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Das Katheder, nicht das Kanonenboot

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Mit einem vor allem wegen seiner Rolle beim ‚Anschluß‘ Österreichs gesuchten Hauptkriegsverbrecher als Präsidenten, einem SS-Obergruppenführer als Leiter der wissenschaftlichen Abteilung und einer erst im Windschatten der Siege der Wehrmacht erfolgenden vollen Entfaltung der Auslandsarbeit waren die Chancen der Deutschen Akademie nicht sehr hoch, den Zusammenbruch des Dritten Reiches zu überleben.“ Dennoch entstand – ungeachtet der von Arthur Seyß-Inquart und dem „Ahnenerbe“-Gewaltigen Walther Wüst verkörperten NS-Spitze – wenigstens aus der Konkursmasse der 1925 in München gegründeten Deutschen Akademie (DA) 1952 das Goethe-Institut, das seit über fünfzig Jahren die Hauptsäule bundesdeutscher Kulturpolitik „draußen in der Welt“ bildet. Eckard Michels, promoviert mit einer Arbeit über die deutsche Kulturpolitik in Paris zwischen 1940 und 1944, und seit 1997 in London als Dozent tätig, war mit der Materie hinreichend vertraut, um sich an die wegen großer Aktenverluste nicht einfache Rekonstruktion der langen „Vorgeschichte“ des Goethe-Instituts wagen zu können. Wie es der Zufall fügt, erscheint Michels‘ Studie zudem gerade rechtzeitig, um die in den letzten Monaten wieder einmal ins Zwielicht geratenen Maßstäbe bundesdeutscher Kulturvermittlung und -präsentation in so weiten historischen Relationen zu betrachten, wie sie von der schwer zugänglichen Trierer Dissertation Steffen Kathes („Das Goethe-Institut e. V. in der bundesdeutschen Kulturpolitik zwischen Verwaltung und Diplomatie 1951-1990“, 2001) nicht erfaßt werden. Als wichtiges Resultat seiner Untersuchung streicht Michels einen paradoxen Befund heraus: Einerseits sei das frühe Goethe-Institut zwar eine Institution gewesen, die starke inhaltliche wie personelle Kontinuitäten zur Arbeit ihrer Vorgängerinstitution im Dritten Reich, der DA, aufweise. Insofern stützt Michels das bekannte Klischee von der Adenauerschen „Restaurationszeit“. Andererseits, „recht ungewöhnlich für damalige bundesdeutsche Einrichtungen“, habe der 1937 als DA-Generalsekretär entlassene, seit der „Stunde Null“ hartnäckig und letztlich erfolgreich um die Neugründung kämpfende Franz Thierfelder dafür gesorgt, daß das Goethe-Institut frei blieb selbst von „nominellen Parteigenossen“, während das Bonner Auswärtige Amt mit ihnen zwei Drittel seiner Spitzenpositionen besetzte. Machtpolitische Schwäche kulturpolitisch kompensieren Der eigentliche Wert dieser Studie liegt aber nicht in der minutiösen Aufarbeitung jener sieben Jahre des „Wiederbeginns“ deutscher auswärtiger Kulturpolitik, den fintenreichen Bemühungen Thierfelders, dies noch während der Besatzungszeit auch im Wege einer recht eigenwilligen Vergangenheitspolitik zu erreichen, ja anfangs den US-Amerikanern das DA als Instrument der Reeducation anzudienen. Vielmehr fährt Michels die Ernte seiner Quellenarbeit eher beiläufig ein, wenn er das eingangs formulierte Ziel verfolgt, die DA und das Goethe-Institut in einen „größeren kultur- oder diplomatiegeschichtlichen Kontext“ zu stellen. Zu diesem Zweck greift er über die DA-Gründung zurück in die Zeit der ersten Marokko-Krise (1905/06), als Berliner Diplomaten die Bedeutung der Kulturpolitik als Alternative zur reinen Machtpolitik zu ahnen begannen. Erstmals wurde damals daran gedacht, mit dem Katheder und nicht mit dem Kanonenboot den deutschen Einfluß in der Welt zu mehren. Die Suche nach den Gründen der deutschen Weltkriegsniederlage führte dann nach 1918 zu einer weiteren Aufwertung auswärtiger Kulturpolitik. Denn den Zusammenbruch der Heimatfront schrieb man der massenpsychologisch viel wirksameren Kriegspropaganda der Entente zu. Die galt es unter den Bedingungen von Versailles nachzuahmen, um einerseits das eigene Volk zu kulturellem Selbstbewußtsein zu erziehen, andererseits die „Weltöffentlichkeit“ vor allem mit Hilfe des „Auslandsdeutschtums“ zu beeinflussen. In diesem Sinne handelnd, stieß 1923 die französische Ruhrbesetzung eine Initiative Münchner Honoratioren an, die die machtpolitische Schwäche des Reiches kulturpolitisch kompensieren wollten und eine Akademiegründung ins Werk setzten. Bezeichnend ist, daß Michels dokumentiert, wie schon die Gründungsphase der DA von jenen widersprüchlichen Konzeptionen, Zickzackkursen und Unentschlossenheiten geprägt war, die von 1906 bis in die jüngste Kritik an den unter – cum grano salis gesprochen – Seyß-Inquarts später Nachfolgerin Jutta Limbach falsch gesetzten Schwerpunkten des Goethe-Instituts die „Markenzeichen“ deutscher Kulturwerbung im Ausland zu sein scheinen. Kein „roter Faden“ in der „Kulturmission“ entdeckbar Nachdem man also zu wilhelminischen Zeiten den propagandistischen Mehrwert von Kulturpolitik verkannt hatte, nahm das Verständnis ab 1918 zu, aber es gab „kein klares Konzept für die Auslandsarbeit“. Stark umstritten blieben stets Spracherwerb und Sprachförderung als Mittel kultureller Einflußnahme. Umstritten war, welche Zielgruppe zu präferieren sei, Auslandsdeutsche oder Nichtdeutsche? In welcher Region gab es die besten Aussichten, „Deutsch als Fremdsprache“ anzubieten und auch im Interesse der deutschen Wirtschaft ein „informal empire“ zu errichten? Doch gab es überhaupt eine enge Verbindung zwischen Sprachverbreitung und Exportchancen? Der vermeintlich „totale Staat“ hat diese Problemknoten nach 1933 mitnichten autoritär entwirrt. Wenn Michels betont, daß die Grundsätze der Kulturarbeit im Ausland unter dem NS-Regime die gleichen geblieben seien „wie in der späten Weimarer Republik“, so gilt dies auch für die Widersprüche, die diesen „Grundsätzen“ inhärent waren. Während zwischen 1906 und 1945 aber immerhin noch soviel „roter Faden“ in der „Kulturmission“ zu entdecken war, daß sie zur Wiederherstellung oder Festigung der deutschen Großmachtstellung dienen sollte, ging selbst diese grobe Orientierung in der Bonner Republik verloren: „Die Einrichtung der Goethe-Dozenturen in den fünfziger Jahren basierte auf keinem Plan, der einer klaren außenpolitischen Intention folgte.“ Dabei ist es bis heute geblieben. Eckard Michels: Von der Deutschen Akademie zum Goethe-Institut. Sprach- und auswärtige Kulturpolitik 1923-1960. R. Oldenbourg Verlag , München 2005, gebunden, 266 Seiten, 39,80 Euro Foto: Jutta Limbach im Hamburger Institutsgebäude vor dem Goethe-Konterfei: Bundesdeutsche Kulturvermittlung ins Zwielicht geraten

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