Der Ton wird schärfer: Zu Wochenbeginn wurden die Gespräche der USA und Rußlands zu einer möglichen Friedenslösung für Syrien abgebrochen. Am selben Tag kündigte Moskau ein bilaterales Abkommen zur Begrenzung der Plutoniumvorräte. Am Mittwoch kam es zu einer Wiederaufnahme der Gespräche, doch kaum jemand erwartet, daß die russische Seite in ihrer Unterstützung für die Regierungspartei im syrischen Bürgerkriegs nachlassen wird.
Moskau hat völkerrechtlich die stärkeren Karten (Rußland unterstützt eine formal legitime Regierung), und Moskau weiß, daß Washington bis zum Amtsantritt des neuen Präsidenten im Januar den Konflikt nicht eskalieren lassen wird. Drohungen liegen jedoch in der Luft. Der Sprecher des US-Außenamts, John Kirby, meinte in der Vorwoche, syrische Terroristen könnten „russische Interessen, vielleicht sogar russische Städte“ angreifen.
Versuchung ist groß
Die Reaktionen in Moskau fielen entsprechend scharf aus. Schon in der Vergangenheit hatte Rußland die USA beschuldigt, bei Konflikten die Hilfe internationaler Terroristen nicht zu scheuen. Die Nerven in Washington liegen blank; allzu dreist positionieren sich die Rivalen mit ihren Machtansprüchen: Rußland in Syrien und der Ukraine, China im Südchinesischen Meer.
Der Iran ist nach den Jahren der Isolation noch zu schwach, den USA vors Schienbein zu treten, und Nordkorea ist bis auf weiteres nur ein Papiertiger. Doch wer immer nach der „lahmen Ente“ Barack Obama 2017 ins Weiße Haus einzieht, steht unter dem Druck, von Moskau und Peking Respekt einfordern zu müssen. Das weiß man auch in den beiden Hauptstädten, umso größer ist die Versuchung, bis zum 20. Januar vollendete Tatsachen zu schaffen.
Russischer Zorn
Hinzu kommt der russische Zorn über den seit Jahren anhaltenden Druck aus dem Westen. Dabei geht es weniger um die Raketenabwehr an der russischen Grenze oder die Truppenverlegungen ins Baltikum. Zäh und unbeirrt zieht der Westen die Ukraine in seine Einflußsphäre. Ob Ausbildungsprogramme für US-amerikanische, deutsche und ukrainische Nachwuchsjournalisten oder die massive Präsenz amerikanischer Berater in ukrainischen Ministerien – den Russen bleibt nicht verborgen, daß eine Re-Neutralisierung des Landes aus westlicher Sicht nicht in Frage kommt.
Rußland hält dagegen, in der Ukraine mit verdeckten, in Syrien mit offenen Karten. Die Beschuldigungen, wonach Moskau den US-Wahlkampf manipuliert und die EU-Bevölkerung gegen ihre Elite aufhetzt, sind sicher übertrieben. Jedenfalls gäbe es auch ohne RT und Sputnik Deutsche, die AfD wählten. Dasselbe gilt andersherum. Viele Russen wären auch ohne die angeblich massiv vom Westen finanzierten Nichtregierungsorganisationen mit der Wirtschaftslage, der Korruption und den wachsenden Repressionen höchst unzufrieden.
Zeitung warnt vor Dritten Weltkrieg
Gleichzeitig ist die Stimmung in Rußland patriotisch aufgeladen, die Unterstützung für den Präsidenten ist real. Der Fernsehmoderator Wladimir Posner, beileibe kein Kreml-Falke, bringt es auf den Punkt: „Es gibt wirklich das Gefühl, daß die USA uns beweisen wollen, daß sie die einzige Supermacht sind. Und daß, wenn Rußland sich nicht unterordnet, es einen sehr hohen Preis zu zahlen hat. Ihr drückt uns, und wir drücken zurück. Und wir werden alles tun, um euch das Leben so ungemütlich zu machen wie Ihr uns.“
Posner geht soweit, von der Möglichkeit militärischer Zusammenstöße und von Krieg zu sprechen. Auch die populäre Tageszeitung Moskowski Komsomolez schrieb diese Woche, der Syrienkonflikt könne eine „direkte militärische Konfrontation zwischen Rußland und Amerika“ auslösen. Die Zeitung warnte gar vor einem Dritten Weltkrieg.
Kampf um den Respekt Amerikas
Andrej Kortunow, Leiter des Russischen Rats für Internationale Angelegenheiten, sagte: „Wir hatten schlechte Beziehungen während des Kalten Krieges. Aber sie waren mehr oder weniger stabil. Beide Seiten wußten, was sie voneinander zu erwarten hatten, beide Seiten kannten die Spielregeln. Heute gibt es nichts dergleichen. Das macht die Beziehungen so gefährlich, wahrscheinlich gefährlicher als während des Kalten Kriegs.“
Der liberale Moskauer Kommentator und Autor Leonid Radsichovsky meint, die russische Außenpolitik sei ausschließlich ein Kampf um den Respekt Amerikas: „Da ist sonst nichts in unserer Außenpolitik. Und ich meine ‚Respekt’ im russischen Verständnis, also Respekt, weil man Angst vor jemandem hat.“