Sonderbeilagen zu zeitgeschichtlichen Themen unter Einbeziehung unserer Leser haben mittlerweile in der JUNGEN FREIHEIT eine Tradition. Schon öfter haben wir Sie, die Leser, dazu aufgefordert, als Zeitzeugen Ihre ganz persönlichen Erlebnisse zu schildern: Sei es zum 50. Jahrestag des 8. Mai 1945, zum 10. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 1989, zur Vertreibung oder zum alliierten Bombenkrieg gegen Deutschlands 1941-1945. Auch anläßlich des 50. Jahrestages des 17. Juni 1953 haben wir in den vergangenen Wochen wieder zur Mitwirkung aufgerufen und eine Zahl von sehr interessanten Einsendungen erhalten, die Sie in dieser Beilage finden. Erschwerend bei diesem Thema kam diesmal hinzu, daß die damaligen Ereignisse im Kern nur die rund 16 Millionen in der DDR lebenden Deutschen erfaßt hat, während die Masse der Westdeutschen und West-Berliner Zuschauer der revolutionären Ereignisse in Mitteldeutschland war. Entsprechend geringer konnte nur das Aufkommen an Einsendungen sein. Der 17. Juni 1953 ist ein unbequemes Datum. Er ist für jenen Teil der Linken ein peinliches Datum, die Hoffnungen in den „realexistierenden Sozialismus“ gesetzt haben oder die den Sowjetkommunismus für ein humanes Projekt gehalten haben. Nahezu genauso unangenehm ist die Erinnerung an den Volksaufstand für jenen Teil der westdeutschen Rechten, die die Westintegration der Bundesrepublik Deutschland für wichtiger erachteten als die Einheit Deutschlands, weil der 17. Juni das Projekt der Westbindung hätte zunichte machen können. So blieb der europäische Bürgerkriegsgraben, der Deutschland in zwei Teile riß, erhalten, die Spaltung wurde buchstäblich betoniert und die intellektuellen und politischen Eliten richteten sich mit der Teilung Deutschland als der letzten Antwort der deutschen Geschichte ein. Nicht so das Volk. Im unterbewußten Geiste des Aufstandes vom 17. Juni strömten die Massen im Oktober und November 1989 erneut auf die Straßen und Plätze – und jagten diesmal das sozialistische Besatzungsregime der DDR zum Teufel. Das Vermächtnis der Helden des 17. Juni 1953 gilt es zu wahren. Und dafür ist noch viel zu tun. Es müssen der Aufarbeitung des Nationalsozialismus gleichrangige Forschungsbemühungen erst noch einsetzen, die die Facetten dieses Ereignisses in seiner regionalgeschichtlichen Komplexität aufarbeiten. Ob es hierfür überhaupt einen politischen Willen gibt im Deutschland des Jahres 2003? Wir sollten uns dafür einsetzen und für eine würdige Erinnerung an diesen deutschen Aufstand kämpfen.