Der Spiegel ließ im Sommer 1980 jenen aktiven Bundeswehrgeneral die Frage „Wer wirft den Feind aus der Rhön?“ beantworten, der gerade in einer vielbeachteten Studie selbst die bedrückende Antwort gegeben hatte: Die Bundeswehr jedenfalls nicht.
Der damalige Brigadegeneral und spätere Generalleutnant Franz Uhle-Wettler hatte zuvor in seiner Untersuchung vor den Gefahren einer „Übertechnisierung von Streitkräften“ gewarnt.
Das sei eine Gefahr, der nicht nur die Bundeswehr zu erliegen drohte, und für deren fatale Folgen er auch historische Beispiele anführen konnte. „Schon öfter in der Geschichte, zuletzt im finnischen Winterkrieg und in Korea, aber auch in Vietnam haben leicht gerüstete, aber in schwierigem Gelände hochbewegliche Truppen schwer gerüstete Gegner geschlagen.“
Diese Einschätzung und ihre Ableitung aus zugleich profunder Sachkenntnis und Leidenschaft in der Sache enthält viele Elemente, die die Werke und in gewisser Weise das ganze Leben von Franz Uhle-Wettler insgesamt geprägt haben. 1927 in Eisleben geboren, wurde er noch aktiv in die Kämpfe des Weltkriegs verwickelt, ergriff nach Krieg und Gefangenschaft dann aber zunächst die Laufbahn des Historikers. Mit einer Dissertation über „Staatsdenken und Englandverehrung bei den frühen Göttinger Historikern Achenwall, von Schlözer, Freiherr von Spittler, Brandes, Rehberg, Heeren“ wurde er 1956 bei Fritz Wagner und Wolfgang Abendroth promoviert.
Kritik am Verfall soldatischer Werte
Im gleichen Jahr rief die neu gegründete Bundeswehr nach Unterstützung. Uhle-Wettler trat in die Streitkräfte ein, wurde als Generalstabsoffizier ausgebildet und schließlich Kommandeur der Panzerlehrbrigade in Munster. Zudem bekleidete er hohe Funktionen bei der Nato, zuletzt als Kommandeur des Nato Defense College in Rom.
Bezüglich der Nato-Verteidigungskonzeption wies Uhle-Wettler stets auf die Unstimmigkeiten in Planung und Ausrüstung hin, die eine erfolgreiche Verteidigung im gegebenen Gelände eher unwahrscheinlich erscheinen ließen. Dazu gesellte sich in der Bundeswehr ein Verfall soldatischer Werte, den Uhle-Wettler später im Buch „Rührt euch!“ (Graz 2006) scharf krisisierte.
Den Verfall militärischen Könnens in der Bundeswehr verortet Uhle-Wettler lange Zeit vor der gegenwärtigen Katastrophenpolitik Ursula von der Leyens oder ihrer Vorgänger Rudolf Scharping oder Volker Rühe. Es gelte die Faustregel, wonach „das Richtige alt und das Neue falsch ist“ und „die Bundeswehr von unten nach oben immer schlechter wird“.
Bleibende Verdienste
Letzteres weist auf ein weiteres Kernelement in Uhle-Wettlers Denken hin: die Sorge um und den Respekt vor den Mannschaftsdienstgraden. Dieser floß auch immer in seine militärgeschichtlichen Werke ein, etwa bei der plastischen Beschreibung der Details der Katastrophe von Jena und Auerstedt 1806. Viel Tinte ist vergossen worden über die angebliche Überlegenheit französischer Tirailleur-Gruppierungen über die angeblich veraltete preußische Linientaktik an diesem Tag.
Franz Uhle-Wettler unterzog das alles in „Höhe- und Wendepunkte deutscher Militärgeschichte“ (1984) einer nüchternen Kritik und kam zum Ergebnis, daß nicht die Linienformation der preußischen Truppen, sondern die „Unfähigkeit taktischer Führer“ die horrenden Verluste verursacht hat. Das war „einer der außerordentlichsten und erbarmungswürdigsten Vorfälle der Kriegsgeschichte“, wie Uhle-Wettler einen französischen Beobachter zitiert.
Als Offizier und Militärschriftsteller hat sich Franz Uhle-Wettler bleibende Verdienste erworben. Am 30. Oktober feiert er seinen neunzigsten Geburtstag.
JF 44/17