Der politische Zweikampf Seehofer – Merkel geht weiter und am Wochenende in seine Schlußrunde. Im Bundestag hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erkennen lassen, daß sie für ihre Willkommenspolitik kämpfen will. Alle Register werden deshalb gezogen. Die Migrationspolitik, die längst zu Merkels Schicksalsfrage geworden ist, wird rasch zur Schicksalsfrage der EU erklärt.
Ansonsten klare Kante im Grundsätzlichen, verkniffenes Eingeständnis von Fehlern, taktisches Lob für ihren Gegenspieler Seehofer – so hatte sie ihre Regierungserklärung zum Europäischen Rat angelegt. Sie bekräftigte einerseits ihre Position, daß an den deutschen Grenzen europäisches Recht vor nationalem Recht gehe.
Und Merkel räumte andererseits Versäumnisse im Umgang mit abgelehnten Asylbewerbern ein, sprach die Ermordung der 14jährigen Susanna aus Mainz an sowie den Abschiebungs-Skandal um den früheren Leibwächter Osama bin Ladens. Ihren Innenminister würdigte sie wegen seines sogenannten Masterplans zur Asylpolitik, der dem Parlament nach wie vor unbekannt ist. Merkels banales Fazit zum Streit mit der CSU und zur Regierungskrise: „Wir sind noch nicht da, wo wir sein wollen.“
Affront gegenüber den Abgeordneten
Apropos Seehofer. Der Bundesinnenminister erschien trotz Ressortzuständigkeit erst gar nicht im Bundestag. Am Vorabend hatte er noch genug Zeit für ein längeres Fernsehinterview zum Thema Asyl. Wie kürzlich den Integrationsgipfel im Kanzleramt schwänzte Seehofer die Sitzung im Parlament.
Ein Affront gegenüber der Kabinettschefin Merkel, ein Affront gegenüber den frei gewählten Abgeordneten. Wer den Bundestag derart mißachtet, sollte künftig den Mund halten, wenn die AfD-Fraktion im Parlamentsalltag unkonventionelle Wege geht, etwa bei der Schweigeminute für die ermordete Susanna.
Fraktionschef Alexander Gaulands Rede war für die Abgeordneten der anderen Parteien insofern enttäuschend, da sie für diese kaum inhaltliche Angriffspunkte enthielt. „Wir haben nicht das geringste dagegen, Menschen in Not zu helfen. Aber hören Sie auf, Probleme ohne Ende in unser Land zu importieren“, betonte er und plädierte für Hilfen direkt in den Herkunftsländern.
Grüne Opposition als Hilfstruppe
Weniger staatstragend gab sich Christian Lindner, der in aller Schärfe Merkels „technische Formulierungen“ rügte, die die Menschen längst nicht mehr zufriedenstellten. Der FDP-Chef bekannte sich zwar grundsätzlich zu einer europäischen Lösung der Asylfrage, doch müsse Deutschland übergangsweise altes Recht anwenden wie es die CSU fordert, also Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Land registriert wurden, an der deutschen Grenze abweisen.
Und die Grünen, Merkels Hilfstruppe in der Opposition, gaben sich wie gewohnt als Europa-Romantiker und warteten mit einer Beobachtung, ja einer ungeheuerlichen Beobachtung auf. Kürzlich habe doch tatsächlich ein CDU-Abgeordneter dem AfD-Chef nach der Rede augenzwinkernd sein inhaltliches Einverständnis signalisiert, erregte sich Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Der Geist sei aus der Flasche.
Seehofer scheint aufs Ganze zu gehen, sucht offenbar die Machtprobe. Eine andere Bedeutung läßt sein gesamtes Verhalten, zuletzt sein demonstratives Fernbleiben von der Bundestagssitzung, nicht zu. Wer Angela Merkel unterschätze, habe schon verloren, hat Seehofer vor vielen Jahren einmal bekannt. Es könnte sein, daß der CSU-Chef Opfer seiner damaligen zutreffenden Erkenntnis wird.