WIESBADEN. Haushalte über alle Einkommensklassen hinweg haben 2020 mehr für Strom, Heizung und Warmwasser ausgeben müssen als im Jahr davor. Durchschnittlich wendeten sie monatlich 152 Euro auf, was einem Anteil an ihren Konsumausgaben von 6,1 Prozent (150 Euro) entspricht, teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag in Wiesbaden mit. 2019 waren es 5,8 Prozent.
Gemessen an ihrem Haushaltseinkommen gaben die Angehörigen der niedrigsten Einkommensklasse von bis zu 1.300 Euro Nettoeinkommen am meisten für Wohnenergie aus. Bei ihnen betrug der Anteil 9,5 Prozent. Im Vergleich zu 2021 stiegen die Verbraucherpreise 2020 jedoch noch moderat. Entsprechend dürfte der Anteil der Energiekosten in der Statistik für 2021 nochmal steigen.
Wie das Statistikamt vor kurzem mitgeteilt hatte, verdoppelten sich etwa die Heizölpreise von November 2020 bis November 2021. Auch die Preise für Erdgas (plus 9,6 Prozent) und Strom (plus 3,1 Prozent)erhöhten sich. Teils waren die Steigerungen der niedrigen Preise in den ersten Monaten der Corona-Krise geschuldet, teils aber auch den Steuererhöhungen und den Folgen der sogenannten Energiewende.
EZB deutet Zinswende an
Die steigenden Energiepreise könnten die Europäische Zentralbank (EZB) dazu veranlassen, ihre bisherige Geldpolitik zu überdenken. Laut EZB-Direktorin Isabel Schnabel führe die Wende hin zu erneuerbaren Energiequellen möglicherweise mittelfristig zu höherer Inflation. „Die Geldpolitik kann es sich nicht leisten, über Energiepreissteigerungen hinwegzusehen, wenn diese ein Risiko für die mittelfristige Preisstabilität darstellen.“
Die Inflation im Euroraum war im Dezember auf ein neues Rekordhoch gestiegen. Dienstleistungen und Waren kosteten in dem Monat durchschnittlich fünf Prozent mehr als ein Jahr zuvor, was den höchsten Wert seit Beginn der Statistik 1997 bedeutet. Hatten die Währungshüter zunächst betont, bei der aktuellen Inflation handle es sich lediglich um ein kurzzeitiges Phänomen, waren zuletzt die Stimmen lauter geworden, die vor einer länger anhaltenden Teuerung warnten.
Ökonomen verwundert
Der Volkswirt Thomas Mayer zeigte sich daraufhin verwundert. „Noch vor ein paar Wochen behauptete Frau Schnabel, die Inflation sei eher zu niedrig, als zu hoch – jetzt rudert sie zurück.“ Schnabel habe offenbar kalte Füße bekommen, vermutete Mayer in der Bild-Zeitung. „Anders ist ihre 180-Grad-Wende nicht nachzuvollziehen. Es ist merkwürdig, daß die EZB die steigenden Energiepreise offenbar erst jetzt als große Inflationsgefahr erkennt, denn sie steigen ja bereits seit vielen Monaten.“
Im Gegensatz zu anderen Notenbanken hat die EZB bislang nichts gegen die Inflation unternommen. Der Leitzins ist weiterhin bei null Prozent. Es sei voreilig gewesen, „daß sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde gegen eine erste Zinsanhebung im Laufe dieses Jahres ausgesprochen hat“, kritisierte der Wirtschaftsweise Volker Wieland gegenüber dem Blatt. „In den USA hat man für das laufende Jahr bereits eine starke Leitzinserhöhung in Aussicht gestellt, um die Inflation zu bekämpfen. Diese Tür hätte sich die EZB auch offenhalten sollen.“ (ls)