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„Es lebe das Geheime Deutschland“

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„Es lebe das Geheime Deutschland“

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Gestern wurde der Anschlag bekannt. Der Attentäter soll ein Graf Stauffenberg sein. Das würde meine Meinung bestätigen, daß an solchen Wenden die älteste Aristokratie ins Treffen tritt“, schrieb Ernst Jünger am 21. Juli 1944 in seinem „Zweiten Pariser Tagebuch“. In der Tat führte die aus schwäbischem Uradel stammende Familie Stauffenberg ihre Abkunft auf die Staufer zurück und schon dem jungen Stauffenberg war Friedrich II. von Hohenstaufen Vor- und Leitbild eines gerechten christlichen Herrschers. Je mehr nach dem 20. Juli über den Umfang der Verschwörung bekannt wurde, umso offensichtlicher wurde das Versagen der Geheimen Staatspolizei. Immerhin war von Berlin bis Wien und Paris ein dichtes Netz geknüpft worden, mehr als 200 Personen waren eingeweiht, Tausende müßten es zumindest erahnt haben, daß die Kritik an der Führung nicht Selbstzweck war, sondern daß man Mittäter gewinnen wollte. Noch am Tag nach dem Attentat tappte die Gestapo im Dunkeln. Niemand hatte vorher Anzeige erstattet, nicht einer der direkt Angesprochenen, selbst wenn sie anderer Meinung waren. Das damalige Offizierskorps war mehrheitlich noch durchdrungen von gemeinsamen Ehrbegriffen und einem das Ganze tragenden Verhaltenskodex. Immerhin trafen sich seit Jahren die Verschwörer, fuhren trotz Rationierung mit Privat- und Dienstwagen zu Besprechungen, planten Stellenbesetzungen und verfaßten Aufrufe und Erklärungen, die ganze Panzerschränke füllten. Keine kollektivistische Orientierung über die Masse Der heute fast 90jährige, in Ohio (USA) lebende ehemalige Frontoffizier Siegfried Knappe beschrieb die Situation nach dem mißlungenen Staatsstreich in seinem Buch „Soldat – Reflections of a German Soldier. 1936-1949“ wie folgt: „We were at the Panzer School on July 20, 1944, when Oberst i. G. Claus von Stauffenberg attempted to assassinate Hitler and the Nazi Party leaders went beserk. The next several days were total chaos throughout Germany. Nobody knew what would happen next or who would be arrested next. (…) Many of our instructors at the General Staff College were concerned for their lives, because they knew some of the convicted general staff officers.“ Die politische Führung erkannte recht schnell die Gefahr für den Zusammenhalt der Truppe und grenzte den großen Kreis der Verschwörer sofort auf eine „kleine verbrecherische Clique“ von reaktionären Offizieren ein. Da die Mehrzahl der Kriegsteilnehmer und ihre unter dem Bombenterror leidenden Familien unter den enormen Belastungen des Krieges und infolge beschränkter Informationsmöglichkeiten die wahren Hintergründe des Anschlags nicht erkennen konnten, ihnen die alliierte Forderung nach „unconditional surrender“ (bedingungslose Kapitulation, ein Einfall, der Roosevelt, wie er später offenbarte, am 23. Januar 1943 in Casablanca unversehens gekommen war) und die Bedrohung der vorrückenden Roten Armee deutlich vor Augen standen, waren „die Soldaten empört, die Unteroffiziere und Mannschaften mehr als die Offiziere“, schrieb Oberst a. D. Hans-Joachim Mischke, damals Frontoffizier in Ungvar in der Karpatho-Ukraine, in seinen Erinnerungen. Der am 20. Juli in seiner Heimatstadt Ulm auf Urlaub von der Ostfront weilende Oberarzt und später bekannte Arzt, Schriftsteller und Synodale der Evangelischen Kirche, Siegfried Ernst war der Meinung, daß das Gelingen des Attentates einen Bürgerkrieg ausgelöst hätte. Zu diesem Schluß kam auch der britische Militärhistoriker Matthew Cooper in seinem Buch „The German Army 1933-1945“. Stauffenberg war sich des wahrscheinlichen Mißerfolges durchaus bewußt, war jedoch überzeugt, daß er nicht anders handeln konnte: „Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muß sich bewußt sein, daß er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird. Unterläßt er jedoch die Tat, dann wäre er ein Verräter vor seinem eigenen Gewissen.“ „Wo es an solchem Kämpfertum fehlt, das nach dem eigenen Leben nicht mehr fragt und das kein ‚aussichtslos‘ gelten läßt, – da hat der Satan sein Spiel endgültig gewonnen“, wertete der große Geschichtswissenschaftler und bekennende Christ Gerhard Ritter später diese Tat. Die Prägung Stauffenbergs kann man nur verstehen, wenn man um seine Mitgliedschaft im Kreis um den Dichter und großen Lyriker Stefan George weiß, zu dem er schon im Mai 1923 als Junge im Alter von 16 Jahren fand. Während Nationalsozialismus und Internationalsozialismus sich als kollektivistische Orientierungen über die Massen definierten, suchte der Kreis um Stefan George die mittelalterliche Reichsidee mit ihrem Personalismus und ihrem ganzheitlichen Menschenbild, wie es sowohl in der Antike als auch in der deutschen Klassik beschrieben wurde. Damit verbunden waren das Einstehen für moralische Werte und eine heldenhafte Gesinnung sowie der Mut gegen den Strom zu schwimmen. Als 18jähriger bereits beschrieb Stauffenberg die Sicht seines künftigen Handelns, auch die Bereitschaft zur Tat für die Gemeinschaft aus einer klaren Mission, unter Zurückstellung des eigenen Ichs. Für eine Verklärung des Opfertodes war er jedoch nicht zu haben. Für den Kreis um Stefan George verkörperte gerade der Staufer Friedrich II. den religiös, philosophisch und wissenschaftlich gebildeten Staatsmann, einen Staatsmann, der in der Lage war, mit Fach al Din, dem engsten Vertrauten des Sultans von Kairo, zu diskutieren, der sich aber auch sozial engagierte, als er eine medizinische Hochschule gründete, in der die Armen für Gotteslohn behandelt wurden. Wie sein großes Vorbild Friedrich II. zeigte auch der Offizier und gebildete Einzelgänger Stauffenberg, der abends las oder Cello spielte, statt sich wie viele seiner Kameraden zu vergnügen, großes Interesse für historische, religiöse und soziale Zusammenhänge. Ordnung auf der Grundlage des Christentums „Seinen Kaisern und Helden – das Geheime Deutschland“ stand auf dem Kranz, der 1924 von dem Kreis am Grab des Kaisers in Palermo niedergelegt wurde. Wahrscheinlich war der letzte Ruf Stauffenbergs, als die Kugeln ihn trafen, auch der Ruf: „Es lebe das geheime Deutschland“ statt wie überliefert „Es lebe das heilige Deutschland“. Der Begriff „Geheimes Deutschland“ als Vision eines Reiches der Eliten stammte von Stefan George. Neben dem Stauferkaiser waren es die Deutschordensritter, Ritter und Mönche zugleich, mit ihrer Selbstlosigkeit und Tapferkeit und ihrer Vision einer christlich-abendländischen Sendung, die für den Kreis und damit auch für den jungen Stauffenberg Vorbild waren. Obwohl Stauffenberg durchaus für eine Einschränkung des jüdischen Einflusses in bestimmten Bereichen in Deutschland war, war er mitnichten ein Antisemit, waren doch unter seinen geistigen Wegbegleitern im Kreis um Stefan George auch patriotische Deutsche jüdischen Glaubens. Selbstverständlich war auch Stauffenberg zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft von der scheinbar idealistischen Grundhaltung der Nationalsozialisten beeindruckt, erkannte aber sehr schnell die Primitivität vieler aus dem Nichts emporgekommener Politkreaturen und ging früh offen auf Distanz. Demonstrativ verließ er 1934 den Saal, als Julius Streicher sich – wie so häufig – über das Sexualleben der Juden ausließ. Die sogenannte Reichskristallnacht im November 1938 erregte bei ihm wie bei vielen Deutschen Abscheu und schon 1939 sprach er von der „braunen Pest“. Aber als er dann im Jahre 1942 erstmalig Informationen über die von der SS in der Ukraine durchgeführten Massenerschießungen von Juden erhielt, verstärkte das in dem Aristokraten die Notwendigkeit einer Machtübernahme durch das Heer. Axel von dem Bussche, ehemaliger Hitlerjugendführer, anschließend als Major an der Ostfront und Mitverschwörer, meinte sogar, daß ohne den Judenmord der 20. Juli nicht stattgefunden hätte. Als Sofortmaßnahmen sahen die Verschwörer neben der Verhaftung der nationalsozialistischen Führungsriege folglich auch die Besetzung der Konzentrationslager und den sofortigen Stopp der Verfolgung und Ermordung der Juden vor. Seit der Veröffentlichung des Nachlasses von Stauffenberg 1992 wissen wir, wie sich der Aristokrat sein „Geheimes Deutschland“ vorstellte, ein ständestaatlich organisiertes Reich in der Gemeinschaft der abendländischen Völker, jenseits der „Gleichheitslüge“. „Gottesfurcht an Stelle von Selbstvergottung, Recht und Freiheit an Stelle von Gewalt und Terror, Wahrheit und Sauberkeit an Stelle von Lüge und Eigennutz“, waren die Leitlinien des letzten Aufrufs der Gruppe Stauffenberg. Die Absage an den Materialismus, die Konsumideologie und die Überwindung des Nihilismus als Lebensform, die Verneinung der ausschließlichen Diesseitigkeit und die Herstellung einer Ordnung auf der Grundlage des Christentums waren die wegweisenden Orientierungen, waren der Geist des „Geheimen Deutschland“. Wie notwendig wäre solch ein Geist zur Erneuerung unseres Volkes und Vaterlandes, zur Wiedergewinnung rechtsstaatlicher Konturen für das wachsende ungeschützte Leben, für die Vorrangstellung von Ehe und Familie, für einen zu verantwortenden Einsatz unserer Männer und Frauen in Uniform, für das Gespräch in der Wahrheit mit den Andersgläubigen. Die geistige Orientierung Stauffenbergs ist von hochaktueller Bedeutung – gerade für unser Zeitgeschehen. Foto: Stefan George mit Berthold und Claus von Stauffenberg, 1924: Vision eines Reiches der Eliten Jörn Brauns war stellvertretender Leiter des Studentenbereichs der Universität der Bundeswehr München. Danach leitete er ein Seminarzentrum in Oberpfaffenhofen.

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