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#WirSindMehr: Alerta, Alerta, Gratis-Cola!

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#WirSindMehr: Alerta, Alerta, Gratis-Cola!

Chemnitz Konzert
Chemnitz Konzert
Junge Frau mit „Fuck Nazis“-T-Shirt surft auf der Menge beim WirSindMehr-Konzert in Chemnitz Foto: picture alliance/Sebastian Willnow/dpa
#WirSindMehr
 

Alerta, Alerta, Gratis-Cola!

Das helle Sachsen hatte gerufen und viele waren gekommen. Rund 65.000 „junge Demokratietouristen“ sind am Montag nach Chemnitz zum Konzert gegen „rechte Hetze“ geströmt. Bei Gratis-Eis und Frei-Cola versicherten sie sich zu den Klängen von Toten Hosen und Kraftklub, als treue Antifaschisten im Kampf gegen Nazis und Rassisten nicht nachzulassen.
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Was mit „Hoch die Internationale Solidarität“ und „Nazis raus“ begann, endete mit „Alerta, Alerta, Antifascista!“-Rufen und einem gemeinsamen Gruppenfoto der aufgetretenen Bands. 65.000 Teilnehmer waren nach offiziellen Angaben am Montag abend unter dem Motto „Wir sind mehr“ zu einem Gratiskonzert gegen „rechte Hetze“ und Rassismus sowie für Solidarität gekommen. Sie feierten zu den Liedern von Bands wie den Toten Hosen, Feine Sahne Fischfilet, Kraftklub und K.I.Z bei Frei-Cola und Gratis-Eis.

Damit beim Genuß der imperialistischen Kapitalistenbrause aber kein schlechtes Gewissen aufkam, gab es gleich zu Beginn Balsam für die antifaschistische Seele. „Wir sind Antifaschistinnen und Antifaschisten“, lautete der Schwur zur Begrüßung. „Wir werden den Rassisten und Nazis nicht diese Stadt und auch keine andere überlassen.“

Auch wolle man an diesem Abend Spenden sammeln. Denn antifaschistische Arbeit koste schließlich Geld. Deshalb solle die eine Hälfte der Einnahmen aus der Sammelaktion zwar an die Angehörigen und Freunde des Mordopfers Daniel H. gehen. Die andere Hälfte aber werde in „antifaschistische und antirassistische Projekte in Sachsen“ fließen.

„No borders, no nations“

Schließlich sei Antifaschismus und das Engagement für Geflüchtete gerade in Sachsen harte Arbeit. Um so inbrünstiger vergewisserten sich Anheizer und Publikum mit Parolen wie „Say it loud, say it clear: refugees are welcome here!“ und „No borders, no nations: Stop deportations“, auf der richtigen, der hellen Seite Sachsens, zu stehen.

Vom harten Los, Antifaschist im Freistaat zu sein, klagten auch die Teilnehmer des Bündnisses „Chemnitz Nazifrei“. Täglich stelle man sich „pogromartigen Zuständen“ entgegen, und das ohne die geringste finanzielle Unterstützung der Stadt Chemnitz.

Die Bild-Zeitung sei zudem schuld daran, daß Rechtsradikale aus dem gesamten Bundesgebiet nach Chemnitz mobilisiert und dort dann „faschistische Akteure“ den „tragischen Mordfall“ für ihre „menschenverachtende Ideologie“ instrumentalisiert hätten. Es sei die Bild gewesen, die die noch ungeklärten Umstände als vermeintlich geklärte Tatsachen dargestellt habe. Als Folge darauf sei es dann zu den Hetzjagden in Chemnitz gekommen.

Feindbild: CDU, Polizei und Bild-Zeitung

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Neben der Bild-Zeitung sei aber auch die CDU verantwortlich für die Zustände in Sachsen. Denn diese engagiere sich nicht „für Migranten, Geflüchtete und alternative, antifaschistische Inhalte“, klagte das Bündnis. Vielmehr sei die CDU „seit Jahrzehnten Teil einer Politik, die Rechtsradikalismus mit verrohter Sprache, menschenfeindlicher Asylpolitik, Relativierung, Leugnung und Ignoranz begegnet“. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) habe sogar die Vorfälle von Chemnitz kleingeredet und Antifaschisten beschuldigt.

Übertroffen werde dies nur noch von der sächsischen Polizei: der „staatlichen Verfolgungsbehörde“. Diese verfolge Antifaschisten und schikaniere sie. Auf der rechtsradikalen Seite hingegen sei die Polizei blind. In Chemnitz habe die Polizei es geduldet, daß Journalisten von Rechtsextremisten ebenso attackiert worden seien wie Migranten und Linke. Deswegen sei man dankbar, wenn sich Mutige fänden, die das antifaschistische Engagement selbst schützten. Dies sei zwar keine Rechtfertigung für den Einsatz von Gewalt, doch müsse sich der antifaschistische Widerstand nun mal vor Rechten schützen, da die Polizei dies nicht tue.

Einmal in Fahrt, ließ das Bündnis seinem Haß auf die Polizei freien Lauf und warf den Beamten vor, im Hambacher Forst bei Aachen, mit „protzigem Aufgebot“ „anzutanzen“, um eine „einzelne Barrikade“ zu räumen. Um so solidarischer sei man mit den dortigen „Kämpfen“. Die „Freundinnen und Freunde im Hambacher Forst“ seien „die einzige Hochburg an konsequentem Widerstand in Deutschland“, riefen die zwei jungen Sprecherinnen von „Chemnitz Nazifrei“ begeistert dem Publikum zu, das nach 25 Minuten antifaschistischer, internationaler Kampfrhetorik zunehmend auf den Beginn des Gratis-Konzerts hoffte.

„Junge Demokratietouristen“

Um ihrer Bewunderung für den rund 600 Kilometer entfernten Widerstand im Hambacher Forst Nachdruck zu verleihen, entrollten die beiden Mädchen von „Chemnitz Nazifrei“ zuvor jedoch noch ein Transparent mit der Parole „Bagger zerschlagen, Faschos verjagen“.

Daß die militanten Braunkohlegegner aus Nordrhein-Westfalen jüngst für Schlagzeilen sorgten, weil sie Polizisten mit Molotowcocktails attackierten, blieb an diesem Abend unerwähnt – hätte beim trauten Schunkeln zu Tote-Hosen-Schlagern vermutlich aber auch nur gestört. Und so konnte das ARD-„Morgenmagazin“ am Dienstag auch glücklich verkünden, zahlreiche „junge Demokratietouristen“ seien zum Konzert nach Chemnitz gekommen, um dabeizusein, „wenn aus der drittgrößten Stadt Sachsens die guten Bilder um die Welt gehen“.

Junge Frau mit „Fuck Nazis“-T-Shirt surft auf der Menge beim WirSindMehr-Konzert in Chemnitz Foto: picture alliance/Sebastian Willnow/dpa
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