Der neue Dokumentarfilm des (neo-)konservativen Publizisten Dinesh D’Souza „America: Imagine a World Without Her“ mag durchaus bedenkenswerte Aspekte enthalten. Diese sind jedoch so gut wie irrelevant, beruht die zentrale Frage, die der Film stellt und beantwortet, doch auf einem grundlegenden Logikfehler.
D’Souza behauptet, die amerikanischen Ureinwohner seien nicht etwa einem Völkermord zum Opfer gefallen, sondern an den Krankheiten zugrunde gegangen, die die Weißen aus Europa eingeschleppt hatten – eine Meinung, die der Geschichtswissenschaftler Paul Johnson in seiner meisterhaften „History of the American People“ überzeugend widerlegt. Johnson beschreibt im Detail die „Zerstörung der Indianer“ durch Andrew Jackson. Besonders ergreifend sind die dort zitierten Worte, die der Komantsche-Häuptlings Bad Eagle an den zukünftigen Präsidenten richtete, dessen erbarmungsloser Feldzug gegen die Indianer östlich des Mississippi deren Dörfer verwüstet und verbrannt und ihre Ernten zerstört hatte: „Ich bin in Ihrer Macht. Mein Volk gibt es nicht mehr. Mir bleibt nichts mehr, als die Mißgeschicke meiner Nation zu beweinen.“
In nicht weniger bewegenden Worten schilderte der französische Amerikafreund, Philosoph und Historiker Alexis de Tocqueville die Vertreibung der Choctaw: „Über der ganzen Szene lag eine Stimmung des Ruins und der Zerstörung, etwas, das einen endgültigen und unwiderruflichen Abschied bezeugte; man konnte das Geschehen nicht beobachten, ohne daß sich einem das Herz zusammenschnürte.“
Denkfehler in den Theorien über „Amerika“
Faktische Irrtümer hin oder her, D’Souzas Theorien über „Amerika“ sind allein wegen des ihnen zugrunde liegenden Denkfehlers von der Hand zu weisen. Gegenüber der Fox-Nachrichtensprecherin Megyn Kelly, die zu den größten Fans seines Films zählt, legte D’Souza seine Überzeugung dar, daß Amerika „seine Macht auf gutartige Weise ausübt“. Er gestand zu: „Amerika hat Fehler gemacht. Es ist jedoch ein Unterschied, ob jemand Fehler macht oder etwas inhärent Böses tut.“
In einer anderen Diskussionsrunde führte D’Souza ausgerechnet die in Scharen ins Land strömenden Einwanderer als Gewährsleute an: „Sie kommen her, stimmen mit den Füßen ab, lassen alles, was ihnen wichtig ist, hinter sich. Kommen sie in ein Reich des Bösen?“
Meine Erwiderung auf D’Souzas rhetorische Frage sollte Antwort genug sein: Die guten Einwanderer kommen hierher, um in den Privatunternehmen zu arbeiten, in denen Amerikas Ruhm begründet liegt: die Männer und Frauen von Nike, Apple, Microsoft, Starbucks, McDonald’s, Amazon, Google, Marriot, Mattel, FedEx, Costco, Coca-Cola, Trader Joe’s, Whole Foods, Fred Meyer, Overstock.com, Saks Fifth Avenue, Neiman Marcus, Nordstrom und Millionen von kleineren Ketten, die von innovativen, grundsoliden Amerikanern betrieben werden.
Opposition gegen den Staatsapparat ist nicht gleich Antiamerikanismus
Die schlechten Einwanderer kommen hierher, um auf Staatskosten zu leben – auf Kosten ebenjenes Gebildes also, das D’Souza und seine Cheerleaderin Kelly meinen, wenn sie „Amerika“ sagen. Wenn sie fragen: „Ist Amerika ein gutes Land? Sind wir ein schlechtes Land?“, lassen sie dabei gleich zwei Unterscheidungen mir nichts, dir nichts unter den Tisch fallen, indem sie erstens sich selber („wir“) mit „Amerika“ und zweitens „Amerika“ mit der US-amerikanischen Regierung synonym setzen.
Doch der Staatsapparat ist nicht gleich „Amerika“. Die Opposition gegen seine Politik ist nicht zwangsläufig eine Opposition gegen Amerika. Man kann sämtliche Handlungen der Regierung in Grund und Boden verdammen und dennoch die „kleinen Platoons“ lieben, die das eigentliche Amerika ausmachen, wie Edmund Burke die Standbeine der Zivilgesellschaft nannte – Familie, Freunde, Glaubensgenossen, Arbeitskollegen. Folgerichtig ist es falsch, denen, die den Staat kritisieren, vorzuwerfen, sie haßten „Amerika“.
Mit anderen Worten, D’Souzas Apologie für „Amerika“ stützt sich auf eine Kategorienverwechslung. Sie ist unzweifelhaft ein Kassenschlager – ernsthafte Denker jedoch sollten sich hüten, auf seine Argumente hereinzufallen!