BERLIN. Die deutsche Industrie hat binnen eines Jahres über 100.000 Arbeitsplätze abgebaut – davon allein rund 45.400 in der Autoindustrie. Das geht aus einer aktuellen Analyse der Beratungsgesellschaft EY hervor, die sich auf Zahlen des Statistischen Bundesamts stützt.
Demnach sank die Zahl der Beschäftigten im Verarbeitenden Gewerbe bis Ende März auf 5,46 Millionen – ein Rückgang um 1,8 Prozent im Jahresvergleich.
Besonders hart getroffen ist die Automobilbranche: Innerhalb eines Jahres gingen dort knapp sechs Prozent der Stellen verloren, die Beschäftigtenzahl fiel auf 734.000. Auch Metall- und Textilindustrie verzeichneten deutliche Einbrüche. Kaum betroffen waren hingegen Chemie- und Pharmabranche.
Hohe Energiepreise kosten der Industrie Jobs
Seit dem Jahr 2019 summiert sich der Arbeitsplatzabbau in der Industrie auf 217.000 Stellen – ein Minus von 3,8 Prozent. Die Ursachen sind vielfältig: hohe Energie- und Personalkosten, schwache Nachfrage in Europa, aggressive Konkurrenz aus China und Unsicherheit auf dem US-Markt. Gleichzeitig belasten Strukturwandel und überbordende Bürokratie den Standort zusätzlich.
„Die Unternehmen stehen gewaltig unter Druck“, warnt EY-Manager Jan Brorhilker. Er rechnet mit weiteren 70.000 verlorenen Industrie-Arbeitsplätzen bis Jahresende. Besonders Maschinen- und Fahrzeugbau seien betroffen. Der Umsatz der Industrie sei zuletzt weiter leicht gesunken.
Trotz dieser Entwicklung sieht EY keine flächendeckende Deindustrialisierung. Im langfristigen Vergleich liegt die Industrie-Beschäftigung laut Statistikamt noch leicht über dem Niveau von 2014. Dennoch wächst die Kritik am Kurs der Bundesregierung.
Rückgrat Deutschlands Wirtschaft geht verloren
Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, fordert entschlossenes politisches Handeln: „Wettbewerbsfähigkeit und Standortattraktivität müssen Leitmotiv der neuen Bundesregierung sein.“ Wo investiert werde, hänge maßgeblich von diesen Faktoren ab – und damit auch, wo künftig noch Arbeitsplätze entstehen.
Eine wirtschaftspolitische Kehrtwende sei überfällig. Nur mit niedrigeren Kosten, weniger Regulierung und einer Stärkung der Binnenkonjunktur könne Deutschland seine industrielle Substanz bewahren. Andernfalls drohe der schleichende Verlust dessen, was einst als „Rückgrat der deutschen Wirtschaft“ galt. (rr)