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Marc Jongen, ESN Fraktion

Völlig unbewältigt

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Daß im Zweiten Weltkrieg Hunderttausende von Ausländern freiwillig an der Seite der Wehrmacht „gegen den Bolschewismus“ kämpften, davon mehr als 900.000 Bürger der Sowjetunion, aber auch Zehntausende von Franzosen, Dänen, Norwegern, Flamen, Wallonen, Norweger, ist nur schwer ins heute in der Bundesrepublik verbreitete Geschichtsbild einzuordnen, weshalb man dieses Faktum lieber verschweigt.

Um so bemerkenswerter war es, daß kürzlich das Historische Seminar der Christian-Albrechts-Universität in Kiel zu einer öffentlichen Veranstaltung einlud, auf der Historiker Xosé-Manoel Núñez Seixas zum Thema „Mit der Wehrmacht in Rußland – Die Ostfront-Erfahrungen der spanischen Blauen Division – Mythos und Wirklichkeit“ sprach. Núñez Seixas hat an der Universität Santiago de Compostela nicht nur die deutschen und spanischen Akten über den Einsatz von insgesamt 47.000 spanischen Soldaten an der Ostfront durchgearbeitet, sondern ebenso Tagebücher und Feldpostbriefe ausgewertet sowie zahlreiche Zeitzeugen befragt. Herausgekommen ist ein materialreicher Vortrag, mit dem der Spanier bereits seit fast zwei Jahren an verschiedenen europäischen Hochschulen seine „Militärgeschichte von unten“ präsentiert und der in klassischer Weise Rankes Forderung erfüllt, aufzuzeigen, „wie es eigentlich gewesen“ ist.

Nach Ausbruch des deutsch-sowjetischen Krieges hatte die spanische Regierung dem Deutschen Reich angeboten – und sich damit vom Kriegseintritt freigekauft –, sich mit einer Division am Krieg gegen die Sowjetunion zu beteiligen. Spanien hatte gerade gut zwei Jahre vorher in einem Bürgerkrieg die Kommunisten besiegt, die auch aus dem „Paradies der Werktätigen“ große Unterstützung erfuhren. Es meldeten sich mehr als fünfmal so viele Freiwillige wie für die „Division Española de Volontarios“ notwendig. Daraus wurde zunächst eine Division, die etwa zur Hälfte aus Falangisten, Anhängern der spanischen Form des Faschismus, und Franquisten, Gefolgsleuten des konservativen Generals Franco, bestand.

In Deutschland wurde sie als 250. Infanteriedivision der deutschen Wehrmacht (nicht der Waffen-SS) aufgestellt, Ihr Kommandeur war General Agustín Muñoz Grandes, der im Laufe des Krieges mit dem Eichenlaub zum Ritterkreuz ausgezeichnet wurde, sein Nachfolger wurde Generalmajor Emilio Esteban Infantes (ebenfalls Ritterkreuzträger). Mehrmals wurden die Soldaten im Laufe der Jahre ausgetauscht. Nach den Worten des spanischen Historikers fühlten sie sich als Verteidiger des christlichen Abendlandes gegen den Kommunismus. Vom deutschen Wohlfahrtsstaat waren sie ebenso beeindruckt wie von der Freiheit, die die Frauen in Deutschland in Anspruch nahmen. Keine Vorurteile hatten sie gegen die russische Bevölkerung, die sie von der kommunistischen Sklaverei befreien wollten. Juden begegneten sie ohne jede Form von Antisemitismus.

Während sich die deutsche Generalität, die der Referent als „reaktionär“ bezeichnete, zunächst skeptisch über die Südländer äußerte, die eine andere Auffassung von Disziplin an den Tag legten, verband die Soldaten mit der deutschen Fronttruppe bald eine enge Kameradschaft und gegenseitige Hochachtung. Und sehr bald hatte auch die deutsche Führung erkannt, welch unbändige Tapferkeit die Soldaten der „Blauen Division“ (genannt nach den blauen Hemden der Falangisten) auszeichnete, auch wenn sie nicht immer geputzte Knobelbecher trugen. Legendär wurde der Vorstoß einer 205 Mann starken spanischen Ski-Kompanie, die sich im Januar 1942 bei Temperaturen von minus 52 Grad über den Ilmensee zu von der Roten Armee eingeschlossenen deutschen Stellungen durchkämpfte und sie entsetzte. Nur zwölf Mann blieben unverwundet.

Núñez Seixas erwähnte nicht die freiwilligen spanischen Flieger. Mehrere Jagdstaffeln kamen im Mittelabschnitt der Ostfront zum Einsatz. Sie schlugen sich bravourös und schossen 156 Feindflugzeuge ab. Auf Druck Großbritanniens mußte Franco die Division im November 1943 zurückrufen. Übrig blieb eine Freiwilligen-Legion von drei Bataillonen, die Spanien aber schon nach einem halben Jahr ebenfalls zurückbeordern mußte. 200 Soldaten weigerten sich, dem Befehl ihrer Regierung zu folgen. Soweit sie nicht gefallen waren, kämpften sie bis zum letzten Tag in Berlin. Insgesamt fielen 4.200 spanische Soldaten in Rußland. Von den 450 in sowjetische Gefangenschaft geratenen Spaniern kehrten 300 im Jahre 1954 zurück und erlebten in Barcelona einen triumphalen Empfang. Noch heute erinnern in spanischen Städten Straßennamen an gefallene Soldaten der „Blauen Division“.

Unter dem Titel „Wir hatten recht!“ erschien kürzlich das Buch eines der letzten noch lebenden spanischen Veteranen über den Einsatz der „Blauen Division“. Der Historiker kündigte an, daß im nächsten Jahr in Spanien sein Buch über die Geschichte der Freiwilligen Division herauskommen wird.

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