Mit der Einführung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) im Januar 2023 wurden deutsche Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern verpflichtet, die Einhaltung von Arbeits- und Umweltschutzstandards in ihren Lieferketten umfassend zu überwachen. Seit Anfang dieses Jahres gilt die Verpflichtung nun auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten.
Das Gesetz ist verbunden mit Dokumentationsanforderungen und verpflichtet Unternehmen, nicht nur ihre eigenen Geschäftspraktiken, sondern auch die ihrer Zulieferer genauestens zu überprüfen. Dazu müssen Unternehmen strikte Vorgaben befolgen.
Laut Paragraph 3 des LkSG müssen Unternehmen ein Risikomanagement einrichten, betriebsinterne Zuständigkeiten festlegen, regelmäßige Risikoanalysen durchführen, eine Grundsatzerklärung einreichen und ein Beschwerdeverfahren einrichten. Dazu kommt die Verankerung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich.
Kanzlei kritisiert Gesetz
Hinzu kommt, daß der gesetzliche Rahmen, der definiert, was als Verstoß gegen die strengen Vorgaben gilt, oft Interpretationsspielraum läßt und dadurch für Unsicherheiten bei den Unternehmen sorgt. Der Unterschied zwischen objektiven und subjektiven Verboten ist im Gesetz nicht klar festgelegt. Dazu zählen laut Handelsblatt arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren, die Mißachtung der Koalitionsfreiheit von Arbeitnehmern und die ungleiche Behandlung von Beschäftigten, die von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich ausgelegt werden.
Die Wirtschaftskanzlei Graf von Westphalen wirft dem Gesetz Uneindeutigkeiten vor. „Es bedarf einer Klärung, was als menschenrechtliches Risiko und was als Verletzung von Rechtsgütern berichtspflichtig ist“, zitiert das Handelsblatt die Kanzlei.
Angaben von Verstößen unterscheiden sich stark
Auch die enorm unterschiedliche Anzahl von gemeldeten Verstößen von Dax-Unternehmen dokumentierte die Kanzlei. So meldete Adidas im vergangenen Jahr 207 Vorfälle, während Zalando, Europas größter Online-Modehändler, lediglich vier Verstöße in seiner Lieferkette angab. Besonders auffällig ist, daß bei 13 der 20 untersuchten Dax-Unternehmen, darunter auch Siemens, überhaupt gar keine Vorfälle gemeldet wurden.
Ein Anwalt von Graf von Westphalen, Lothar Harings, bezieht gegenüber dem Handelsblatt Stellung: „Der Vergleich zeigt vor allem, daß die Unternehmen bei ihren Berichten völlig unterschiedliche Maßstäbe anlegen. Die Anzahl der berichteten Risiken sagt nicht zwangsläufig etwas über die Situation der Menschenrechte in der Lieferkette eines Unternehmens aus.“
Nun kommt auch noch die Sorgfaltspflicht
Parallel zum LkSG hat auch die EU eine Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht von Lieferketten (CSDDD) beschlossen, die ähnlich strikte Ziele verfolgt und europäische Unternehmen ebenfalls vor Herausforderungen stellt. Der Anwendungsbereich der CSDDD ist noch tiefgreifender als der des LkSG. Die CSDDD fordert in Bezug auf die Achtung der Menschenrechte und des Umweltschutzes eine Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette, während sich das LkSG hauptsächlich auf direkte Zulieferer konzentriert
Die im Juli beschlossene Regelung fällt im Vergleich zum deutschen LkSG jedoch in Bezug auf die Umsetzungsfristen weniger streng aus. So treten die Vorschriften der CSDDD erst 2027 in Kraft und gelten zunächst nur für Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mindestens 1,5 Milliarden Euro. Zu diesen zählen beispielsweise große Dax-Konzerne wie Volkswagen, BASF, die Deutsche Post oder Siemens.
LkSG gewährt keine Übergangsfristen
Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von über 900 Millionen Euro haben bis 2028 Zeit, die Vorgaben umzusetzen. Für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von mindestens 450 Millionen Euro – zu denen vor allem kleine und mittelständische Firmen wie Zulieferer der Automobilindustrie zählen – wird die Richtlinie erst ab 2029 verpflichtend.
Aus deutscher Perspektive wird der Bürokratie-Wahnsinn entlang der Lieferkette jedoch wohl nahtlos fortgesetzt werden. Anders als bei der EU-Richtlinie werden beim LkSG aktuell keine Übergangsfristen gewährt. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kündigte zwar an, die deutschen Vorgaben bis zum Inkrafttreten der EU-Regeln auszusetzen und der CSDDD anzupassen, eine entsprechende Verordnung blieb allerdings bisher aus. Das LkSG bleibt also vorerst aktiv.
CDU: Unternehmen sind doppelt belastet
Brisant ist das Ganze vor allem vor dem Hintergrund einer möglichen Doppelbelastung für Unternehmen in Deutschland, wenn das Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz (LkSG) nicht rechtzeitig angepaßt werden sollte und gleichzeitig die neue EU-Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht (CSDDD) in Kraft tritt. Wenn das LkSG weiterhin aktiv bleibt, könnten Unternehmen in Zukunft gezwungen sein, sowohl die Anforderungen des LkSG als auch die der CSDDD zu erfüllen.
Die CDU/CSU-Fraktion hat bereits einen Gesetzentwurf zur sofortigen Abschaffung des LkSG vorgelegt. Ihr Hauptargument: Die umfangreichen Berichtspflichten seien für Unternehmen, gerade angesichts der internationalen Krisen, kaum zu bewältigen. Zudem sehe die Union auch die geplante EU-Richtlinie zur unternehmerischen Sorgfaltspflicht (CSDDD) kritisch.
Auch die AfD verurteilt das LkSG scharf und plädiert für eine grundlegende Überprüfung oder gar die komplette Abschaffung. Das Gesetz schaffe aus ihrer Sicht nicht nur zusätzliche Bürokratie, sondern untergrabe auch die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen.