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Sorgerecht: Sehnsucht nach Justin

Sorgerecht: Sehnsucht nach Justin

Sorgerecht: Sehnsucht nach Justin

Kinderraub
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Sorgerecht
 

Sehnsucht nach Justin

Zielstrebig geht Sabrina Mirbeth auf die Wand ihres ordentlich aufgeräumten Zimmers zu. Dort, wo ein Foto ihres drei Jahre alten Sohnes Justin hängt. Die Bilder sind für die Auszubildende eine Brücke zu ihrem Kind. Nur zweimal in der Woche darf sie Justin für zwei Stunden sehen. So hat es das Kinderheim, in dem ihr Sohn leben muß, angeordnet. Denn Justin lebt getrennt von seiner Familie, weil Behörden so entschieden haben.
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Unwort, Umfrage, Alternativ

Kinderraub
Sabrina Mirbeth mit Foto ihres Sohnes: „Da wird mit den Kindern eine Menge Geld verdient“ Foto: JF

Zielstrebig geht Sabrina Mirbeth auf die Wand ihres ordentlich aufgeräumten Zimmers zu. Dort, wo eines jener zahlreichen Fotos ihres drei Jahre alten Sohnes Justin hängt. Die Bilder sind für die 22 Jahre alte Auszubildende eine Brücke zu ihrem Kind. Nur zweimal in der Woche darf sie Justin sehen. Samstags und sonntags. Maximal zwei Stunden pro Tag. So hat es das Kinderheim, in dem ihr Sohn leben muß, angeordnet. „Er hat Angst“, sagt Sabrina mit brüchiger Stimme. Manchmal, so erzählt sie, klopfe er an Wände, vermutet, daß dahinter seine Familie sei. Jene Familie, die von Justin getrennt ist, weil Behörden so entschieden haben.

Eigentlich hatten sie alle unter einem Dach leben wollen. Justin, seine Mutter und die Großmutter. In einer gut 60 Quadratmeter großen Wohnung im Münchner Stadtteil Sendling. Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer sind aufgeräumt. Justins Großmutter reicht belegte Brote, Sabrinas Schwester schenkt Getränke ein. Für ihre Zwergkaninchen und Zwergpapageien hat die Familie Gehege gebastelt. Die Käfige sind sauber, die Tiere gepflegt. Auffällig sind nur die zahlreichen Familienfotos, die überall in der Wohnung hängen. An den Wänden, an den Türen und an den Schränken. Die meisten davon zeigen Justin mit seiner Mutter.

„Ich möchte nicht ins Mutter-Kind-Heim“

Sabrina Mirbeth war 18 Jahre alt, als sie von ihrem zwei Jahre jüngeren Freund schwanger wurde. Sie hatte den Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) aufgesucht, um Hilfe bei der Suche nach einem Krippenplatz gebeten. „Ich brauchte den Platz, weil ich eine vom Arbeitsamt finanzierte Ausbildung zur Dienstleistungshelferin absolvieren wollte“, sagt sie. Sabrina hat Pläne, will einen qualifizierten Hauptschulabschluß erwerben, um ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern.

Sie solle sich selbst um einen Krippenplatz kümmern, habe man ihr beim ASD zunächst zu verstehen gegeben. Sie tat es. „Sie brauchen mehr Unterstützung“, habe ihr der ASD dann nahegelegt. Sabrina Mirbeth solle mit ihrem Sohn in ein Mutter-Kind-Heim ziehen. „Wir hatten da von Anfang an ganz andere Vorstellungen, aber die sind überhaupt nicht auf uns eingegangen“, erinnert sich Sabrinas Mutter. „Ich möchte nicht ins Mutter-Kind-Heim“, habe Sabrina dem ASD ausdrücklich zu verstehen gegeben.

Psychischer Druck auf die werdende Mutter

Doch die ASD-Vertreter hätten darauf bestanden, regten gegenüber dem Amtsgericht München schon vor der Geburt des Kindes eine „einstweilige Übertragung des Sorgerechts auf einen Vormund“ an. Sabrina Mirbeth sei mit einem Kind überfordert, war der ASD, der für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war, überzeugt. Unter anderem aufgrund von „Minderbegabung, Entwicklungsrückständen, Defiziten in Sprache und Sprachverständnis, Verwahrlosungstendenzen, Mitläufertum und mangelndem Realitätsbezug“, wie es in einem Schreiben des ASD an das Amtsgericht vom Februar 2009 heißt.

Man habe ihr zu verstehen gegeben, daß man ihr das Kind ganz wegnehmen könne, würde sie den Vorschlag ablehnen, in eine Mutter-Kind-Einrichtung zu ziehen. Sabrina unterschrieb schließlich Vollmachten, gab ihr Sorgerecht noch vor der Geburt ihres Sohnes ab. „Ich hatte Angst“, nennt sie den Grund für ihre Unterschrift. Damals habe sie sich vom ASD unter Druck gesetzt gefühlt.

„Da wird mit den Kindern eine Menge Geld verdient“

„Die Bürger werden in solchen Situationen leider nicht über ihre Rechte aufgeklärt“, sagt Joachim Hinz, Sprecher einer Elternbewegung, die sich ehrenamtlich für Väter und Mütter einsetzt, die ihre Kinder an den Staat verloren haben. Sabrina hätte ein Beschwerderecht gehabt, darauf hätte man sie hinweisen müssen, kritisiert er und betont, daß dies leider kein Einzelfall sei.

Opfer solcher Vorgänge seien vor allem Eltern mit geringer Bildung und geringem Einkommen. „Da wird mit den Kindern eine Menge Geld verdient“, meint Hinz, der davon ausgeht, daß im Zusammenspiel von Gutachtern, Gerichten, Jugendämter und Sozialdiensten auch eine Menge Korruption im Spiel ist.

Der Sohn durfte nicht mitkommen

Bei Sabrina Mirbeth habe man es auch unterlassen, ihr einen Verfahrensbeistand zur Seite zu stellen. „Die Gerichte folgen meist den Stellungnahmen der Jugendämter. Als Gutachter werden zumeist immer die gleichen Leute beauftragt“, moniert Hinz, der zudem die fehlende Fachaufsicht für Jugendämter für problematisch hält. Nur wenn eine akute Kindeswohlgefährdung vorliege, dürfe das Sorgerecht entzogen werden. „Das war hier aber nicht der Fall“, so Hinz.

Sabrina zog hochschwanger in ein Mutter-Kind-Heim. Sie schildert ihre stetige Angst, das Kind zu verlieren, spricht von Drohungen, daß man ihr ihren Sohn wegnehme, sollte sie die Heimregeln mißachten. Ihre Sprache ist klar und verständlich. Ihr Sohn wurde zu zahlreichen Untersuchungen geschickt, sie selbst gar für drei Tage in eine Psychiatrie eingewiesen. Ergebnis: alles in Ordnung.

„Aber Justin wirkt total verunsichert, ihm fehlt seine Familie“, sagt Sabrina, die wieder bei ihrer Mutter lebt. Sie hatte resigniert, hatte es im Heim einfach nicht mehr ausgehalten. Ihren Sohn durfte sie nicht mitnehmen. Sabrina Mirbeth will weiter um Justin kämpfen. Sie hat sich jetzt einen Anwalt genommen, um das Sorgerecht für ihren Sohn zurückzubekommen.

JF 43/12

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