„Ziemlich abstoßend und faschistoid“ – vor fast genau sieben Jahren beschwor die epische Comic-Verfilmung „300“ über die Schlacht bei den Thermopylen ziemlich einhellige Entrüstung in den bundesrepublikanischen Feuilletons herauf, bis hin zur bierernsten FAZ, die entsetzt den Riefenstahl-Vergleich zog.
Seit vergangenem Donnerstag läuft nun die Fortsetzung „300 – Rise of an Empire“ in den hiesigen Kinos, die sich mit den parallel zum Todeskampf der spartanischen Elitekrieger verlaufenden Anstrengungen Athens beschäftigt, die griechischen poleis zu vereinen und den anstürmenden Persern entgegenzutreten. Nebenbei geht es auch noch um die Vorgeschichte des großen Krieges, von der Schlacht von Marathon bis zum Aufstieg des Gottkönig Xerxes I. Und damit zwischen all den bulligen Hopliten auch noch für Sexappeal gesorgt ist, hat man neben der aus dem Vorgänger bekannten Spartanerkönigin Gorgo die persische Vasallenherrscherin Artemisia I. von Halikarnassos in eine Hauptrolle erhoben.
Trotz eines neuen Regisseurs – anstelle von Zack Snyder zeichnet diesmal Noam Murro verantwortlich – bleibt „Rise of an Empire“ der experimentell-verfremdeten Optik des ersten Teils treu. Allerdings scheint Griechenland jenseits der Thermopylen nun deutlich dreckiger zu sein, gerade in 3D, wo man sich als Zuschauer ständig von Staub und Ruß umweht fühlt. Jede Menge blutrünstiges Schlachten gibt es natürlich nach wie vor, ebenso wie markige Sprüche und reichlich martialisches Pathos. Ein neuerlicher Aufschrei der medialen Berufsbesorgten war also eigentlich abzusehen.
Als Geschichte und Mythos noch ineinander übergingen
Diesmal allerdings kommt die Kritik deutlich verhalten daher. Vielleicht hat man inzwischen gelernt, daß die Konsumenten nicht automatisch springen, wenn man den Namen Leni Riefenstahls (in denunziatorischer Absicht und offensichtlicher Verkennung ihres filmischen Œuvres) in den Raum wirft? Vielleicht sprachen auch die Einspielergebnisse des Vorgängers eine zu deutliche Sprache? „Rise of an Empire“ hat sich ebenfalls bereits an die Spitze der Kinocharts gesetzt. Anstatt die griechischen Kämpfer abermals als wandelnde Arno Breker-Statuen zu schmähen, befaßt man sich nun lieber mit historischen Ungenauigkeiten, besonders in bezug auf die Figur der Artemisia, die im Film als begnadete Strategin, aber gleichzeitig auch als nicht nur sprichwörtlich männermordende Schönheit gezeichnet wird – alles weitere hat den Redaktionen von Spiegel und ZEIT inzwischen die BBC abgenommen.
Nun ist das noch weitaus spaßbefreiter als das Gejammer über mangelnde Selbstironie und Gewaltverherrlichung von vor sieben Jahren. Nicht nur hat man es bei diesem Film mit exemplarischem Popcorn-Kino für den geneigten Gewaltästheten zu tun (wir reden immerhin von einer Comic-Verfilmung!), sondern im Prinzip sogar mit einer spielerischen Übertragung antiker Historiographie auf heutige Machbarkeiten. Denn in den klassischen Kriegshistorien griechischer wie römischer Geschichtsschreiber finden sich allüberall grotesk überzeichnete Schilderungen einzelner, herausragender Soldaten, die etwa ganze feindliche Schiffe quasi im Alleingang ausradieren – kaum verwunderlich in einer Zeit, als Geschichte und Mythos noch direkt miteinander verknüpft waren und die Vergangenheit zur Legitimation der Gegenwart aufpoliert wurde.
Das ist vermutlich auch das Problem, das ein Teil der schreibenden Zunft unserer Tage, in denen die Vergangenheit zur Legitimation der Gegenwart in der Sickergrube versenkt wird, mit den beiden „300“-Filmen haben. Man möchte, scheint’s, ungern daran erinnert werden, daß mit Athen die „Wiege der Demokratie“ eine aus heutiger Sicht doch eher autokratische Ständeherrschaft war und daß das antike Hinschlachten tausender Perser im Kampf gegen die Landnahme aus dem Osten nun einmal eine historische Tatsache ist. Bleibt abzuwarten, wann letzteres analog zum Kampf des Arminius gegen die Römer in einen bösartigen Akt des Aufbegehrens gegen kulturelle Bereicherung umgebogen wird. Zumindest bis dahin kann man sich noch guten Gewissens im Kinosessel amüsieren.