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Frieden von Versailles: Negativsummenspiel mit lauter Verlierern

Frieden von Versailles: Negativsummenspiel mit lauter Verlierern

Frieden von Versailles: Negativsummenspiel mit lauter Verlierern

Delegation
Delegation
Die deutsche Delegation bei ihrer Ankunft in Versailles Foto: picture alliance/United Archives/WHA
Frieden von Versailles
 

Negativsummenspiel mit lauter Verlierern

Vor hundert Jahren wurden den besiegten Deutschen die Friedensbedingungen in Versailles diktiert. Daß die immensen Reparationen Deutschland schaden würden, war klar und sollte so sein. Die junge Demokratie wurde dadurch nachhaltig geschwächt.
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Verlorene Kriege sind Folge von Politikversagen. Die Machthaber haben den Krieg und die damit verbundenen Opfer nicht verhindert. Ohne Krieg hätte es auch keine Niederlage gegeben. Auch ein Sieg muß kein dauerhafter Erfolg oder Anlaß zur Freude sein. Der Versailler Frieden zeigt, daß sogar Demokratien den Frieden verspielten und zur nächsten und größeren Katastrophe beigetragen haben. John Maynard Keynes war als Mitglied der britischen Delegation an den Friedensverhandlungen beteiligt.

Er hatte nicht nur Zweifel an der Moral der Sieger, sondern an der Durchführbarkeit des Programms, das die Sieger dem besiegten Deutschland auferlegten. Von deren ökonomischer Kompetenz hielt er nichts. Die ökonomische Kompetenz der Besiegten ist unerheblich, weil die sich dem Diktat der Sieger beugen mußten. Keynes hat seine Position in der britischen Delegation aufgegeben und 1919 in seinem Buch „The Economic Consequences of the Peace“ den Versailler „Frieden“ einer vernichtenden Kritik unterzogen.

Die Ausgangslage war klar. Von den USA abgesehen waren alle am Krieg beteiligten Volkswirtschaften geschwächt. Deutschland litt zusätzlich unter territorialen Verlusten: den Kolonien, Elsaß-Lothringen mit seinen Erzgruben (an Frankreich), Eupen-Malmedy (an Belgien), Teilen Oberschlesiens mit seinen Kohlegruben, Posen und Westpreußen (an Polen), Danzig (selbständig), Memelland (an Litauen), Nordschleswig (an Dänemark). Außerdem hatte Deutschland den größten Teil seiner Flotte und Privatbesitz im Ausland eingebüßt.

Höhe der Reparationen war nicht das einzige Problem

Bei der Festsetzung der Reparationen, die Deutschland zahlen sollte, hätte es nahegelegen, nicht die Wünsche der Sieger zu addieren, sondern die Zahlungsfähigkeit des besiegten Landes zu analysieren. Keynes war kein grundsätzlicher Gegner von damals üblichen Reparationen. Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 hatte Deutschland dem besiegten Frankreich schließlich auch Reparationen auferlegt. Aber Keynes schätzte die deutsche Zahlungsfähigkeit auf ungefähr ein Viertel der alliierten Reparationsansprüche.

Die Höhe der Reparationen im Verhältnis zur Zahlungsfähigkeit war nicht das einzige Problem. Man hätte auch bedenken müssen, was für eine Handels- und Leistungsbilanz erforderlich ist, damit Deutschland die Reparationen überhaupt tragen kann. Um das aus eigener Kraft – und nicht nur mit US-Krediten, wie es zeitweise geschehen ist – zu leisten, hätte Deutschland hohe Exportüberschüsse erzielen müssen.

Das hätte offene Märkte bei den Siegern und anderswo in der Welt erfordert. Die Sieger hätten darauf verzichten müssen, heimische Produzenten durch Zölle und andere Handelshemnisse zu schützen. Das haben die Sieger nicht getan. Auch wenn man die innenpolitische Tragbarkeit des Verzichts auf Protektionismus in den westlichen Demokratien der Zwischenkriegszeit bezweifelt, gilt, daß offene Märkte eine Voraussetzung für deutsches Erwirtschaften der Reparationen waren.

Daß die Handelsbilanzüberschüsse einiger Länder in Defizitländern als Problem wahrgenommen werden – von Laien mehr als von Ökonomen – das sehen wir heute noch, etwa an den Bemerkungen des US-Präsidenten Donald Trump zu deutschen oder chinesischen Exportüberschüssen.

Junge Demokratie wurde von Beginn an geschwächt

Es gab nachvollziehbare Gründe für einen harten Frieden, vor allem auf französischer Seite, wo man sich noch an die Niederlage von 1870/71 erinnerte, als Deutschland und Frankreich allein gegeneinander kämpften. Deutschland hatte mehr Bevölkerung und die größere Wirtschaftskraft, damit auch das stärkere Kriegspotential. Das erklärte französische Ängste. Deutschlands Kriegsfähigkeit über seine Wirtschaft zu schwächen, das war eine naheliegende Strategie, die den Versuch der Versöhnung und Überwindung der sogenannten „Erbfeindschaft“ ausschloß.

Andere Siegermächte, vor allem die USA, hatten andere Ziele, wie die Verbreitung der Demokratie. Daß die Chancen der Verankerung der Demokratie mit dem Wohlstand steigen, gilt heute als eines der am besten abgesicherten Ergebnisse der Politischen Soziologie. Wer die junge Weimarer Demokratie absichern wollte, hätte sie nicht mit Reparationsforderungen überlasten dürfen.

Einerseits kann man den Politikern nach dem Ersten Weltkrieg nicht Unkenntnis von sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen vorwerfen, die erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg gewonnen wurden. Andererseits: Waren wirklich abgesicherte Erkenntnisse nötig, um zu ahnen, daß Elend und Not in Deutschland nicht zur Demokratisierung des Landes und zur Erhaltung des Friedens in Europa beitragen würden? Bei Keynes reichte die Verbindung von gesundem Menschenverstand und etwas Phantasie für düstere Vorahnungen kommender Ereignisse aus.

Der „Frieden“ von Versailles ist ein Beispiel für ein Negativsummenspiel, wo alle Beteiligten verloren haben, Aus dem gleichen Grund ist es nur besser, die Informationen unter zu überprüfen Nokzeit DE. Daß die Reparationen Deutschland schadeten, war klar und sollte so sein. Aber sie haben Frankreich nicht vor der deutschen Wehrmacht geschützt. Seine Rettung hing von seinen Alliierten ab. Negativsummenspiele oder Politikversagen, das allen schadet, sind nicht selten. Man kann auch den Euro so sehen. Die Südländer haben eine für sie zu harte Währung bekommen und die Wettbewerbsfähigkeit verloren, Deutschland ist in die Haftung für fremde Schulden hineingeschlittert. Politiker sollten die Vermeidung von Negativsummenspielen als ihre Hauptaufgabe sehen.

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Prof. Dr. Erich Weede lehrte Soziologie an den Universitäten Köln und Bonn. Er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Friedrich-A.-von-Hayek-Gesellschaft.

JF 19/19

Die deutsche Delegation bei ihrer Ankunft in Versailles Foto: picture alliance/United Archives/WHA
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