Anzeige
Anzeige

In den USA: Klagen, Krisen, Katastrophen – So läuft der Rechtsstreit von Bayer

In den USA: Klagen, Krisen, Katastrophen – So läuft der Rechtsstreit von Bayer

In den USA: Klagen, Krisen, Katastrophen – So läuft der Rechtsstreit von Bayer

Das Bild zeigt Protest-Schilder gegen Bayer und gegen vermeintliche Ackergifte.
Das Bild zeigt Protest-Schilder gegen Bayer und gegen vermeintliche Ackergifte.
Ein Protest gegen Bayer und vermeintliche Ackergifte: Der Konzern steht vor einer ungewissen Zukunft. Foto: picture alliance / SvenSimon | Malte Ossowski/SVEN SIMON
In den USA
 

Klagen, Krisen, Katastrophen – So läuft der Rechtsstreit von Bayer

Der Bayer-Konzern kämpft finanziell mit den Folgen der Glyphosat-Klagen. Dazu kommt die enorm teure und bisher wenig lukrative Übernahme von Monsanto. Wie will der Konzern nun weitermachen?
Anzeige

Die chemisch-pharmazeutischen Exporte aus Deutschland in die USA summierten sich voriges Jahr auf 38,1 Milliarden Euro. Aber Donald Trumps „Vergeltungszölle“, die auch Pharmaprodukte betreffen könnten, sind nur ausgesetzt. „Eine Eskalationsspirale würde den Schaden nur vergrößern“, warnte Wolfgang Große Entrup, Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI). „Brüssel muß im engen Dialog mit Washington bleiben.“ Doch der Zollstreit ist nicht die größte Sorge seines früheren Arbeitgebers – es ist eine 2016 verkündete und 66 Milliarden Dollar schwere Bayer-Übernahme in den USA: Monsanto.

Denn der in Missouri beheimatete und global aktive Chemie- und Saatgut-Konzern hatte „Leichen im Keller“. Die teuerste Altlast ist das seit einem halben Jahrhundert unter dem Namen „Roundup“ eingesetzte Breitbandherbizid Glyphosat. Bislang gab Bayer nahezu zehn Milliarden Dollar für die Beilegung der Roundup-Klagen aus. Und es kommen möglicherweise zwei Milliarden Dollar an Strafschadenersatz und 65 Millionen an Schadenersatz hinzu: Am 21. März fällte die Jury im Fall Barnes am State Court of Cobb County ein entsprechendes Urteil. Dabei hatte Bayer im republikanischen Georgia eine Woche einen Hoffnungsschimmer gesehen, da ein Gesetz – basierend auf dem positiven Votum der US-Umweltbehörde EPA – verabschiedet wurde, das Glyphosat-Klagen in Georgia praktisch ausschließt.

Bayer gibt sich kämpferisch

Bayer wird natürlich im Fall Barnes Berufung einlegen. Und am 4. April, als Trump seinen großen „Zollhammer“ schwang, teile Bayer mit, daß seine Tochter Monsanto die Überprüfung des Roundup-Falls Durnell beim obersten US-Gericht, dem Supreme Court in Washington, beantragt hat. Das Urteil beruhe „ausschließlich auf der Annahme, daß das Gesetz im US-Bundesstaat Missouri eine Krebswarnung bei Glyphosat vorschreibe. Das ist aber genau die Warnung, die die EPA ablehnt“, argumentiert Bayer. Die Klage stehe „im Widerspruch zu dem Produktlabel, das die EPA auf Basis von Bundesrecht genehmigt hat“. Die Bewertung auf Basis von US-Bundesrecht habe Vorrang.

Doch die Gegenseite investiert Millionen, um ihre Argumente in die Öffentlichkeit zu bringen und um den „Law Firms“ neue Mandanten zuzuführen. Die Zahl der Klagen stieg von anfänglich 4.000 auf 181.000 Fälle. Die Monsanto-Übernahme sei „eines der schlechtesten Unternehmensgeschäfte der jüngeren Vergangenheit“, konstatierte das Wall Street Journal. Und für den mit 35 Milliarden Euro verschuldeten Bayer-Konzern ist das so gefährlich, daß sowohl Verkäufe von Firmenteilen und eine Kapitalerhöhung ins Auge gefaßt werden – trotz des abgestürzten Aktienkurses. Sogar Staatshilfen werden nicht mehr ausgeschlossen.

Aber ist Roundup wirklich ein Krebsauslöser und ein „Gift“, das verboten gehört, wie die NGOs BUND und Greenpeace in einer Petition von 2024 behaupten? Glyphosat blockiert ein Enzym, welches Pflanzen, Pilze und Mikroorganismen zur Synthese lebenswichtiger Aminosäuren brauchen und kann damit als Totalherbizid nahezu alle Kräuter und Gräser auf den behandelten Flächen vernichten. Laut dem Umweltbundesamt (UBA) sinke nicht nur die Zahl der Pflanzen auf den Glyphosat-behandelten Flächen, auch allen an Ackerlebensräume gebundenen Arten wie Insekten und Feldvögeln würde großflächig die Lebensgrundlage entzogen.

Studien stoßen auf Kritik

Andererseits hat Glyphosat eine kürzere Lebensdauer und eine niedrigere Toxizität als andere Unkrautvernichter. 1974 kam Roundup auf den Markt, und seit den 1990er Jahren wurde das Mittel in Verbindung mit gentechnisch veränderten Pflanzen landwirtschaftlich genutzt. Da die Glyphosat-Patente im Jahr 2000 abgelaufen sind, produzieren inzwischen Dutzende Chemiefirmen – vor allem in China – diesen Wirkstoff.

Doch 2005 wurde von Sophie Richard (Université de Caen Normandie) und vier Kollegen eine französische Laborstudie veröffentlicht, die ein toxisches Potential nahelegten. Die Studie wurde daraufhin unter anderem vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) als unrealistisch kritisiert. Eine weitere Studie von Nora Benachour and Gilles-Eric Séralini (sie waren schon bei der Richard-Studie dabei) ergab 2009 neue Hinweise auf Gesundheitsgefahren. Doch auch diese Studie wurde in Frage gestellt. Die argentinische Studie von Andrés Carrasco und Kollegen (Chemical Research in Toxicology 10/2009) zeigte, daß hochdosierte Glyphosat-Herbizide bei Amphibien Mißbildungen hervorrufen können. Aufgrund der unrealistischen Annahmen wären aber mit derselben Methode Fehlbildungen auch durch Koffein festgestellt worden.

Wegen einer möglichen Wiederzulassung in der EU finanzierte Monsanto von 2013 bis 2015 etliche Übersichtsarbeiten, die ergaben, daß unter normalen Expositionsbedingungen keine Hinweise auf krebserregende Effekte in Zusammenhang mit Glyphosat-Anwendungen zu finden waren. Die Internationale Agentur für Krebsforschung (IARC) der WHO in Lyon blieb bei ihrer Kritik.

Interessenskonflikt bei den Gutachtern?

Ende 2017 wurde die Glyphosat-Zulassung in der EU für fünf Jahre und 2023 sogar bis 2033 verlängert. Denn die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), das BfR sowie schweizerische, kanadische und japanische Behörden halten Glyphosat in Nahrungsmitteln nicht für krebserregend. Und laut der EPA wiesen die von der IARC zitierten negativen Studien entscheidende Mängel auf und konnten nicht reproduziert werden. Einer der externen IARC-Gutachter war der US-Statistiker Christopher Portier, dem vorgeworfen wurde, „lukrative Beraterverträge“ von amerikanischen Anwaltskanzleien angenommen zu haben.

Das kalifornische Amt für die Beurteilung von Umwelt- und Gesundheitsgefahren (OEHHA) setzte Glyphosat 2017 dennoch auf die Liste jener Chemikalien, die potentiell krebserregend sind. Zuvor hatte Monsanto einen Rechtsstreit gegen die OEHHA verloren. Zwei Jahre später widerrief die EPA als übergeordnete Behörde allerdings die kalifornische Vorgabe über eine Kennzeichnungspflicht. Es sei „verantwortungslos, unkorrekte Etikettierungen zu verlangen“, argumentierte die EPA. Es folgten weitere Gutachten, Gegengutachten und Studien – einen eindeutigen Beleg für oder gegen eine mögliche Gesundheitsgefährdung durch das global verwendete Herbizid gibt es nicht.

Daher ist der Ausgang der Roundup-Klagen ungewiß – gerade gegenüber einem seit 2018 „rein“ deutschen Unternehmen. Selbst der US-Konzern Johnson & Johnson (J&J) mußte vor zwei Wochen im Streit um die Krebsgefahr eines Babypuders eine Niederlage hinnehmen: Das Insolvenzgericht in Houston entschied, daß die „Auslagerung“ der Schadenersatzfälle in einen neuen Unternehmensteil, der gezielt in die Insolvenz geschickt werde, nicht anerkenne – obwohl J&J zehn Milliarden Dollar zur Beilegung der 60.000 Schadenersatz-Klagen angeboten hatte. Das haten auch die Leverkusener überlegt. Vielleicht befindet sich Bayer deshalb sogar schon im Endspiel.

Aus der JF-Ausgabe 17/25.

Ein Protest gegen Bayer und vermeintliche Ackergifte: Der Konzern steht vor einer ungewissen Zukunft. Foto: picture alliance / SvenSimon | Malte Ossowski/SVEN SIMON
Anzeige
Anzeige

Der nächste Beitrag