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Europäische Zentralbank: Wer bremst, verliert?

Europäische Zentralbank: Wer bremst, verliert?

Europäische Zentralbank: Wer bremst, verliert?

EZB-Logo
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Das Logo der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main Foto: picture alliance / Frank Rumpenhorst
Europäische Zentralbank
 

Wer bremst, verliert?

Der politische Druck auf die Europäische Zentralbank wächst. Die Niedrigzinspolitik sowie die üppige Versorgung der Banken mit Zentralbankgeld haben kurzfristig zu einer Entlastung geführt. Die Kosten sind allerdings gewaltig. Der neueste Trick des EZB-Voodoo heißt Kreditverbriefungen. Ein Kommentar von Dirk Meyer.
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Wir beobachten gerade eine Wette: Zwei Sportwagen rasen aufeinander zu. Plötzlich wirft einer der Fahrer sein Lenkrad aus dem Fenster. Was macht der Fahrer des anderen Wagens? Sein Handeln in diesem „Feiglingsspiel“ ist vorhersehbar.

Was hier als Gedankenexperiment scheinbar jeglicher Realität entbehrt, wird derzeit von einigen Mitgliedstaaten der Eurozone erfolgreich gespielt. Beispiel Frankreich: Im laufenden Defizitverfahren hatte sich die Regierung bereits für 2013 verpflichtet, die Schuldengrenze von 4 Prozent einzuhalten. Jetzt wird die Erfüllung im Jahr 2017 in Aussicht gestellt.

Deutschen Sparern entgehen mehr als hundert Milliarden Euro

Beispiel Italien: Zwar erfüllt das Land die Drei-Prozent-Defizitgrenze. Da die Staatsverschuldung mit 135 Prozent die Referenzmarke von 60 Prozent erheblich überschreitet, müßte die Regierung Renzi ebenfalls sparen. Mit ihrem strikten Nein brechen beide Mitglieder nicht nur die Regeln des geschärften Stabilitätspaktes. Das Lenkrad hängt gut sichtbar aus dem Fenster. EU-Kommission und Deutschland werden widerwillig einen Aufschub akzeptieren. Damit liegt der Part des „Feiglings“ bei der Europäischen Zentralbank (EZB).

Der politische Druck auf die EZB wächst. Die Niedrigzinspolitik sowie die üppige Versorgung der Banken mit Zentralbankgeld haben kurzfristig zu einer Entlastung geführt. Auch die Ankündigung des gerade vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelten Outright Monetary Transactions-Programms (OMT) hat Wirkung gezeigt.

Als Kreditgeber der letzten Instanz wird die EZB Staatsinsolvenzen um jeden Preis verhindern wollen. Die Kosten sind allerdings gewaltig. Bei einem Nettogeldvermögen Deutschlands von 3.574 Milliarden Euro und einem gegenüber 2007 um 3 Prozentpunkte niedrigeren Kapitalmarktzins entgehen den Sparern jährlich etwa 107 Milliarden Euro an Zinserträgen.

Die Zeit für Reformen blieb ungenutzt

Kauft die EZB Staatsanleihen insolventer Staaten auf, gibt es kein Risiko für die Anleger. Die Ausschaltung des Marktzinses als Risikoindikator führt in den Krisenländern zu Kapitalfehlleitungen in Staatskonsum und Investitionen fragwürdiger Rentabilität. Die einhergehende Zinsangleichung bringt nochmals eine Umverteilung in Milliardenhöhe zu Lasten der solventen Mitglieder. Allerdings wurde weder die aus Sicht der EZB erwünschte höhere Geldentwertung noch eine spürbare Belebung der Wirtschaft in den Krisenstaaten erreicht. Die Zeit für Reformen blieb ungenutzt.

Der neueste Trick des EZB-Voodoo heißt Kreditverbriefungen. Banken verpacken ihre vergebenen Kredite beispielsweise in drei Pakete. Die erste Tranche (40 Prozent) würde bei Zahlungsausfällen als erste nicht bedient, erst dann würde die zweite (50 Prozent) eintreten.

Damit wären nur die letzten zehn Prozent relativ sicher. Aus insgesamt hochgradig risikolastigen Forderungen kann man somit einen geringen Teil als sicher ausweisen. Der Vorteil für die Banken: Sie können diese Pakete am Kapitalmarkt weiterverkaufen, sich von Forderungen minderer Qualität entlasten, um bei geringem Puffer an Eigenkapital Spielraum für neue Kredite zu bekommen.

Risikotransfer in die Bilanz der EZB

Damit will die EZB die vermeintliche Kreditklemme für Unternehmen beheben. Doch genau hier setzt der Voodoo-Zauber an. Entweder kauft die EZB diese Papiere zu fairen Marktpreisen, dann findet keine Entlastung der Banken statt. Oder die EZB kauft die Verbriefungen über Wert, dann werden wiederum Risiken vergemeinschaftet. Deshalb wäre eine Beteiligung der begebenden Bank weiterhin wichtig, um Anreize für Schuldenrückzahlung und Risikoeinschätzung aufrechtzuhalten.

Wie die Lehman-Pleite gezeigt hat, sind diese Asset Backed Securities (ABS) sehr komplex und intransparent. Zudem behindert ein relativ geringes Marktvolumen eine faire Preisbildung. Da insbesondere der Bankensektor der Krisenstaaten entlastet werden soll, steht die EZB vor einem Dilemma.

Bleibt sie bei ihren bereits auf „BBB“ gesenkten Sicherheitsanforderungen, wird sie keine Papiere dieser Banken kaufen können. Im Falle Griechenlands und Zyperns wird sie deshalb hoch ausfallgefährdete ABS-Papiere mit Ramschstatus akzeptieren. Bei einem in Aussicht gestellten Volumen von bis zu einer Billion Euro käme es zu einem erheblichen Risikotransfer in die Bilanz der EZB.

Kann eine Zentralbank nicht Pleite gehen?

Was passiert, wenn die EZB Verluste realisiert? Man sagt, eine Zentralbank kann nicht pleite gehen. Formal ist das richtig, doch wie funktioniert dieser Voodoo-Zauber genau? Vorhandene Risikovorsorge sowie einbehaltene Gewinne früherer Jahre werden zunächst komplett aufgelöst. Sodann können die Verluste als Verlustvortrag zukünftige Jahre belasten oder die nationalen Notenbanken sind bereit, diese zu übernehmen.

In irgendeiner Art und Weise fallen deshalb die Überweisungen in den Bundeshaushalt geringer aus. Außerdem kommt es bei den nur formal als Verlustvortrag ausgeglichenen Bilanzlücken zur Inflation. Letztlich resultiert ein Verlust an Reputation – dem höchsten Gut, über das eine Notenbank verfügt.

Dies erklärt auch, weshalb die EZB Vorschläge macht, um den Schwarzen Peter der Verlustsozialisierung weiterzureichen. Staatliche Garantien sollen her. Die Ablehnung der Mitgliedstaaten zeigt: Vergemeinschaftung der Verluste ja, aber nur solange es keiner merkt und es einen selbst nicht trifft. Das ist Voodoo in Perfektion. Deshalb lerne als EZB: Lasse dich niemals auf ein Feiglingsspiel ein, sondern wahre die im EU-Vertrag festgeschriebene Unabhängigkeit.

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Prof. Dr. Dirk Meyer lehrt Ordnungsökonomik an der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.

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Das Logo der Europäischen Zentralbank in Frankfurt am Main Foto: picture alliance / Frank Rumpenhorst
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