Woher kommt das Coronavirus? Ist es vom Tier auf den Menschen übergesprungen oder doch das Ergebnis eines Laborversuchs? Der Streit um diese Frage dürfte so alt sein wie das Virus selbst. Klar ist, der Widerstand gegen die Laborthese war von Anfang an groß. Wie groß, zeigen nun erstmals veröffentlichte E-Mails eines kleinen Kreises von Virologen rund um den Chef des US-Präsidentenberaters Anthony Fauci aus der Frühzeit der Pandemie.
Veröffentlicht wurden sie vom Journalisten Jimmy Tobias, der die Herausgabe über eine Informationsfreiheitsanfrage erzwang. Tobias arbeitet unter anderem für den linksliberalen US-Ableger der britischen Zeitung The Guardian.
After a long #FOIA fight, I just received a bunch of new unredacted emails detailing the Feb 1 2020 teleconference between Dr. Fauci and virologists discussing SARS-Cov-2: https://t.co/bSuhtJR7rM
— Jimmy Tobias (@JamesCTobias) November 22, 2022
Konkret geht es um den Schriftverkehr vor und nach einer Telefonkonferenz am 1. Februar 2020 zum möglichen Laborursprung des Coronavirus, an der neben Fauci auch der deutsche Corona-Papst Christian Drosten teilnahm. Ebenfalls mit von der Partie war der Direktor des „Wellcome Trust“, Jeremy Farrar. Der „Wellcome Trust“ ist nach der „Bill & Melinda Gates Foundation“ die zweitgrößte Stiftung, die sich in der Medizinforschung engagiert. Vermögen: rund 26 Milliarden Euro.
Forscher diskutierten früh den Virus-Ursprung
Farrar hatte in dem Schriftverkehr am 8. Februar die Frage aufgeworfen, woher das neuartige Coronavirus stamme:
„Die Frage nach dem Ursprung hat an Dynamik gewonnen, nicht nur in den sozialen Medien, sondern auch unter Wissenschaftlern, den Mainstreammedien und in der Politik. Unser Ziel ist es, eine neutrale, angesehene Gruppe Wissenschaftler zusammenzustellen, die sich die Daten ansehen und neutral und überlegt ihre Meinung dazu abgeben. Wir wollen die Wissenschaft in den Vordergrund stellen, nicht irgendwelche Verschwörungen oder andere Theorien, und mit einem angesehenen Statement allen Diskussionen vorbeugen, bevor diese außer Kontrolle geraten, mit potenziell enorm schädlichen Konsequenzen.“
Einen Tag später schrieb Drosten an die Gruppe:
„Haben wir uns nicht versammelt, um eine bestimmte Theorie anzugreifen und, wenn wir es könnten, sie fallen zu lassen? […] Arbeiten wir daran, unsere eigene Verschwörungstheorie zu entlarven?“
Als Ergebnis der Telefonkonferenz vom 1. Februar und der anschließenden E-Mail-Diskussion, die jetzt dokumentiert ist, veröffentlichten am 19. Februar insgesamt 27 Forscher im führenden Medizinjournal The Lancet einen „Offenen Brief“, der die Laborursprungstheorie ohne Beweise als „Verschwörungstheorie“ brandmarkte.
Offene Briefe gegen die Labor-These
Ferner wurde in den Tagen nach der Telefonkonferenz eine zweite meinungsbestimmende Publikation in der Zeitschrift Nature Medicine mit dem Titel „The Proximal Origin of SARS-CoV-2“, in der ebenfalls ein Laborursprung des SARS-CoV-2 Virus ausgeschlossen wurde, auf den Weg gebracht.
Wie der neu veröffentlichte E-Mail-Verkehr zeigt, war Drosten auch in der Entstehungsphase dieser Publikation involviert. Beide Veröffentlichungen zusammen lösten eine beispiellose Zensurkampagne gegen die Laborhypothese in der Öffentlichkeit und in Wissenschaftsjournalen aus.
Initiiert wurde der „Offene Brief“ in The Lancet von Peter Daszak von der „EcoHealth Alliance“. Brisant: Die Nichtregierungsorganisation hatte die Forschung der chinesischen Virologin Shi Zhengli vom Wuhan Institut für Virologie mit mehreren hunderttausend Dollar gefördert. Allerdings war es eben ihr Wuhan-Labor, das schnell selbst in Verdacht geriet, an der Entstehung des Virus beteiligt gewesen zu sein. Ein Jahr vor dem ersten Corona-Ausbruch stellten Experten zahlreiche Mängel in dem Institut fest, in dem an Fledermaus-Viren geforscht wurde.
Drostens Versicherung
Drosten wiederum war Redakteur der wichtigsten Studie von Zhengli über ihre jahrelange Arbeit an Fledermaus-Coronaviren aus einer Höhle in der Provinz Yunnan. Mindestens fünf der Unterzeichner des „Offenen Briefs“ waren direkt mit der „EcoHealth Alliance“ verbunden, zwei weitere waren Partner der Organisation. Zudem arbeiteten fünf der Unterzeichner mit oder für den „Wellcome Trust“ von Farrar. Diese Verbindungen wurden jedoch nicht im Lancet-Brief offengelegt. Im Gegenteil verkündeten die Autoren, sie hätten „keine konkurrierenden Interessen“.
In seiner Klage gegen den Hamburger Physik-Professor Roland Wiesendanger sagte Drosten am 2. März 2022 unter Eid: „Ich habe kein Interesse, den Verdacht über den Ursprung des SARS-CoV-2-Virus in eine bestimmte Richtung zu lenken. Insbesondere hatte und habe ich kein persönliches Interesse, die sogenannte Laborthese als Ursprung des Virus auszuschließen.“
Dies könnte nun jedoch in Widerspruch zu Drostens Aussagen in der E-Mail vom 9. Februar 2020 zu stehen. Immerhin nutzte er damals schon, wenige Wochen nach den ersten Fällen, von sich aus den Begriff „Verschwörungstheorie“.
Wie unbefangen waren die Virologen?
Auf Anfrage, welche Belege es gab, daß die Laborursprungstheorie eine „Verschwörungstheorie“ sei, antwortete Drosten am 4. Februar 2021, es gebe „nach meinem Kenntnisstand keine belastbaren Informationen, die auf einen nicht-natürlichen Ursprung von COVID-19 schließen lassen“. Auch diese Aussage scheint im Widerspruch zu stehen mit den Äußerungen mehrerer internationaler Virologen, die laut E-Mail-Verkehr bereits Ende Januar 2020 deutliche Hinweise auf einen Laborursprung des Coronavirus gesehen hatten.
Bleibt also die Frage, wie unbefangen waren Drosten, Fauci und Co. bei der Ablehnung der Labortheorie? Laut dieser war es eben jene Fledermaus-Forschung von Wuhans China-Virologin Zhengli, die zur Freisetzung des Coronavirus führte. Anhänger der Laborthese vermuten, daß in Wuhan „Gain-of-Function“-Experimente, bei denen die Übertragbarkeit von Viren künstlich erhöht wird, stattgefunden hätten. Sowohl Drosten wie auch Fauci stehen in direkter Verbindung zur Fledermaus-Studie „Discovery of a Rich Gene Pool of Bat SARS-Related Corona Viruses“. Drosten war Redakteur der Studie und Faucis NIAID-Institut finanzierte das Vorhaben mit.
Untersuchungsausschuß im US-Kongreß
Fauci bestreitet bisher, daß sein Institut „Gain-of-Function“-Experimente in Wuhan finanziert habe, für die es in den Vereinigten Staaten damals ein Moratorium gab. Allerdings muß sich der Präsidenten-Berater mutmaßlich ab 3. Januar einem Untersuchungsausschuß des US-Kongreß zu der Frage stellen, den die Republikaner einberufen wollen.
Veranstaltet werden solche gefährlichen „Gain-of-Function“-Experimente allerdings nachweislich an der Charité. Dort begann 2017 das Projekt „RAPID – Risikobewertung bei präpandemischen respiratorischen Infektionserkrankungen“, um mit Mitteln des Bundesforschungsministeriums das MERS-Coronavirus zu erforschen. Das Projekt beinhaltet ausdrücklich die „Identifizierung von Wirtsfaktoren durch loss-of-function und gain-of-function-Versuchen“ und steht unter der Koordination von Drosten. Wie sich dieser Fakt mit Drostens eidesstattlicher Versicherung verträgt, wonach er keine „Gain-of-function“-Experimente betreibe? Unklar. Drosten selbst ließ eine Anfrage unbeantwortet.
Mehr als zwei Jahre nach den ersten Corona-Fällen in unmittelbarer Nähe des Wuhan-Virologie-Instituts drängt sich mehr und mehr der Verdacht auf, daß die einflußreichsten und meinungsmachenden Corona-Virologen nie ein wirkliches Interesse hatten, sich unvoreingenommen mit dem Ursprung des Coronavirus zu beschäftigen.