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Versenkung der Lusitania vor 100 Jahren: Großbritanniens wichtigste Versenkung

Versenkung der Lusitania vor 100 Jahren: Großbritanniens wichtigste Versenkung

Versenkung der Lusitania vor 100 Jahren: Großbritanniens wichtigste Versenkung

Torpedierung der Lusitania (Zeichnung)
Torpedierung der Lusitania (Zeichnung)
Torpedierung der Lusitania (Zeichnung): Ein Ereignis der Zeitgeschichte Foto: picture alliance/Everett Collection
Versenkung der Lusitania vor 100 Jahren
 

Großbritanniens wichtigste Versenkung

Vor 100 Jahren wurde der mit Munition beladene britischen Passagierdampfer Lusitania von einem deutschen U-Boot versenkt. Auch Amerikaner starben dabei. Bis heute wird diskutiert, ob die Briten die Versenkung billigend in Kauf nahmen, um die USA zum Kriegseintritt gegen Deutschland zu bewegen.
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Wallasch, Medien, Gesicht

Am 7. Mai 1915 versenkte das deutsche U-Boot „U 20“ unter dem Kommando von Kapitänleutnant Schwieger vor der irischen Südküste den britischen Passagierdampfer Lusitania, mit 30.369 Bruttoregistertonnen eines der größten Handelsschiffe seiner Zeit, 1909 Trägerin des „Blauen Bandes“ für die schnellste Atlantik-Überquerung. Beim Untergang des Schiffes kamen 1.198 Menschen ums Leben, darunter auch 128 Amerikaner. Einhundert Jahre sind seitdem vergangen. Aber das Ereignis beschäftigt die Zeitgeschichte bis heute.

Als die Lusitania am 1. Mai 1915 den Hafen von New York mit dem Zielhafen Liverpool verließ, tobte in Europa bereits seit neun Monaten der – später so genannte – Erste Weltkrieg, nicht nur zu Lande, sondern auch zur See. Am 2. Oktober 1914 hatte England das Seegebiet des Kanals und einen Monat später die gesamte Nordsee zum Kriegsgebiet erklärt und für jeglichen Schiffsverkehr – auch den neutralen – gesperrt. Mit der ihm eigenen Unbekümmertheit hat Churchill – zum damaligen Zeitpunkt Erster Lord der Admiralität, also Marineminister – später geschrieben, daß die Royal Navy „eingestandenermaßen versuchte, die ganze deutsche Bevölkerung, Männer, Frauen und Kinder, Alte und Junge, Kranke und Gesunde, durch Hunger auf die Knie zu zwingen“. Schon um die Jahreswende 1914/15 waren die Weltmeere von deutschen Schiffen so gut wie leergefegt.

Deutschland warnte vor der Reise auf der Lusitania

Als Reaktion auf diese völkerrechtswidrige Maßnahme erklärte Deutschland seinerseits am 1. Februar 1915 die Gewässer rings um Großbritannien und Irland einschließlich des Englischen Kanals zum Kriegsgebiet. Jedes dort angetroffene Handelsschiff würde künftig ohne Vorwarnung angegriffen und versenkt. Dazu stand der deutschen Marine ein neues Waffensystem zur Verfügung: das U-Boot. Es konnte auch in Seegebieten operieren, die von der britischen Flotte beherrscht wurden, allerdings nur an der Wasseroberfläche. Den Regierungen, deren Schiffe dieses Seegebiet befuhren, wurde dieses in einer diplomatischen Note mitgeteilt. Die Reise der Lusitania nach Liverpool würde das Schiff also direkt in dieses Kriegsgebiet führen. Daher hatte der Deutsche Botschafter in den USA, Graf Bernstorf, in fünfzig amerikanischen Zeitungen eine Anzeige veröffentlicht mit einer Warnung, auf der Lusitania zu reisen.

Das war die Lage, als am 30. April 1915, einen Tag vor dem Auslaufen der Lusitania aus New York, „U 20“ unter dem Kommando von Kapitänleutnant Walther Schwieger den Hafen von Emden in Richtung Irischer Kanal verließ. Zusammen mit „U 27“ und „U 30“ hatte „U 20“ Befehl, Jagd auf Truppentransporter, Handelsschiffe und Kriegsschiffe auf der Linie Liverpool, Bristol-Kanal, Dartmouth zu machen. Auf seinem Marsch um England und Irland versenkte „U 20“ einen kleinen Segler und zwei Dampfer mit zusammen etwa 12.000 Bruttoregistertonnen. Als „U 20“ völlig überraschend auf die Lusitania stieß, befand sich Kapitänleutnant Schwieger bereits wieder auf dem Heimmarsch. Es war am 7. Mai 1915 um 3.10 Uhr, als „U 20“ einen einzelnen Torpedo auf die Lusitania schoß, der im Vorschiff einschlug.

Churchill im Visier

Kapitänleutnant Schwieger schrieb dazu in sein Kriegstagebuch: „Schuß trifft Steuerbord dicht hinter der Brücke. Es erfolgt eine außergewöhnlich große Detonation mit einer starken Sprengwolke weit über den vorderen Schornstein hinaus. Es muß zur Explosion des Torpedos noch eine zweite hinzugekommen sein (Kessel oder Kohle oder Pulver).“ Das führte dazu, daß das Schiff innerhalb von nur 18 Minuten unterging. Von den 702 Besatzungsmitgliedern gingen 413, von den 1.257 Passagieren 785 mit der Lusitania unter. Insgesamt ertranken 1.198 Menschen, darunter 94 Kinder und 128 Staatsangehörige der USA.

Die Versenkung der Lusitania löste beiderseits des Atlantiks eine beispiellose Woge moralischer Empörung aus, die sich aber nicht nur gegen das deutsche U-Boot und seinen Kommandanten richtete, sondern auch gegen die britische Regierung. Vor allem Churchill wurde beschuldigt, das wertvolle Schiff nicht ausreichend geschützt zu haben. Die Regierung sah sich genötigt, zurückzutreten.

Am 11. Mai gab die deutsche Regierung eine erste Stellungnahme ab. In dieser hieß es: „Der Kaiserlichen Regierung ist ferner bekannt, daß die Lusitania auf ihren letzten Reisen wiederholt große Mengen Kriegsmaterial beförderte, wie überhaupt die Cunard-Dampfer Mauretania und Lusitania infolge ihrer Schnelligkeit als besonders geschützt gegen Unterseebootsangriffe betrachtet und mit Vorliebe zum Transport von Kriegsmaterial benutzt wurden. Die Lusitania hatte auf der jetzigen Reise erwiesenermaßen 5.400 Kisten Munition an Bord. Auch die sonstige Ladung war größtenteils Konterbande. So trifft die Verantwortung für den von der Kaiserlichen Regierung tief beklagten Verlust von Menschenleben die Kgl. Großbritannische Regierung.“

Ein amerikanisches Problem?

Obwohl die Lusitania unter britische Flagge fuhr, stellte die britische Presse in einer beispiellosen Hetzkampagne ihren Untergang als ein amerikanischen Problem dar, waren doch 128 US-Bürger umgekommen. Tatsächlich führte der Untergang der Lusitania zu einer schweren diplomatischen Krise in den deutsch-amerikanischen Beziehungen.

Am 15. Mai überreichte der amerikanische Botschafter in Berlin eine Note seiner Regierung. In ihr stellte die US-Regierung fest, daß es darauf ankomme, „die geheiligte Freiheit der Meere sowie die Regeln von Gerechtigkeit und Menschlichkeit“ zu achten. Die deutsche Regierung wurde aufgefordert, die berechtigten Interessen amerikanischer Staatsbürger auch im Kriegsgebiet zu bewahren. Es folgte ein Notenwechsel, der sich über Monate ergebnislos hinzog und schließlich einschlief.

Es blieben eine ganze Reihe unbeantworteter Fragen. So ist bis heute nicht geklärt, warum nicht britische Kriegsschiffe den Schutz der Lusitania in der Irischen See übernommen hatten, obwohl die britische Admiralität durch Beobachtung und Entschlüsselung des Funkverkehrs zwischen „U 20“ und den Befehlsstellen an Land genau wußte, wo sich das Boot befand.

Sollte der Kriegseintritt der USA provoziert werden?

Warum wurde der Kreuzer „Juno“, der bereits in See gegangen war, um die Lusitania die letzte Wegstrecke zu begleiten, plötzlich zurückgerufen – mit der pikanten Begründung, man müsse ihn vor der U-Boot-Gefahr schützen, der aber die Lusitania nun besonders ausgesetzt sein würde? Warum wurde der Kurs der Lusitania von Liverpool auf Queenstown geändert?

Es war diese Kursänderung, die die Lusitania direkt vor die Torpedorohre von „U 20“ führte. Das legt die Vermutung nahe, der Schutz der Lusitania sei bewußt unterblieben, um die USA zum Eintritt in den Krieg gegen Deutschland zu provozieren. Schon am 12. Februar 1915 hatte Churchill vertraulich geschrieben, es sei sein Ziel, „Deutschland und die USA in Feindseligkeiten zu verwickeln“. Ob Churchill dabei so weit ging, bewußt mit dem Leben Unschuldiger zu spielen, darüber führen Historiker bis heute eine kontroverse Diskussion. Ein letzter Beweis fehlt aber bisher.

Zweifelsfrei geklärt ist indessen, daß die Lusitania auf ihrer letzten Reise Munition transportierte. Der irische Historiker Patrick O’Sullivan führt in einer detaillierten Studie, die 1998 mit dem Titel „Die Lusitania – Mythos und Wirklichkeit“ erschienen ist, dafür den eindeutigen Nachweis. Aber schon das handgeschriebene 24seitige Ladungsverzeichnis der Lusitania listet in seinen 200 Punkten Art und Menge der mitgeführten Munition akribisch auf. Schließlich hatte das New Yorker Appellationsgericht schon Ende Januar 1923 in einer Gerichtsentscheidung festgestellt, daß die Lusitania Munition an Bord gehabt hatte, daß die Versenkung nicht als „Seeräuberverbrechen“, sondern als regelrechte Kriegshandlung angesehen werden mußte.

Der Kapitän wußte nichts

Kapitänleutnant Schwieger konnte das vor seinem Angriff natürlich alles nicht wissen. Für sein Handeln war es auch völlig belanglos. Die Berechtigung zum Angriff auf das Schiff ergab sich nicht durch die Munitionsladung, sondern einzig und allein aus der deutschen Kriegsgebietserklärung.

Nun befand sich die britische Kriegführung tatsächlich in einer äußerst schwierigen Lage. Regierung und Admiralität mußten schmerzvoll erkennen, daß das U-Boot in der Lage war, England durch Drosselung der Zufuhr hart zu bedrängen. Allein in den Monaten Februar bis Mai 1915 versenkten deutsche U-Boote 117 Frachter. Beim damaligen Stand der Technik aber war eine wirkungsvolle U-Boot-Abwehr nicht von heute auf morgen zu organisieren, so daß Churchill als für die Seekriegführung verantwortlicher Minister alles versuchte, um den U-Boot-Krieg international zu ächten. Besonders in den USA sollte dementsprechend Stimmung gemacht werden.

Wenn nun durch den Untergang der Lusitania bekannt wurde, daß ein Passagierdampfer heimlich Munition von den USA nach England beförderte, so war das mehr als peinlich. Peinlich nicht nur für Churchill und die britische Admiralität, sondern auch für US-Präsident Woodrow Wilson, war der Transport von Explosivwaffen auf einem Passagierdampfer nach amerikanischem Recht doch streng verboten.

Verschleierung der Umstände

Das wußten auch die britischen Behörden und hielten es daher peinlich geheim. Der Untergang der Lusitania indessen drohte diesen Schleier der Geheimhaltung zu zerreißen und der Öffentlichkeit – auch und gerade der amerikanischen – den wahren Charakter des Schiffes, seiner Ladung und der dafür Verantwortlichen zu verdeutlichen. So diente eine auf Ersuchen der britischen Admiralität vom Handelsministerium vorgenommene formelle Untersuchung der Gründe, die zum Untergang der Lusitania geführt hatten, weniger der Wahrheitsfindung als vielmehr deren Verschleierung.

Noch nach dem Krieg hat sich die britische Admiralität jahrzehntelang erfolgreich bemüht, eine sachliche Rekonstruktion des Unterganges der Lusitania zu be- oder sogar zu verhindern: durch die Vernichtung von Aktenmaterial, Behandlung von Dokumenten als Verschlußsache wie die Verbreitung von Falschaussagen, was Gerüchten und Unterstellungen immer wieder neue Nahrung gab.

Sollte Churchill die Lusitania wirklich als „Köderschiff“ mißbraucht und ihren Untergang bewußt provoziert haben, um so den Kriegseintritt der USA zu erreichen, so war er damit erfolglos. Die USA sind 1915 nicht in den Krieg eingetreten. Es sollten noch fast zwei Jahre vergehen, bis die USA im April 1917 Deutschland den Krieg erklärten. Als Grund hierfür wurden weder der U-Boot-Krieg noch die Lusitania genannt.

Torpedierung der Lusitania (Zeichnung): Ein Ereignis der Zeitgeschichte Foto: picture alliance/Everett Collection
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