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Oktoberreformen: Der Wandel ließ sich nicht aufhalten

Oktoberreformen: Der Wandel ließ sich nicht aufhalten

Oktoberreformen: Der Wandel ließ sich nicht aufhalten

Max von Baden
Max von Baden
Richskanzler Prinz Max von Baden 1918 auf dem Weg zum Reichstag Foto: picture-alliance / akg-images
Oktoberreformen
 

Der Wandel ließ sich nicht aufhalten

Es ist zu kurz gegriffen, die Oktoberreformen von 1918 als von außen erzwungene Maßnahme zur Schaffung von Wohlwollen im Lager der Kriegsgegner oder Teil eines „Wegs nach Westen“ zu sehen. Was im Oktober 1918 an verfassungsrechtlichen Maßnahmen beschlossen wurde, folgte Gedankengängen, die in Deutschland selbst entwickelt worden waren.
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Ein mangelhaftes politisches System ist bekanntlich niemals gefährdeter als in dem Moment, indem es sich zu reformieren versucht. Denn in diesem Moment kommen prinzipiell alle je erdachten und geforderten Änderungen mit auf den Tisch, jede denkbare Interessengruppe sieht ihre Stunde gekommen und macht mobil. Keiner kann dann voraussagen, ob es bei der Reform bleibt, oder die Lage in eine grundsätzliche Revolution umkippt, trage sie nun diesen Namen offiziell oder nicht. Reformen können ihre Kinder ebenso fressen, wie dies Revolutionen in der Regel tun.

Nun, die Debatte über Mängel der deutschen Reichsverfassung von 1871 konnte im Jahr 1918 schon auf eine jahrzehntelange Tradition zurückblicken. Mochte der Staat insgesamt noch so stabil gewesen sein, die Wirtschaft prosperieren, das ganze Land in Kunst, Kultur und Wissenschaft zweifelsfrei an der Weltspitze mitmischen. An der politischen Spitze stimmte nach verbreitetem Eindruck etwas nicht, was als Gesamteindruck keine Frage von Rechts und Links darstellte, sondern sozusagen lagerübergreifend vorhanden war.

Effizienz zum Wohle der Nation

Keine Übereinstimmung gab es allerdings darin, was genau denn nun zu reformieren sei. Max Weber zum Beispiel, 1918 wohl immer noch Deutschlands wirkmächtigster akademischer Denker und zu dieser Zeit seit einem Vierteljahrhundert leidenschaftlicher Vertreter der Idee deutscher Weltmachtstellung, hatte immer wieder für die Möglichkeit plädiert, Parlamentarier in Regierungsämter zu holen. In England und überhaupt im Westen sei das gängige Praxis argumentierte er, nicht wegen nebulöser ‘demokratischer Werte’, sondern weil nur eine Person mit unmittelbarem Kontakt zur Willensbildung in den Parteien und Fraktionen ein fähiger Regierungschef oder Minister sein könnte.

Effizienz zum Wohle der Nation, diese Forderung gehörte nicht nur durch Weber schon lange zum innerdeutschen Forderungskatalog in Sachen Parlamentarisierung. Die Vorgänge von 1917/18 schienen noch einmal deren Notwendigkeit zu bestätigen. 1917 erzwang die Oberste Heeresleitung mit einer Rücktrittsdrohung vom Kaiser die Entlassung des langjährigen – und nur dem Kaiser verantwortlichen – Kanzlers Theobald von Bethmann-Hollweg.

Was folgte, waren gleich drei Kanzler wie Georg Michaelis, Georg Hertling und schließlich Prinz Max von Baden, denen allesamt die Eigenschaft fehlender Orientierung und mangelnder politischer Durchsetzungsfähigkeit gemeinsam war, deren Kommen und Gehen aber jeweils mit steigendem Einfluß des Reichstags verbunden war. Seit dem Sommer 1917 gab es im Reichstag einen „Interfraktionellen Ausschuß“, der Reformen auf vielen Ebenen vorantrieb.

Stunde allerhöchsten Drucks

Max von Baden ließ dann kurz nach seiner Ernennung ausdrücklich erkennen, nicht ohne Billigung des Parlaments regieren zu wollen und nahm Parlamentsmitglieder in die Regierung auf. Er verstand das zuerst noch als informelles Zugeständnis, aber in einer Reihe von Reformmaßnahmen wurde am 28. Oktober 1918 schließlich auch formal die deutsche Verfassung geändert: Der Reichskanzler mußte nun ausdrücklich das Vertrauen des Parlaments haben.

Es ist deshalb deutlich zu kurz gegriffen, die Oktoberreformen von 1918 als von außen erzwungene Maßnahme zur Schaffung von Wohlwollen im Lager der Kriegsgegner oder Teil eines „Wegs nach Westen“ zu sehen. Was im Oktober 1918 an verfassungsrechtlichen Maßnahmen beschlossen wurde, folgte Gedankengängen, die in Deutschland selbst entwickelt worden waren. Allerdings fand dieser Vorgang in einer Stunde allerhöchsten Drucks statt, unter der Drohung einer möglichen militärischen Niederlage im Ersten Weltkrieg.

Zu allem Überfluß meinte nun auch der amerikanische Präsident Wilson, öffentliche Forderungen nach der Parlamentarisierung Deutschlands erheben zu sollen und ließ damit das, was eine innerdeutsche Reform war, als Konsequenz einer ausländischen Intervention dastehen. So gab es denn am Ende kein Halten mehr. Das mängelbehaftete politische System des Kaiserreichs schaffte sich im Zuge der Reformen versehentlich selbst ab.

Richskanzler Prinz Max von Baden 1918 auf dem Weg zum Reichstag Foto: picture-alliance / akg-images
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