Seit Ende vergangenen Jahres gibt es eine mittlerweile an Absurdität schwer zu übertreffende Auseinandersetzung an der Universität Bamberg, ausgelöst durch das Vorhaben zweier Professoren, des Politikwissenschaftlers Reinhard Zintl und seines Kollegen, des Philosophen Christian Illies, eine nach Claus Schenk Graf von Stauffenberg genannte Professur einzurichten. Sie soll sich mit der immer aktuellen Frage beschäftigen, wie sich Politik an ethischen Maßstäben orientieren kann. Damit wollen die Universität und die Stifter einen Mann ehren, „der das Äußerste – sein eigenes Leben – für moralische Prinzipien einsetzte, die unabhängig von spezifischen politischen Ordnungsvorstellungen Gültigkeit haben“, wie es in dem von der Universität verbreiteten Widmungstext heißt.
Diese Absicht, sollte man in der sich zusehends auf die tragenden Werte unseres Gemeinwesens besinnenden problematischen Gegenwart meinen, müßte viel, wenn nicht überwältigende Zustimmung finden. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein, jedenfalls im trüben akademischen Biotop der fränkischen Provinz. In einer peinlichen Mißachtung aus Ignoranz und Infamie sprachen sich die Linksjugend und der SDS Bamberg im Dezember vergangenen Jahres unter der Überschrift „Keine Ehrung von Faschisten“ gegen das Projekt aus, denn Graf Stauffenberg habe „antidemokratische, rassistische und antisemitische Positionen“ vertreten. Die vorgesehene Ehrung wäre „eine Schande für Bamberg und ein Faustschlag in das Gesicht aller Verfolgten des Naziregimes sowie deren Hinterbliebener“.
Vor einer für den 30. April vorgesehenen Podiumsdiskussion wiederholte und verstärkte der SDS seine Vorwürfe. Stauffenbergs Widerstand sei „keinesfalls durch demokratische oder humanistische, sondern allein durch nationalistische, völkische bzw. monarchistische Vorstellung motiviert“ gewesen. Mit der Feststellung allerdings, aus Sicht des SDS gebe es noch „erheblichen Aufklärungsbedarf über Stauffenberg“, entlarvt sich die törichte Kampagne als gelungener Ausdruck von wissensfreiem Sachverstand. Denn angesichts der materialreichen Biographien Stauffenbergs von Eberhard Zeller, Christian Müller und Peter Hoffmann von „Aufklärungsbedarf“ zu sprechen, zeigt, daß es den Widersachern Stauffenbergs nicht um die Person, auch nicht um das berechtigte Anliegen der Professoren, sondern allein um billige Polemik geht.
Die Podiumsdiskussion am 30. April 2009 brachte wohl keine Annäherung der Standpunkte trotz überzeugender Argumente der beiden Professoren und einiger anderer Diskussionsteilnehmer. Wortführer der Stauffenberg-Kritiker war Günter Pierdzig, der als Vorsitzender der linksextremistischen Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes in Bamberg auch den SDS vertrat. Er ist der Meinung, daß „Stauffenberg erst etwas unternommen hat, als es um seinen Kopf ging“, wie der Fränkische Tag berichtet. Allenfalls aus „finanziellen Gründen“ sei Stauffenberg als Namensgeber geeignet, „weil man damit am ehesten offene Türen einrennt“, wußte Pierdzig beizutragen.
Vermittelnde Stimmen aus dem kritischen Auditorium mit vielen Sympathisanten der linken Szene fanden „eine Person mit Licht und Schatten“ gerade aus diesem Grund als Namensgeber „gar nicht so schlecht“. Derart in die Defensive gedrängt, bekundete Illies schließlich sogar, daß „es nicht einmal klar ist, ob es ihn (den Lehrstuhl, G.M.) mit dem Namen geben wird. Wir sind in einem Prozeß.“
In ihrer Befürwortung Stauffenbergs und seiner Motive hätten sie sich überdies auf ein Urteil aus dem Jahre 1949 des seinerzeit bekannten Journalisten der alten Frankfurter Zeitung Bernhard Guttmann (1870–1959) berufen können, der die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft in ständiger Bedrohung in der inneren Emigration in einem Schwarzwalddorf zugebracht hat: „Von den Männern des 20. Juli 1944 waren viele gewiß keine Demokraten, aber sie besaßen die elementare Charakterkraft, die ‘nein’ sagt, in viel höherem Grade als der anständige Landesdurchschnitt. Denn das schwer zu Ergründende sind ja nicht die Verbrecher, die regiert haben, sondern die anständigen Leute, die sich regieren ließen. (…) Das Urteil über die Völker wird (…) durch die Proportion der Helden und Märtyrer des Geistes und der Seele bestimmt, und in Deutschland war die Proportion nicht günstig, es waren ihrer zu wenige, das Feuer der moralischen Empörung brannte zu niedrig“ – dies eine nachdenklich stimmende, aber glänzende Rechtfertigung des Vorhabens der Professoren Zintl und Illies.
Dr. Georg Meyer arbeitete als Historiker am Militärgeschichtlichen Forschungsamt (MGFA).