BERLIN. In Berlin haben am Mittwoch erste Sondierungsgespräche zur Bildung einer möglichen Koalition aus Union, FDP und Grünen begonnen. Zunächst trafen sich Vertreter von CDU/CSU und der FDP in der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft, nahe dem Reichstagsgebäude. Die Spitzenfunktionäre der Parteien zogen ein positives Fazit und sprachen von einer „sachlichen, lösungsorientierten Atmosphäre“.
„Zwischen Deutschland und Jamaika liegen ungefähr 8.500 Kilometer. Ich denke, daß die ersten Schritte, die ersten Meter auf diesem Weg getan wurden“, sagte die Generalsekretärin der FDP, Nicola Beer. Die Chancen, daß es tatsächlich zu einem Jamaika-Bündnis im Bund kommt, schätzte Beer auf „fifty-fifty“.
CDU-Generalsekretär Peter Tauber sprach von einem „ersten, sehr konstruktiven Austausch“. Klares Ziel sei es am Ende „eine gute Regierung für unser Land“ zu stellen. „Dazu braucht es gegenseitiges Verständnis“, sagte Tauber.
Für die CSU zog deren Generalsekretär Andreas Scheuer ebenfalls eine positive Bilanz des Gesprächs. Es sei ein sehr guter Austausch gewesen. Skeptischer zeigte er sich zu den im Anschluß geplanten ersten Sondierungen von CDU und CSU mit den Grünen. „Das wird wohl auch ein größeres und härteres Werkstück werden.“ Morgen wollen FDP und Grüne untereinander die Chancen für eine Zusammenarbeit ausloten, am Freitag steht schließlich die erste große Sondierungsrunde aller vier Parteien an.
Schleswig-Holstein dient als Vorbild
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt hatte die potentiellen Partner im ARD-Morgenmagazin dazu aufgerufen, respektvoll miteinander umzugehen. „Das eine ist, daß man immer mal davon ausgehen muß, der andere könnte auch Recht haben.“ Das andere sei, daß man andere Sichtweisen akzeptieren müsse. „Anders wird es nicht gehen.“ Am Abend hatte der CSU-Parteivorsitzende Horst Seehofer erstmals die Grünen-Zentrale in Berlin besucht. Beide Parteien liegen insbesondere bei der Flüchtlingspolitik weit auseinander.
Die SPD befürwortete unterdessen Neuwahlen statt großer Koalition, sollten die Koalitionsgespräche von Union, FDP und Grünen scheitern. „Wir stehen nicht als Rückfalloption oder Reserve für die CDU zur Verfügung“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider in Berlin. Im Zweifel brauche es dann ein neues Wählervotum.
Vorbild für eine mögliche Jamaika-Koalition könnte das Parteienbündnis in Schleswig Holstein werden. Nach dem Sieg bei der Landtagswahl im Mai einigte sich dort die CDU mit Grünen und FDP auf einen Koalitionsvertrag. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte am Mittwoch der Frankfurter Rundschau, daß die zuvor als hochproblematisch geltende Konstellation ziemlich gut funktioniere. Das läge unter anderem an Gemeinsamkeiten in der Flüchtlingspolitik. Die CDU in Schleswig-Holstein habe eine „dezidiert andere Position“ als weite Teile der Union. „Wir wollen eher die Wartefristen für den Familiennachzug verkürzen“, verdeutlichte Günther. (ha)