Zu Recht stellt Olaf Haselhorst einleitend fest, daß das Wissen um den Ersten Weltkrieg „nicht mehr präsent“ sei. Schon daher ist der kleine Band zum Komplex „Langemarck“ zu begrüßen. Die militärisch kaum bedeutenden, aber blutigen Auseinandersetzungen nahe dem belgischen Ort Langemarck am 10. November 1914 waren in Deutschland schnell von einem Kult und einer interessengeleiteten Geschichtsschreibung überformt worden.
Später fehlte es nicht an Versuchen, gegen das so entstandene Bild anzukämpfen. Der Mythos speiste sich aus der Erzählung, vor allem begeisterte Schüler und Studenten seien als Kriegsfreiwillige in großer Zahl in den Tod gegangen. Im Heeresbericht ist vermerkt, daß sie unter dem Gesang des Deutschlandliedes vorgerückt seien.
Schwerlich kann man sich des Eindrucks erwehren, daß das Büchlein unter erheblichem Zeitdruck entstanden ist und dabei schnell Greifbares oder Vorhandenes aufgenommen wurde. Die großflächigen Zitate von Werner Beumelburg oder Karlheinz Weißmann sprechen ebenso dafür wie der Blick auf die ausführlich wiedergegebenen Standpunkte von Hermann Stegemann, Wolfgang Mommsen und Herfried Münkler.
Haselhorst korrigiert verbreitete Klischees
Es bleibt unklar, warum die „Langemarck“-Passagen gerade aus deren Arbeiten – jeweils Gesamtdarstellungen zum Ersten Weltkrieg – hier einer besonderen, kommentierenden Betrachtung unterzogen werden. Details und Exkurse, etwa über den „Einjährig-Freiwilligen-Status“, oder die minutiöse Auflistung der Gliederung der Divisionen sind für das Thema „Langemarck“ nur bedingt von Interesse.
Haselhorst ordnet militärhistorisch sowie wirkungsgeschichtlich ein und korrigiert verbreitete Stereotypen und Klischees. So etwa weist er die pauschale Kritik an der deutschen Führung zurück, sie habe den absehbaren Blutzoll bedenkenlos in Kauf genommen. Er unterstreicht, daß die Freiwilligen entgegen einer Reihe von Darstellungen sehr wohl genügend ausgebildet und bewaffnet waren.
Eine pointierte These wird nicht geboten
Der Begriff „junge Regimenter“ im Heeresbericht habe sich nicht auf das Lebensalter der Soldaten, sondern auf die neuen Einheiten bezogen, es seien also nicht ausschließlich junge Kriegsfreiwillige gewesen. Zudem habe nicht nur die deutsche Seite „enorme Verluste zu beklagen“ gehabt. Verschiedentlich geäußerte Zweifel, daß das Deutschlandlied während des Angriffs tatsächlich gesungen wurde, überzeugen Haselhorst nicht. Er macht auch darauf aufmerksam, daß Hitler – im Unterschied zu anderen NS-Verlautbarungen – „Langemarck“ in seinen Äußerungen nahezu gänzlich überging.
Eine pointierte These, eine grundsätzlich neue Perspektive wird bei Haselhorst jedoch nicht geboten. Am Ende steht die Bilanz, „daß es fast unmöglich erscheint, Mythos und Realität der ‘Langemarck-Erzählung’ auseinanderzuhalten“.