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Private Altersvorsorge: Rentenreform der Ampel: Aus Riestern wird Lindnern

Private Altersvorsorge: Rentenreform der Ampel: Aus Riestern wird Lindnern

Private Altersvorsorge: Rentenreform der Ampel: Aus Riestern wird Lindnern

Bundesfinanzminister Christian Lindner erklärt Schülern, wie Rentenvorsorge funktioniert (Themenbild)
Bundesfinanzminister Christian Lindner erklärt Schülern, wie Rentenvorsorge funktioniert (Themenbild)
Du wirst in ETFs investieren und du wirst glücklich sein: Bundesfinanzminister Christian Lindner erklärt Schülern, wie Rentenvorsorge funktioniert. Foto: picture alliance/dpa | Michael Kappeler
Private Altersvorsorge
 

Rentenreform der Ampel: Aus Riestern wird Lindnern

Lieber nicht investieren als falsch: Die Rentenreform der Ampel sollte ein Schritt in die richtige Richtung werden – doch Bürokratie und komplizierte Regelungen plagen die Pläne. Von Ulrich van Suntum.
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Wallasch, Medien, Gesicht

Die Ankündigung klang vielversprechend: „Wir werden das bisherige System der privaten Altersvorsorge grundlegend reformieren“, hieß es im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung. Zumindest teilweise hat sie das jetzt eingehalten: Die maßgeblich von Finanzminister Christian Lindner vorangetriebene Reform der privaten Altersvorsorge soll 2026 in Kraft treten und erntet Anerkennung von allen Seiten. Sogar Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und sonst eher kein Freund des Liberalen, findet lobende Worte. Die Reform enthalte „viele richtige Elemente“, schrieb er in seinem Blog. Auch aus dem Sachverständigenrat kam Zustimmung.

In der Tat hat die vor gut zwanzig Jahren installierte „Riester-Rente“ die Erwartungen nicht erfüllt. Bis zu 2.100 Euro pro Jahr konnten danach prämienbegünstigt gespart werden, zusätzlich gab es Extra-Geld für jedes Kind und Steuervergünstigungen. Damit sollte die private Altersvorsorge gestärkt werden, die aber auch 2020 lediglich sieben Prozent zu den Alterseinkünften der Deutschen beitrug. Die wichtigste Quelle der Altersbezüge ist nach wie vor mit 60 Prozent die gesetzliche Rentenversicherung, gefolgt von Pensionen und Betriebsrenten.

Die schlechte Rentabilität liegt an den hohen Kosten

Alle diese Quellen leiden jedoch unter massiven Finanzierungsproblemen. Daher gilt es in der Politik als ausgemacht, daß die private Vorsorge als „Dritte Säule“ gestärkt werden muß. Immerhin knapp 16 Millionen Riester-Verträge gab es 2022. Allerdings ist ihre Zahl seit 2018 leicht rückläufig. Das liegt zum einen daran, daß sich viele Leute die Einzahlungen einfach nicht mehr leisten können oder wollen. Die Inflation, namentlich die extrem hohen Energiepreise, und die immer weiter steigenden Abgabenlasten fordern eben ihren Tribut.

Die Entwicklung der Riester-Rentenverträge seit Beginn im Jahr 2001: Seit Jahren rückläufig. Grafik: picture alliance/dpa/dpa Grafik | dpa-infografik GmbH

Zum anderen haben sich die Verträge aber auch in vielen Fällen als nicht wirklich lohnend herausgestellt. Im Durchschnitt ist dabei eine Zusatzrente von gerade einmal 132 Euro im Monat herausgekommen, die auch noch nachgelagert versteuert werden muß. Die schlechte Rentabilität liegt vor allem an den hohen Kosten, welche mitunter mehr als ein Drittel der Einzahlungen aufzehrten. Aber auch die Anbieter von Riester-Produkten, hauptsächlich Versicherungen und Wertpapier-Fonds, haben sich inzwischen zunehmend aus dem Geschäft zurückgezogen.

All dies rief förmlich nach einer neuen Reform. Diese folgt weitgehend den Empfehlungen einer dafür 2023 eigens eingesetzten Kommission, der „Fokusgruppe private Altersvorsorge“. Ihr gehörten neben den beteiligten Ministerien und Verbänden auch Wissenschaftler an. Im Juli legte sie ihren Abschlußbericht vor. Künftig soll nun die Förderung der privaten Altersvorsorge wesentlich flexibler, einfacher zu verstehen und auch großzügiger sein.

Auch die Renten-Förderung wird verändert

In erster Linie sind jetzt auch höher rentierliche, wenngleich riskantere Produkte als Anlageform zugelassen, zum Beispiel sogenannte Exchange Traded Funds (ETF). Das sind börsengehandelte Wertpapierdepots, die eine feste Zusammensetzung haben und etwa dem Dax oder einem anderen Wertpapier-Index nachgebildet sind. Erfahrungsgemäß schneiden sie bei der Rendite nicht schlechter ab als gemanagte Fonds. Bei diesen variieren hochbezahlte Anlagestrategen ständig die Mischung des Wertpapierbestandes, was langfristig kaum etwas bringt, aber hohe Kosten verursacht. Wer will, kann aber auch künftig das Risiko minimieren und für eine garantierte Auszahlungssumme zu Rentenbeginn optieren.

Zur Auswahl steht dabei eine Absicherung von entweder 80 oder 100 Prozent, jeweils bezogen auf die insgesamt eingezahlten Beiträge. Allerdings ist auch das nur von begrenztem Wert, wenn man die Geldentwertung berücksichtigt. Schon bei einer Inflationsrate von nur zwei Prozent jährlich schmilzt nämlich die Kaufkraft innerhalb von 35 Jahren um die Hälfte des ursprünglichen Wertes. 

Auch die staatliche Förderung wird verändert. Anstelle fester Pauschbeträge gibt es künftig eine Grundförderung von 20 Prozent für jeden gesparten Euro, bis zu einem Höchstsparbetrag von 3.000 Euro pro Person und Jahr. Zusätzlich kommen noch einmal 25 Cent pro gesparten Euro für jedes Kind hinzu, maximal 300 Euro pro Kind. Für Geringverdiener und junge Leute in der Berufsausbildung gibt es weitere Bonuszahlungen. Förderungsfähig sind nur Anlagen in speziell zertifizierten Finanzprodukten, die prinzipiell bis zum Eintritt ins Rentenalter gehalten werden müssen.

Lieber ohne Zuschüsse und komplizierte Regularien

Man kann sie aber auch zwischenzeitlich gegen andere austauschen oder von einem bestehenden Riester-Vertrag in die neue Förderform wechseln. Penibel geregelt sind außerdem die Mindestbeträge, die man anlegen muß, und der förderberechtigte Personenkreis. Selbständige etwa gehören nach wie vor nicht dazu. Viel einfacher als bisher ist das System also nicht geworden, zumindest ist der Beratungsbedarf mit entsprechenden Kosten nach wie vor hoch.

Aber auch die grundsätzlichen Probleme dieser Art von Altersvorsorge sind die gleichen wie bisher: Die Geringverdiener nehmen sie erfahrungsgemäß kaum in Anspruch, schon weil sie kaum freie Mittel haben. Sofern sie später Grundrente beziehen, werden ihnen die Riester-Erträge zudem teilweise darauf angerechnet. Die Besserverdiener wiederum würden meist auch so für ihr Alter vorsorgen, nehmen die Förderung aber natürlich gerne als Zubrot mit. Vielleicht hätte man deshalb besser Nägel mit Köpfen machen und das gesamte Rentensystem auf eine andere Basis stellen sollen, etwa nach dem Vorbild der Niederlande.

In dem dortigen „Cappuccino-Modell“ erhält nämlich jeder Bürger eine gleich hohe Grundrente in Höhe von 70 Prozent des Nettomindestlohns, egal ob er bedürftig ist oder nicht. Im Jahr 2021 waren das rund 1.200 Euro bzw. 1.650 Euro (je 50 Prozent des Nettomindestlohns) für Ehepaare. Wer im Alter mehr haben will, kann dies durch Betriebsrenten oder beliebige private Vorsorge sicherstellen, was die meisten auch tun. Ganz wichtig: Die Erträge kommen ihnen dann auch voll zugute, weil sie nicht auf die Grundrente angerechnet werden. Entsprechend hoch ist der Anreiz für private Vorsorge, auch ohne staatliche Zuschüsse und komplizierte Regularien.

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Prof. Dr. Ulrich van Suntum lehrte bis 2020 VWL an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.

Aus der JF-Ausgabe 44/24. 

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