BERLIN. Etwa vier von zehn Industrie-Unternehmen überlegen derzeit, ihre Produktion in Deutschland zu beschränken oder das Land komplett zu verlassen. Vor allem die hohen Energiepreise lassen Unternehmensleiter zweifeln, wie eine Umfrage der Deutschen Industrie und Handelskammer (DIHK) bei rund 3.300 Unternehmen ergab.
„Das Vertrauen der deutschen Wirtschaft in die Energiepolitik ist stark beschädigt“, sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Achim Dercks. Es sei der Politik „bisher nicht gelungen, den Unternehmen eine Perspektive für eine zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung aufzuzeigen“.
Besonders ausgeprägt sind solche Überlegungen im Industriesektor wie dem Maschinenbau. Insgesamt 37 Prozent der Industriebetriebe überlegen, Produktion ins Ausland zu verlegen. Überdurchschnittlich ist diese Tendenz bei Industriebetrieben mit hohen Stromkosten – hier sind es 45 Prozent.
Die Zuversicht in den Standort Deutschland schwindet um sieben Prozentpunkte
Insgesamt überlegen 18 Prozent aller Firmen auszuwandern. Im vergangenen Jahr waren es 17 Prozent, 2022 lediglich elf Prozent. Demnach schwand die Zuversicht deutscher Firmen in ihren Standort in den vergangenen zwei Jahren um sieben Prozentpunkte.
Auf die Frage „Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der Energiewende auf die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Unternehmens?“, die Unternehmer auf einer Zahlenskala von -100 für „sehr negativ“ bis +100 für „sehr positiv“ beantworteten, antworteten Firmenleiter aus dem Industriesektor mit einem Durchschnittswert von minus 34.
Damit handelt es sich um den zweitschlechtesten Wert in der Geschichte des 2012 gestarteten Barometers. Nur im vergangenen Jahr lag der Wert mit minus 36 noch schlechter.
Unternehmen sehen „deutlich mehr Risiken als Chancen“
Branchenübergreifend ergibt sich ein vergleichbar schlechtes Bild. Zählt man die Bewertungen verschiedener Branchen wie Industrie, Baugewerbe, Handel und Dienstleistung zusammen, ergibt sich insgesamt eine Bewertung von minus 20. Nur im Jahr 2023 war der Gesamtwert mit minus 27 noch schlechter.
„Die Betriebe erkennen weiterhin deutlich mehr Risiken als Chancen für die eigene Wettbewerbsfähigkeit“, betonte Dercks. In den „bisherigen energiepolitischen Maßnahmen der Bundesregierung“ sehen die Unternehmer „keine Grundlage für eine Entwarnung“. Sollte die Ampel-Regierung nicht gegensteuern, könne sie „irgendwann der Deindustrialisierung unseres Landes nur noch zusehen“.
Viele Unternehmen beklagten zudem ein Übermaß an Bürokratie und einen Mangel an Planbarkeit. „Die Unternehmen sehen sich mit Vorgaben konfrontiert, die in der Praxis viel Zeit und damit Ressourcen kosten und dann für Transformation und Innovation fehlen“, erläutert der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer. Viele Unternehmer erwarteten von der Politik eine „weitere Senkung der Steuern und Abgaben“ sowie eine „verläßliche Perspektive mit weniger Detailsteuerung“. (lb)