Wer Wissenschaftler und vor allem Grundlagenforscher für sanfte weltfremde Eigenbrötler hält, hat einiges verschlafen. Immer offensiver, medienbewußter und organisierter formiert sich die Zunft gegen moralisierende Einwände und gesetzliche Hindernisse. Eine imaginäre Masse von gequälten Kreaturen hinter sich, die nach Medizin lechzt, fordern jetzt 68 Wissenschaftsakademien aus aller Welt die Uno auf, das therapeutische Klonen zuzulassen. Mit ihrer „Ethik des Heilens“ sind die Fortschrittsgeister ethisch kaum zu schlagen. Auch die Grundlagen zum eben beginnenden Gen-Doping sind selbstverständlich unter reinen Heilungsaspekten gelegt worden. Das ist keine bewußte Täuschung. Wissenschaftler sind nun einmal an ihrer Sache interessiert und kaum an der Art der Anwendung. Und wer wirklich Krankheiten heilen will, ist auf deren amoralisches Interesse am Machbaren angewiesen. Einfühlung und Verständnis sind für den Kranken sicher wünschenswert, wichtiger ist ihm jedoch eine wirksame Medikation. Die Macht der Pharmakonzerne und ihrer Forschungsabteilungen ist nur durch ein Mittel zu brechen: durch stoische Ruhe beim Erleiden von Schmerzen und sonstiger körperlicher Not, am besten auch Gleichgültigkeit über das eigene Hinscheiden. Da dies nur sehr wenige aufbringen, wird wohl auch das therapeutische Klonen in Kürze weltweit ebenso praktiziert werden wie seit wenigen Monaten bereits in Großbritannien. Ausgerechnet Deutschland hat vor etwa einem Jahr die einstimmige UN-Resolution gegen das reproduktive Klonen verhindert, da unser Land das Klonen insgesamt ächten wollte. Am 20. oder 21. Oktober gibt es noch einmal die Chance, wie die Briten sagen, eine sorgfältige Forschung von sogenannten „Klon-Cowboys“, also heimlichen Doktor Frankensteins, mit dem starken Arm der Uno zu trennen. Insgesamt gegen die Forschungs- und Fortschrittsfeindlichkeit angehen will das „Euroscience Open Forum“, das gerade erstmals in Stockholm stattgefunden hat. Hier schließt sich auch Deutschland nicht aus – solange die Forderungen nicht konkret werden, keine große Kunst. Bislang geht es noch schön allgemein um „Offenheit und Empathie“ sowie eine bessere, nämlich nicht bloß objektive, sondern zustimmende Berichterstattung über neue Techniken, vor allem im Bereich der Biologie. Schwedens Forschungsminister fordert: „Wir brauchen eine veränderte Einstellung gegenüber der Wissenschaft in Europa, bei der mehr auf die Chancen geschaut wird.“ Rund 1.500 Teilnehmer aus 67 Ländern trafen sich; das nächste Forum soll 2006 in München stattfinden. Von außen wirken solche Veranstaltungen noch immer diskret und seriös. Erst wenn Steine aufs Patentamt fliegen und Dackel mit Spritzen aufgespießt werden, sollten wir den Ansatz neu überdenken.