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Karl Albrecht Schachtschneider: Ein Bekenner mit Mut zum Grundsätzlichen

Karl Albrecht Schachtschneider: Ein Bekenner mit Mut zum Grundsätzlichen

Karl Albrecht Schachtschneider: Ein Bekenner mit Mut zum Grundsätzlichen

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Karl Albrecht Schachtschneider
 

Ein Bekenner mit Mut zum Grundsätzlichen

Am Sonntag begeht der Staatsrechtslehrer Karl Albrecht Schachtschneider, Kläger gegen die Verträge von Maastricht und Lissabon, seinen 70. Geburtstag.
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Karl Albrecht Schachtschneider: Freiheit und sittliche Bestimmung des Einzelnen Foto: privat

Der Typus des Professors, der zugleich Confessor (Bekenner) ist, ist heute selten. Karl Albrecht Schachtschneider erfüllt ihn in geradezu idealtypischer Weise. Einer breiten Öffentlichkeit ist er durch seine wichtigen Verfassungsbeschwerden bekannt. Größte Berühmtheit erreichten aus guten Gründen die  Klagen gegen den Euro.

Auch die Urteile zum Maastricht-Vertrag und zum Lissabon-Vertrag verdanken sich wesentlich seinen Klagen. Neben Joachim Starbatty, Wilhelm Hankel und Wilhelm Nölling gehört er zu jener vielberufenen „Viererbande“, die jüngst wieder in der Griechenlandkrise mit einer Verfassungsbeschwerde und einem Eilantrag dem politischen Irrwitz einer Milliardenhilfe Einhalt zu gebieten suchte.

Es ist gut, daß es Geister wie Schachtschneider gibt, die sich nicht mit tristen Befunden der „Alternativlosigkeit“ abgeben. Schon arbeitet er mit der ihm eigenen Energie, Gründlichkeit und Tiefe an einer grundsätzlichen Schrift zur Religionsfreiheit und der Reichweite eines „Bekenntnisses“. Dies ist mit Blick auf die Rolle des Islam von größter Aktualität und zugleich von grundlegender Bedeutung.

Materialisierung republikanischer Freiheit

Dieses Engagement sollte freilich, so wichtig es ist, nicht nur angesichts der konkreten brennenden Fragen, sondern auch vor dem tieferen denkerischen Horizont gewürdigt werden, der dabei für Schachtschneider immer leitend ist.  

Es geht aus einem umfassenden Begriff des freiheitlichen Rechtsstaates und aus einer Kantianischen Philosophie der Freiheit hervor, die Schachtschneider unter anderem in seinem monumentalen Buch „Res publica res populi“ grundgelegt hat und die in dem eindrucksvollen Werk „Freiheit in der Republik“ (2007) eine umfassende Neugestaltung findet.

Schachtschneider zeigt damit sowohl den Mut wie auch die Fähigkeit zum Grundsätzlichen. Er legt eine fulminante Kritik der liberalistischen Freiheitslehre vor. Grundrechte dürfen gerade nicht als lediglich den Staat eindämmende Abwehrrechte mißverstanden werden. Sie sind vielmehr Materialisierungen republikanischer Freiheit.

Gängige Klischees und Schlagworte unterlaufen

Schachtschneider besteht darauf, daß empirische Befunde die Normativität freiheitlicher Staatslehre nicht trüben dürfen. Hinter Kant wird man bei dem auch klassisch umfassend Gebildeten die Platonische Idee der Gerechtigkeit als Realisierung des Guten selbst erkennen können. Platons Lehre, daß in der Polis immer nach dem besten Urbild zu sehen ist, auch wenn wir nur das mögliche Beste verwirklichen können, ist für Schachtschneiders Normativitätsdenken ebenso maßgeblich wie der Kantianismus. Die demokratische Republik verdient eben deshalb in jedem Fall den Vorrang vor anderen möglichen Ordnungsformen, da sich in ihr die Freiheit und sittliche Bestimmung des Einzelnen bestmöglich verwirklichen können.

Schachtschneider zeigt auch, daß jedwede Herrschaftsdoktrin republik- und demokratiewidrig ist.  Im Zentrum seines Rechtsdenkens steht das Republikprinzip, das in demokratischer Form realisiert sein muß. Mit striktester Klarheit, in stupender Kenntnis unterläuft Schachtschneider gängige Klischees und Schlagworte. Seine Vorträge sind gleichermaßen fulminante rhetorische Feuerwerke und differenzierte Argumentationen. Er begreift die Rechtslehre als angewandte praktische Philosophie.

Schachtschneiders Weg begann in Berlin. Altsprachlich gebildet, legte er dort beide juristischen Staatsexamina ab. Die Promotion erfolgte 1969 mit einer Dissertation über den Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht bei Bund-Länder-Streitigkeiten. Die Habilitation folgte 1986 in Hamburg mit einer grundlegenden „Kritik der Fiskustheorie“. Das Odium des glänzenden Juristen hätte eine glänzende Zukunft diesseits der akademischen Sphäre versprochen. Doch Schachtschneider entschied sich für die wissenschaftliche Laufbahn. Von 1969 bis 1980 war er in Berlin als Rechtsanwalt tätig, daneben als Professor an der Fachhochschule für Wirtschaft.

Eindrucksvolle Pflichterfüllung

Nach Jahren als auch politisch streitbarer Professor in Hamburg übernahm er 1989 den Lehrstuhl für Öffentliches Recht an der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg, an der er seine Lehrtätigkeit bis heute fortsetzt. Seine Lehr- und Forschungstätigkeit umfaßt Öffentliches Recht, Europarecht, Wirtschafts- und Sozialrecht, mit einem besonderen Akzent auf dem Staatsrecht.

Der Kantianismus ist bei Schachtschneider nicht nur Denk-, sondern zugleich Lebensform: Er begreift das Amt des Lehrers des Öffentlichen Rechtes als eine Verpflichtung für das Gemeinwesen. Diese Pflichterfüllung ist eindrucksvoll – und selten, zumal in Verbindung mit der Liebenswürdigkeit und geistigen Brillanz.

Es ist kaum zu glauben, daß dieser hochvitale Gelehrte in besten deutschen Universitätstraditionen am Sonntag sein 70. Lebensjahr vollendet. Karl Albrecht Schachtschneider hat sich um eine freiheitliche Republik wie kaum ein zweiter verdient gemacht. Seine Arbeiten sind wegweisend – für die Rechtswissenschaft ebenso wie für die praktische philosophische Orientierung.

JF 28/10

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