Der stärker werdende Einfluß der grünen Ideologie greift vom Energiebereich auf andere Wirtschaftsbereiche über. Maßgeblich flankiert von der inzwischen ebenfalls grün tickenden Europäischen Kommission läuft nach der Energie- und Verkehrswende eine Finanzwende an. Nur noch Unternehmen, die die sogenannten ESG-Kriterien einhalten, sollen noch Kredite bekommen beziehungsweise werden in Investmentfonds aufgenommen.
ESG steht für Umwelt (Environment), Soziales (Social) und gute Unternehmensführung (Governance). Durch diese Kriterien, die demnächst von der EU in Form einer sogenannten Taxonomie verbindlich gemacht werden sollen, droht die deutsche Rüstungswirtschaft von Bankverbindungen, Finanzierungen und von Versicherungen ausgeschlossen zu werden. Betroffen ist eine Branche mit einer Bruttowertschöpfung von 12,2 Milliarden Euro und 135.700 Beschäftigten.
Die ESG-Kriterien wirken bereits vor ihrer offiziellen Einführung. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV), Hans Christoph Atzpodien, berichtet, besonders mittelständische Firmen seiner Branche bekämen keine Bankgarantien mehr: „Mindestens ein Drittel der Unternehmen hat bereits negative Erfahrung gemacht.“ Die Landesbank Baden-Württemberg will Rüstungsexporte auch dann nicht mehr finanzieren, wenn das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle die Ausfuhr genehmigt hat. Ähnlich verhält sich die Bayerische Landesbank, die zum Teil dem CSU-regierten Freistaat Bayern gehört.
Bundesregierung unterstützt Tendenz
Für die Rüstungsbranche ist die Sabotage durch gerade diese beiden Banken eine Katastrophe, denn viele Rüstungsunternehmen haben ihren Sitz in Baden-Württemberg und Bayern und verlieren somit ihre über Jahrzehnte bewährten Finanzbeziehungen. Negative Erfahrungen machen auch die Großen der Branche, die an den Börsen notiert sind. So sind Aktien von deutschen Herstellern wie Airbus, Rheinmetall und Hensoldt in grünen Fonds nicht mehr willkommen.
Dies gilt auch für Anleihen, mit denen sich die Firmen im großen Umfang Kapital besorgen. ESG-Kriterien verschiedener Fonds und eigens erstellte grüne Indices (Grundlage für die immer beliebter werdenden ETF-Fonds) sehen vor, Unternehmen nicht mehr aufzunehmen, wenn sie mehr als fünf Prozent ihres Umsatzes mit Rüstungsgütern machen.
Von der ebenfalls auf der grünen Welle reitenden Bundesregierung wird dieses Verhalten noch unterstützt. Schon die alte unionsgeführte Regierung gab eine sogenannte grüne Bundesanleihe heraus, in deren Rahmenwerk es heißt: „Weiterhin werden Ausgaben, die in einem wesentlichen Zusammenhang mit den folgenden Tätigkeiten oder Sektoren stehen, nach diesem Rahmenwerk nicht als grün anerkannt: Rüstung, Verteidigung, Tabak, Alkohol, Glücksspiel.“ Es ist davon auszugehen, daß die neue Bundesregierung mit grüner Beteiligung diesen Kurs eher noch verschärfen wird.
Atzpodien spricht von einer pauschalen Ächtung des Verfassungsguts Verteidigung als nicht nachhaltig und appelliert: „In der Sache kann es keinem Zweifel unterliegen, daß Nachhaltigkeitswerte – wie der Zugang zu Wasser, Nahrung und Bildung – nur dann denkbar sind, wenn Frieden und innere Sicherheit nicht bedroht oder gefährdet sind. Dazu bedarf es einer starken Verteidigungs- und Abschreckungsfähigkeit nach außen wie eines starken Gewaltmonopols nach innen.“ Nach Ansicht von als Atzpodien ist es „zwingend“, daß Aktivitäten für Frieden und Sicherheit, also Verteidigung, auf die positive Seite der Sozial-Taxonomie der EU-Kommission gehören.
Grüne Finanz-Lobbyisten
In der EU-Kommission gibt es einen offenen Widerspruch zwischen Reden und Handeln. Während Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer „State of the Union“-Rede 2021 forderte, in der EU mehr für Sicherheit und eine verstärkte gemeinsame Rüstung zu tun, strebt die Kommission mit ihrer Taxonomie und den ESG-Kriterien genau das Gegenteil an. In der öffentlichen Debatte spielte bisher aber nur eine Rolle, ob französische Atomkraftwerke nachhaltig im Sinne der Taxonomie sind oder nicht. Die Rüstungsbranche ist kein Thema.
Atzpodien erkennt in den europäischen Gesellschaften und in Deutschland die Neigung, die elementaren Grundlagen der Friedenserhaltung in Form von Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit zu verdrängen. Dies gelte besonders, wenn es um grüne Werte gehe. Allerdings wirkt die Hoffnung der Rüstungslobby, Regierung und Verteidigungsindustrie müßten im Dialog mit der Finanzbranche gemeinsam nur die Bedeutung der Industrie für die Sicherheit von Einsatzkräften und Gesellschaft betonen, und dann werde es wieder Kontoverbindungen, Kredite und Versicherungen zu fairen Konditionen gegeben, recht naiv.
Denn die politische Wirklichkeit in Berlin sieht nicht nach Dialog aus. Eine der Schlüsselfiguren der Finanzwende ist der ehemalige Grünen-Abgeordnete Gerhard Schick. Der frühere Finanzpolitiker gründete die Bürgerbewegung Finanzwende und ist inzwischen der größte und einflußreichste Lobbyist für grüne Geldanlagen in Berlin. Emsig suchen Schick und seine Leute in den Angeboten der Finanzindustrie nach Investments, die gegen die ESG-Kriterien verstoßen.
Besonders im Blick sind natürlich die Rüstungs-, Tabak-, Öl- und Kohlewirtschaft. In einer kürzlich vorgenommenen Untersuchung von 314 verschiedenen Fonds mit einem Volumen von etwa 100 Milliarden Euro, die sich mit dem Etikett grün schmücken, wurden Investitionen von 1,9 Milliarden Euro in Öl- und Gas-Aktien entdeckt, darunter sogar Investitionen in den russischen Gaskonzern Gazprom. Gefunden wurden zudem Investitionen in Kohle-Unternehmen wie Rio Tinto.
Amerikanische Konkurrenz wird sich freuen
Auch die Autos mit Verbrennermotor produzierende Industrie ist weiterhin ein Investitionsschwerpunkt sogenannter grüner Anlagen. „Das große Versprechen vieler grüner Fonds, mit der Geldanlage gleichzeitig Gutes für Mensch und Umwelt zu tun, ist kaum mehr als Grünfärberei“, so die Bürgerbewegung Finanzwende, die von „Greenwashing“ spricht. Die Bürgerbewegung Finanzwende wird durch die Regierungsbeteiligung der Grünen massiv an Einfluß gewinnen und eine Position in Berlin erreichen, die zum Beispiel mit dem mächtigen Energiewende-Thinktank „Agora“ zu vergleichen ist.
Natürlich versuchen auch deutsche Rüstungsunternehmen, auf der grünen Welle mitzureiten. Beinahe lustig wirkt die Angabe eines Radar-Herstellers, seine Technik könne auch zum Eisbärenschutz in der Arktis eingesetzt werden. Und Rheinmetall hat angekündigt, bis 2035 klimaneutral arbeiten zu wollen.
Doch wenn die Unternehmen sich nicht mehr günstig refinanzieren können, ihre Hausbanken verlieren und keinen Versicherungsschutz mehr bekommen beziehungsweise diesen Schutz im Ausland teuer einkaufen müssen, schwindet die Wettbewerbsfähigkeit der früher weltweit begehrten deutschen Rüstungsprodukte. Besonders die amerikanische Konkurrenz dürfte erfreut darüber sein, wie sich ein früher starker Wettbewerber selbst aus dem Markt schießt.