat. Und Verrätern schüttet man heißen Kaffee ins Gesicht. Mindestens!

Aus der Distanz betrachtet, handelt es sich bei diesem medialen Aufruhr um – kalten Kaffee. Der Gewaltforscher Gunnar Heinsohn hat kürzlich wieder eine Rechnung aufgemacht: Nigerias Bevölkerung ist seit 1950 von 40 auf 200 Millionen Menschen angestiegen, von Platz 14 der bevölkerungsreichsten Nationen auf Platz 3. Deutschland ist in dieser Zeit von Platz 7 auf Platz 24 gefallen.

Die attraktiven Weide- und Ackerflächen im Land sind längst knapp geworden. Außerdem hat Nigeria gegen die überlegene asiatische Konkurrenz 40 Prozent seiner Industrieproduktion eingebüßt. Bis 2050 werden sogar 410 Millionen Einwohner erwartet.

Ein Hoffnungsschimmer

Der Bürgerkrieg um die fruchtbaren Flächen richtet sich momentan gegen die Christen, doch auch innerhalb der Religionsgemeinschaften werden Konfliktlinien aufbrechen, denn: „Durchgehend müssen 4.500 bis 5.000 Jünglinge von 15 bis 19 Jahren um die Positionen und Ländereien von 1.000 Männern zwischen 55 und 59 Jahren kämpfen.Vorwände für Gewalt finden sich dann allemal auch zwischen Verehrern derselben Gottheit.“

Allein in Nigeria werden also zig Millionen persönlicher Fluchtgründe generiert, die Europa weder vor Ort beheben noch bei sich befrieden kann. Die gesinnungsethischen Taliban in der Bundesrepublik werden sich durch solche Berechnungen keineswegs beeindrucken lassen. „Die Menschen sprengen sich für Allah in die Luft – weshalb sollen sie dann nicht ihre Gesellschaft für die Menschenrechte zerstören?“ fragte Rolf Peter Sieferle in seiner Studie „Das Migrationsproblem“. Wenn eine profilierte Zeit-Redakteurin dagegen die Stimme der politischen Vernunft erhebt, ist das ein Hoffnungsschimmer.

Die „Aquarius“ mit Einwanderern an Bord (Archivbild) Foto: picture alliance / Photoshot
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