Im vergangenen Jahr haben der US-Kongreß und das Weiße Haus eine Kommission ins Leben gerufen, die herausfinden soll, ob sich nicht Werte, die Holocaust-Opfern gehört haben, nach Amerika verirrt haben. Zum Vorsitzenden dieser „Presidential Advisory Commission on Holocaust Assets“ wurde Edgar Bronfman berufen, der Präsident des Jüdischen Weltkongresses. Die politische Elite Amerikas meinte damit einer Pflichtübung nachzukommen: man habe in den letzten Jahren zahlreiche Länder wegen Bereicherung am Vermögen der Opfer an den Pranger gestellt, man wolle ein Beispiel der Selbstläuterung statuieren, zumal, meinte man, der Atlantik breit ist, Europa weit weg und was könnte die Kommission schon in God’s own country finden. Am vergangenen Donnerstag veröffentlichte eine Studienkommission unter Leitung des stellvertretenden amerikanischen Finanzministers, Stuart Eizenstat, einen Zwischenbericht, der am nächsten Tag die Titelseiten aller großer US-Zeitungen beherrschte. Die Kommission nahm sich nämlich eines schon zur Legende gewordenen Falles an – des „ungarischen Goldzuges“. Im Spätherbst 1944, als die Sowjetarmee, aus Siebenbürgen kommend, schon die Grenze zu Ungarn überschritten hatte, ergriff Adolf Eichmann in Budapest Schutzmaßnahmen. Er setzte mehrere Züge in Richtung Westen in Bewegung: sie sollten die neutrale Schweiz erreichen. In einem der Züge waren die Goldreserven der ungarischen Nationalbank verstaut, in einem anderen die Gemälde und Skulpturen aus dem ungarischen Nationalmuseum. Diese beiden Züge wurden nach Kriegsende nach Ungarn zurück dirigiert. Ein dritter Zug enthielt Wertobjekte mehrerer hunderttausend ungarischer Juden, die deportiert wurden. Es ging dabei um Kunstwerke, Tafelsilber, Porzellan, Teppiche, Juwelen, Rohdiamanten, Kristallobjekte, Münz- und Briefmarkensammlungen, neben Barrengold waren sogar zwei Mappen voller Goldstaub dabei, zahllose Uhren und Fotoapparate. US-Generale teilten sich die Beute aus 24 Waggons Der Zug kam nie in der Schweiz an. Am 16. Mai 1945 – wenige Tage nach Kriegsende – entdeckten amerikanische Soldaten den Zug in einem Tunnel beim Dorf Werfen versteckt. Es waren 24 versiegelte Waggons (zwei wurden schon früher von französischen Soldaten geplündert). Der Inhalt der 24 Waggons wurde in ein Armeedepot in Salzburg gebracht. Da Inventare erstellt wurden, konnte die ungarische Regierung eine Wertschätzung erstellen: der Schatz im „Goldzug“ sei 204 Millionen US-Dollar wert gewesen – zu Preisen von 1945. Nimmt man den Umrechnungskurs zur Grundlage, die der WJC den Schweizer Banken aufgezwungen hat, würde dies über den Daumen gepeilt heute zwei Milliarden US-Dollar bedeuten. Ein Teil der Güter wurde nach Deutschland geschickt und jüdischen Organisationen zugeteilt, die sie dann versteigerten, um zu Geld zu kommen, das dann zur Verpflegung der vielen „displaced persons“ verwendet wurde. 1.181 Gemälde wurden später von den US-Behörden dem österreichischen Staat „zu treuen Händen“ übergeben, zumal Österreich damals noch als Verbündeter galt. Und ein erheblicher Teil geriet in die Hände amerikanischer Generäle, die ihre Hauptquartiere in Villen und Schlössern der österreichischen Aristokratie aufschlugen. Als erster griff der Kommandeur der US-Truppen in Westösterreich und Stadtkommandant von Salzburg, Generalmajor Harry J. Collins, zu. Er erließ einen Requisitionsbefehl, in dem er für seine Residenz und seinen persönlichen Eisenbahnwaggon Kristall und Porzellanservice für 45 Personen bestellte, 30 Sätze Tafelleinen, 12 silberne Kerzenleuchter, 13 Orientteppiche, 60 Badetücher. Und der gierige Mann fügte hinzu, alles sollte von feinster Qualität und höchster handwerklicher Wertarbeit sein. Vier andere Generäle, die sich aus dem Vorrat geraubter Güter bedient hatten, werden im Bericht mit ihren Familiennamen erwähnt: Hume, Luade, Howard und Linden. Was nach dem Abzug der Amerikaner aus Österreich mit den Wertsachen geschah, konnte bisher nicht ermittelt werden, aber man kann davon ausgehen, daß die Kommission weiter forschen wird. Dafür sorgt schon ihr Vorsitzender, der nicht zuletzt wegen seiner Verbissenheit berühmt geworden ist. Was übriggeblieben ist, wurde über die Läden der Armeeverwaltung abgesetzt oder einfach gestohlen. Die Existenz des „Goldzuges“ war seit Jahren bekannt, ihm wurden sogar Bücher gewidmet. Der Autor eines dieser Bücher, Kenneth D. Alford, zitiert einen Hauptmann Howard A. MacKenzie, der zu dem Schicksal des Goldzuges lediglich die Bemerkung hinzufügte, „der einzige Unterschied zwischen Deutschen und Amerikanern in Bezug auf das Plündern bestand darin, daß die Deutschen über die geplünderten Bestände rigoros Protokoll führten, während bei den Amerikanern unkontrolliertes freies Unternehmen waltete“. Zwischen der US-Regierung und dem kommunistischen Regime in Ungarn kam es zu einer jahrelangen juristischen Auseinandersetzung, wobei ausschlaggebend blieb, daß die kommunistische Regierung keine Werte in die Hand bekomme. Dabei bedienten sich die amerikanischen Dienststellen meist des Arguments, eine Restitution sei deshalb nicht möglich, weil die Inhaber der einzelnen Stücke nicht mehr ausfindig zu machen seien. Schon am Tag nach der Veröffentlichung meldete sich die jüdische Gemeinde in Budapest zu Wort und forderte Restitution oder Wiedergutmachung. Auch die Kommission empfiehlt der amerikanischen Regierung die Zahlung von Schadenersatz. Es wird mit Sicherheit noch zu leidenschaftlichen Auseinandersetzungen kommen, und man wird noch viel über den ungarischen Goldzug hören. Rolle der US-Army muß kritisch überprüft werden Vielleicht wird der aufsehenerregende Vorgang den US-Medien zur Lehre dienen und sie werden – angesichts der unrühmlichen Rolle der US Army in diesem Fall – zukünftig weniger mit dem Finger auf andere zeigen. Mög-licherweise werden sie das Sprichwort verinnerlichen: „Wer im Glashaus sitzt, soll keine Steine werfen.“ Ivan Denes war von 1972 bis 1981 Archivar und Redakteur im Axel Springer Verlag. Heute leitet er in Berlin die West-Ost-Nachrichtenagentur (WONA).