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Prügel Dich frei!

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Die Dunkelheit ist das bestimmende Stilelement in den Filmen von David Fincher. Die Dunkelheit birgt das Andere, Unvorhergesehene und Schreckliche. Es sind dunkle Hausflure und Hinterhöfe, in denen der von religiösem Wahn zerfressene Killer in „Sieben“ lauert. Und es sind dunkle und stinkende Keller, in denen Tyler Durden (Brad Pitt) die Weltanschauung von Jack und seiner rasch wachsenden Anhängerschar umkrempelt. Die Diagnose, die David Finchers neuester Film „Fight Club“ dem Gegenwartsmenschen stellt, lautet Schizophrenie. Für den Rezensenten der Welt, Hanns-Georg Rodek, brachte „Fight Club“ die Erkenntnis, daß das von Fincher dargestellte Amerika reif ist für einen faschistoiden Führer, und Gunter Göckenjan ist in der Berliner Zeitung der Ansicht, daß „Fight Club“ eine „mögliche Wendung zum Faschismus“ zeigt. Was also nun hat es auf sich mit „Fight Club“? Das Gerüst, um das herum der Film aufgebaut ist, ist die ausdruckslose Stimme des Erzählers Jack (Edward Norton). Jack ist ein gutverdienendes und wohlsituiertes Opfer des amerikanischen Alptraums, der unter chronischer Schlaflosigkeit leidet. Seine tiefgefühlte und ausweglose Daseinsödnis vermag Jack nur noch mit einer Art Leidenstourismus als Teilnehmer einer Vielzahl von Selbsthilfegruppen von den Anonymen Alkoholikern bis zu den Todgeweihten in den Krebsgruppen zu bekämpfen. Nicht daß Jack ein Voyeur wäre, der sich am Leid der Opfer weidet, nein, Jack will „loslassen“ und zusammen mit den Unglücklichen weinen. Alles in Jacks Leben ändert sich, als er den Seifenvertreter Tyler Durden kennenlernt. Tyler Durden ist ein radikaler Narr, der der Leistungsgesellschaft den Mittelfinger zeigt. Als Kellner im Nobelhotel pinkelt er in die Suppe, und seine Seife ist aus Fett hergestellt, daß sich Frauen in Schönheitskliniken haben absaugen lassen und das Tyler bei nächtlichen Ausflügen stiehlt. Tylers Geschenk an Jack sind Gewalt und Schmerz und die damit wiedergewonnene Selbsterfahrung. In den Kellern läßt Tyler Durden jeweils zwei Männer gegeneinander boxen, solange, bis Blut fließt. „Wir sind die Zweitgeborenen der Geschichte“, predigt Tyler Durden seiner Anhängerschaft, „Männer ohne Zweck. Wir haben keinen großen Krieg. Wir haben keine große Depression. Unser großer Krieg ist ein spiritueller. Unsere große Depression ist unser Leben.“ Den Zweikampf erleben die Männer, „Abfallprodukte der Lifestyle-Obsession unserer Zeit“ wie Tyler Durden formuliert, als rauschhafte Wendung ins Antizivilisatorische, endlich werden sie körperlich gefordert und erfahren, wieviel sie leisten und aushalten können. Tyler Durdens „Faschismus“ ist gewalttätig und durch und durch anarchisch. Tyler Durden will keinen Staat und keine Ordnung. Er will verletzen, damit die Leute wieder merken, daß sie lebendig sind, aber er will nicht töten. Er überbringt als moderner Zarathustra den Zivilisationsgeschädigten die Lehre von der Zurückdrängung des Ichs zur Gewinnung des Selbst. Tyler Durden sagt: „Alles was du hast, hat irgendwann dich“ oder „Erst nachdem wir alles verloren haben, haben wir die Freiheit alles zu tun“, und seine Anhänger sollen die Fähigkeit erlangen „alles was ohne Bedeutung ist, weggleiten zu lassen“. Diese Sätze hätte er aus buddhistischen Schriften oder von Julius Evola nehmen können. Das Ultimatum, daß er den Menschen stellt, lautet: „Werde Du selbst“. Am deutlichsten wird das in einer Szene, in der Tyler Durden einem asiatischen Lebensmittelhändler eine Pistole an den Kopf hält und ihm droht ihn sechs Wochen später zu erschießen, wenn er nicht mit seinem bisherigen Leben bricht und sich seinen Traum erfüllt, Tiermedizin zu studieren. Der verängstigte Mann läuft zitternd in die Nacht hinaus, Durden dreht sich lächelnd zu Jack um und sagt: „Morgen wird der großartigste Tag in seinem Leben sein“. Der Charismatiker Tyler Durden tritt eine Revolution los, die „Fight Clubs“ werden zu einem Geheimbund, der sich über das ganze Land verbreitet. In den amerikanischen Städten bilden sich autonome Ableger, die mit dem „Projekt Chaos“ durch gezielte Sabotage ohne Gefährdung von Menschenleben schließlich das politische System der Vereinigten Staaten gefährden. Die verrückteste Wendung nimmt der Film dann schließlich eine Viertelstunde vor Schluß: Tyler Durden gibt es nicht. Er existiert nur im Kopf von Jack. Jack ist schizophren und Tyler Durden sein zweites Ich. Der Spaßguerillero und boxende Philosoph Tyler Durden ist die Projektion aller Wünsche und Sehnsüchte von Jack. Der Ausbruch aus seinem trostlosen Büroleben gelingt Jack nur, wenn er in den langen Phasen seiner schizophrenen Anfälle nicht bei sich, sondern ein Anderer ist. Und der Erfolg der „Fight Clubs“ erklärt sich aus der Schizophrenie der Gesellschaft, in der Jack lebt und in der alle den Kotau vor den suggerierten Konsumzwängen vollziehen, sich im Innersten dabei aber hundeelend fühlen und das zermürbende Gefühl der Nutzlosigkeit und Fremdbestimmung durch Kampf und Schmerz überwinden. Erst die schizophrene Erfindung Tyler Durden bringt den Männern Amerikas in „Fight Club“ die erlösende Botschaft, daß sie mehr als ihr Job, mehr als der Inhalt ihrer Brieftasche und mehr als die Markenklamotten von Calvin Klein und Tommy Hilfiger sind, die sie tragen. Hanns-Georg Rodek hat „Fight Club“ als den wichtigsten Film der neunziger Jahre bezeichnet. Auf jeden Fall läßt er den Zuschauer mit einer Reihe von Fragen zurück: Sind Männer unglücklich, wenn ihnen alle elementaren Herausforderungen genommen werden? Machen uns Markendebilität und Konsumzwänge irre? Können wir im digitalen Nirvana der modernen Kommunikations- und Informationstechnik die Rechte an uns selbst nur bewahren, indem wir uns selbst zerstören? David Fincher kündigt in „Fight Club“ den Konsens auf, daß Gewalt keine Lösung sei, und vielleicht wird der Film deshalb als faschistoid empfunden. Für die Medienschatten und viel zuvielen Überflüssigen, die die Wohlstandsgesellschaft produziert, ist Gewalt sehr wohl eine Lösung. Wenn sie mit ausgeschlagenen Zähnen auf dem Betonboden eines schmutzigen Kellers liegen, können sie sich doch wenigstens einmal spüren. In „Sieben“ wurde die Gewalt durch einen perversen serial killer personifiziert. In „Fight Club“ trägt sie das Gesicht von Brad Pitt. Und wenn Tyler Durden ein Faschist ist, dann ist er der coolste und lockerste Faschist aller Zeiten. Die Botschaft von David Finchers Film ist, daß wir, selbst wenn wir es wollten, nicht nur konsumierende Fellachen sein können. Wenn wir unsere Aggressionen immer nur verdrängen, werden sie uns von außen anfallen.“Fight Club“ deutet auf Bezüge, die Amokläufe und exzessive Gewaltausbrüche verstehbarer machen als lange Abhandlungen von Soziologen und Psychologen.

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