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Vergangenheit als Waffe mißbraucht

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Vergangenheit als Waffe mißbraucht

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Das Institut für Staatspolitik veranstaltete am 29. November sein 6. Berliner Kolleg zum Thema „Geschichtspolitik“. Als Referenten standen Karlheinz Weißmann, Hans-Joachim von Leesen und Stefan Scheil zur Verfügung. Im etwa 200 Zuhörern belegten Veranstaltungsraum begann zunächst der Historiker Karlheinz Weißmann mit seinem Vortrag über „Phrasen der Geschichtspolitik“. Er vertrat die Ansicht, daß die Vergangenheitspolitik seit den achtziger Jahren, eigentlich erst seit der Kanzlerschaft Helmut Kohls, mehr und mehr dahingehend instrumentalisiert würde, ihren zentralen Gegenstand in der NS-Zeit zu verorten, und zu einer „Ideologie der Phrasen“ verkommen sei. Dabei sei die öffentliche Beurteilung dieser Epoche bereits seit 1945 unstrittig. In den fünfziger Jahren galt das Dritte Reich als Teil der Nationalgeschichte, der Rest gleichsam als „Trost“. Zudem galt, so Weißmann, daß die Idee der Nation nicht als ein Grund für den Nationalsozialismus gesehen wurde. Ein positives Geschichtsbild wird dringend benötigt Die Veränderung dieser Sicht hin zur neuen Geschichtspolitik seit den sechziger Jahren führt er auf zwei Faktoren zurück. Zum einen den Mauerbau, der in der Bundesrepublik zu einem intellektuellen Treibhausklima führte, und zum zweiten den Generationenkonflikt, in welchem die NS-Vergangenheit als Waffe der Jungen gegen die Elterngeneration benutzt wurde. Damit verbunden setzte sich an den sogenannten Reformuniversitäten eine Umwertung des Geschichtsdenkens durch, die laut Weißmann Bauernkrieg statt Reformation, Münzer statt Luther, 1919 statt 1871 als Leitmotive deutscher Geschichte zu setzen trachtete. Dieses Denken habe sich aber erst ab 1980 durchgesetzt, wobei die Rede Richard von Weizsäckers am 8. Mai 1985 den Paradigmenwechsel einläutete. Dennoch sprach Weißmann vorsichtig optimistisch von der Aussicht auf Änderung der aktuellen Vergangenheitspolitik und zwar aufgrund der aktuellen zugespitzten Krise im ökonomischen und politischen System, in der es einer positiven Besetzung der Nationalgeschichte bedürfe, um Zustimmung zu den Reformen zu bekommen. Das anschließende Referat über „Geschichtspolitische Debatten um das ‚Zentrum gegen Vertreibung'“ wurde vom Publiziten Hans-Joachim von Leesen auf launige, teilweise auch polemische Art vorgetragen. Nach seinen Zählungen gebe es in Deutschland etwa 8.000 antifaschistische Gedenkstätten, von denen die Mehrzahl in den neuen Bundesländern zu finden sei, gleichzeitig würden aber, vor allem in den größeren Städten, Gedenkstätten an die Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkriegs mehr und mehr beseitigt. In Deutschland herrsche also keine „Denkmalsal-lergie“, sondern ein Vorbehalt gegen bestimmte Arten des Gedenkens. Geschichtspolitik und Gedächtniskultur würden, so von Leesen, durch die politische Klasse bestimmt, und somit seien nur Denkmäler und Gedächtnisstätten erwünscht, die im Sinne der offiziellen Gedächtnispolitik genehm seien. Unter dem Begriff der politischen Klasse versteht er die Politik, Medien und Intellektuelle, welche die öffentliche Meinung dominieren und damit auch Gedenkstätten fördern oder verhindern können. Der Widerstand gegen das geplante Zentrum gegen Vertreibung habe denn auch eher mit Ressentiments gegen die Vertriebenen zu tun: Die Deutschen dürften nicht als Opfer in der Geschichte vorkommen, sondern nur als Täter. Von einer Relativierung der Leiden, die ein Volk erlitten habe, so von Leesen, sei aber gar keine Rede, schließlich sei das politische Ziel des Zentrums, Vertreibung weltweit zu ächten, und darum würden auch sämtliche Vertreibungen der Geschichte dort behandelt werden. Seiner Ansicht nach sei die Stimmung gegen das Zentrum auf psychologische Kriegführung aus Polen und Tschechien zurückzuführen, welche die Vertriebenen als Revanchisten und Reaktionäre zu brandmarken suche, gemeinsam mit deutschen Politikern und Intellektuellen, die von Leesen als „Polenlobby“ bezeichnete. Nach deren Auffassung sei die Vertreibung der Deutschen die logische und zwingende Konsequenz des Zweiten Weltkriegs. Dementsprechend sei es auch richtig, daß die deutsche Geschichtspolitik vom Erinnern der eigenen Schuld bestimmt sei, während in Polen und Tschechien den Vertreibungen gegenüber das Schweigen und Vergessen vorherrsche. Nach von Leesens Meinung würde das Zentrum gegen Vertreibung dieses Vergessen aufbrechen und auch an die deutschen Opfer erinnern und somit in Deutschland wie im Ausland ein Umdenken in der offiziellen Geschichtspolitik bewirken. Gerade deshalb sei der Widerstand gegen diese Institution so groß und die tatsächliche Gründung tragischerweise fraglich. Wehrmachtsaustellung als Beitrag zum Historikerstreit Der abschließende Vortrag des Historikers Stefan Scheil beschäftigte sich mit der Geschichtspolitik, wie sie sich vor allem in den beiden Wehrmachtsausstellungen des Reemtsma-Instituts und ihren Zielen und Motiven artikuliert. Statt nach Verbrechen in der Wehrmacht zu fragen, betitelten die Ausstellungsmacher ihre Schau als Verbrechen der Wehrmacht und implizierten so schon ihren Anspruch, daß alle Angehörigen der Wehrmacht oder zumindest die Mehrheit der Soldaten Kriegsverbrecher seien. Laut Scheil ist somit die Pauschalisierung von vorneherein Bestandteil beider Ausstellungen. Dies beweise unter anderem die Aussage von Hannes Heer, einem der Ausstellungsmacher, demzufolge der Vernichtungskrieg aktiv in jeder Einheit durchgeführt wurde, zudem seien die Soldaten, die gegen Ende des Krieges eingezogen wurden, lediglich mangels Gelegenheit keine Verbrecher. Scheil zufolge jedoch wurde bei der wegen eklatanter wissenschaftlicher Mängel überarbeiteten Ausstellung lediglich die Stoßrichtung geändert, indem das Reemtsma-Institut nun darauf abzielte, nachzuweisen, daß die Führung der Wehrmacht geeint den Vernichtungskrieg befürwortete und somit die Wehrmacht eine Verbrecherarmee sei, obwohl selbst in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen die Richter nur individuelle Schuld in der Führung der Wehrmacht feststellten und eben keine Kollektivschuld. Scheil wertete somit die Ausstellung eher als Kommentar zum Historikerstreit denn als wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Rolle der Wehrmacht.

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