Anzeige
Anzeige

Nuklearkrieg: Als Jelzin fast auf den roten Knopf drückte

Nuklearkrieg: Als Jelzin fast auf den roten Knopf drückte

Nuklearkrieg: Als Jelzin fast auf den roten Knopf drückte

Der damalige russische Präsident Boris Jelzin begutachtet die „Siegesfahne“: 1995 löste er beinahe einen Nuklearkrieg aus. Foto: picture-alliance / dpa | epa
Der damalige russische Präsident Boris Jelzin begutachtet die „Siegesfahne“: 1995 löste er beinahe einen Nuklearkrieg aus. Foto: picture-alliance / dpa | epa
Der damalige russische Präsident Boris Jelzin begutachtet die „Siegesfahne“: 1995 löste er beinahe einen Nuklearkrieg aus. Foto: picture-alliance / dpa | epa
Nuklearkrieg
 

Als Jelzin fast auf den roten Knopf drückte

Vier Jahre nach Ende des Kalten Krieges wäre es beinahe so weit gekommen: Nuklearkrieg. Irritiert durch eine US-amerikanisch-norwegische Forschungsrakete hielt Rußlands Präsident Jelzin heute vor 30 Jahren den Atomkoffer bereits in den Händen.
Anzeige

Nach Anbruch des Atomzeitalters geriet die Welt mehrmals irrtümlich an den Rand eines vernichtenden nuklearen Konflikts. Der vermutlich erste Vorfall dieser Art ereignete sich im Oktober 1960, als das US-amerikanische Frühwarnsystem im grönländischen Thule den Mond mit anfliegenden Sowjetraketen verwechselte. Weitere höchst gefährliche Fehlalarme gab es 1962, 1967, 1979, 1980, 1983 und 1984.

Verantwortlich hierfür waren unter anderem Strahlungsausbrüche auf der Sonne, aus dem Ruder gelaufene Übungen, schadhafte Mikrochips, Computerfehler und Reflexe auf den Kameralinsen der Überwachungssatelliten. Allerdings eskalierte die Situation im gesamten Verlauf des Kalten Krieges nie so weit, daß sich einer der politischen Führer in den USA oder der Sowjetunion genötigt sah, seinen Atomkoffer zur Freischaltung der nuklearen Angriffscodes zu öffnen. Das passierte erst 1995 während der Regierungszeit von Boris Jelzin und Bill Clinton.

Ein Forschungsprojekt löste Panik in Moskau aus

Dabei resultierte das Ganze wie in früheren Fällen auch aus der Verkettung unglücklicher Umstände. Norwegische und US-amerikanische Wissenschaftler wollten eine vierstufige Black-Brant-XII-Forschungsrakete zum Studium der Nordlichter über Spitzbergen in die Hochatmosphäre schießen. Um internationale Verwicklungen zu vermeiden, wurden zuvor die Regierungen von dreißig Ländern in Kenntnis gesetzt – darunter die in Moskau. Nachfolgend kam es dann allerdings zu einem Fehler bei der Weiterleitung der Informationen vom Außenministerium an das Militär. Aufgrund dessen wußten auch die Operateure in der Frühwarn-Radarstation von Olenogorsk bei Murmansk nichts von dem Raketenstart.

Die Black Brant XII flog nach ihrem Abheben auf der nordwestnorwegischen Insel Andøya durch einen Luftkorridor, den auch die US-Atomraketen vom Typ Minuteman III auf ihrem Weg ins Herz Rußlands nehmen würden. Gleichzeitig erinnerten die Flugbahn und -geschwindigkeit der Forschungsrakete, welche schnell eine Höhe von fast 1.500 Kilometern erreichte, an die der U-Boot-gestützten Trident-Atomraketen der US Navy. Und dann erschienen nach der Trennung der einzelnen Stufen der Black Brant zudem noch diverse kleinere Echos auf dem Radar, wie sie für Mehrfachsprengköpfe in der letzten Flugphase typisch sind

Vor diesem Hintergrund kann nicht verwundern, daß auf russischer Seite der Eindruck entstand, man werde zum Ziel einer nuklearen Attacke seitens der USA. So hätte die einzelne Rakete dem Zweck dienen können, starke elektromagnetische Impulse zur Blendung des russischen Radars auszulösen, was die Vorstufe zum Großangriff mit weiteren Atomraketen gewesen wäre.

Jelzin machte sowjetische Raketen für Vergeltungsschlag startklar

Während der ersten acht Minuten der Verfolgung des Fluges der Black Brant löste das russische Militär einen Großalarm aus, von dem sofort auch Präsident Boris Jelzin in Kenntnis gesetzt wurde. Dessen Reaktion bestand in der Aktivierung des Atomkoffers, der in Moskau „Tscheget“ hieß und Zugang zum Kawkas- beziehungsweise Kasbek-System bot, über das unter anderem die Koordination der nuklearen Verteidigung Rußlands erfolgen konnte. Dem Vernehmen nach soll Jelzin die Kommandanten der strategischen Atom-U-Boote angewiesen haben, in Kampfbereitschaft zu gehen und ihre Raketen startklar zu machen, um auf seinen Befehl hin Vergeltungsschläge gegen die Nato durchzuführen.

Glücklicherweise entfernte sich die Rakete dann aber vom russischen Luftraum, bevor sie 24 Minuten nach dem Start bei Spitzbergen niederging, was im Kreml zur Entwarnung führte. Dort zog man anschließend eine ganze Reihe von Lehren aus dem Vorkommnis. Insbesondere wurden die Protokolle in bezug auf die Weiterleitung von Informationen über die Starts von Forschungsraketen ausländischer Mächte gründlichst überarbeitet. Nicht zuletzt deshalb gab es in den mittlerweile dreißig Jahren seit dem sogenannten „Norwegischen Raketenzwischenfall“ kein weiteres dramatisches Ereignis vergleichbarer Art. 

Aus der JF-Ausgabe 05/25.

Der damalige russische Präsident Boris Jelzin begutachtet die „Siegesfahne“: 1995 löste er beinahe einen Nuklearkrieg aus. Foto: picture-alliance / dpa | epa
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag

ähnliche Themen