Noch nicht allzu lange ist es her, da galt es als wenig sexy, Konservativer zu sein. Da hatte es beispielsweise eine ausschließlich verächtliche Note, wenn der Spiegel in Artikeln über die CDU penetrant das Synonym „konservativ“ verwendete und diese mit dem lächerlichen Image hinterwäldlerischer Verlierer durch den Kakao ziehen wollte.
Dies scheint sich jetzt geändert zu haben. Die Zeit, Hausblatt der Linksliberalen, titelte kürzlich „Was ist heute konservativ?“ und staunte über die Konjunktur dieses Begriffs, den sie längst in der politischen Mottenkiste wähnte.
In der jüngsten Welt am Sonntag fragte Susanne Gaschke, wer 50 Jahre nach der Revolte von ’68 die Deutungshoheit habe und kommt zum verblüffenden Ergebnis, das Klima habe sich nicht nur nach „rechts“ verschoben, sondern die Konservativen dominierten inzwischen sogar die Debatten.
Kampf um Begriffe
Nun wird immer aufgeregter diskutiert, ob es sich dabei auch um „wahre“ Konservative handle, die da auf die Stellungen der Linken vorrückten, oder ob sich hinter verschobenen Kulissen camouflierte antidemokratische Apologeten der Konservativen Revolution verbergen würden. Aber wer bestimmt denn, was konservativ ist? Wohl kaum die Linke.
Der konservative Staatsrechtler Helmut Quaritsch hatte einmal treffend festgestellt, „im Kampf der Geister“ sei „die Besetzung eines Begriffs so wichtig wie im Kriege die Eroberung einer Festung“. Und so stürzen sich Liberale und Linke ins Getümmel, um bösen „Rechten“ diesen Begriff wieder zu entwinden.
So wie der grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der Ende März ganzseitig in der FAZ für einen „zeitgemäßen Konservatismus“ plädierte und vor Populismus warnte, der die Gesellschaft spalte. Gleichzeitig versuchen Linke, konservativen Intellektuellen pauschal das anstößige Etikett einer antidemokratischen „Neuen Rechten“ zu verpassen, um diese wieder aus dem Diskurs auszuschließen zu können.
Unübersehbare Repräsentationslücke
Warum ist das Konservative aber nun in Mode? Weil eine Repräsentationslücke unübersehbar geworden war und keine der bestehenden politischen Kräfte diese Leerstelle ernsthaft füllen wollte. Das Auflösen letzter konservativer Spurenelemente in der CDU unter Angela Merkel fiel zusammen mit dem Aufstieg der AfD, die nun im Bundestag Oppositionsführer ist.
Wer über Konservatismus forschen will, wird im Konrad-Adenauer-Haus nicht fündig – sondern in der Berliner „Bibliothek des Konservatismus“, wo man erleben kann, um welche heterogene Ideengeschichte es sich hierbei handelt.
Susanne Gaschke fordert von Konservativen nun „Pluralismustoleranz“, wenn sie ernstgenommen werden wollten. Tatsächlich fehlte diese Toleranz aber bisher weitgehend auf der Linken. Diese muß nämlich endlich akzeptieren, daß Demokratie nicht permanente linke Dominanz bedeutet und Pluralismus keine Einbahnstraße ist.
JF 18/18