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Marc Jongen, ESN Fraktion

Ein vergessenes Wahlkampfthema

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Fast alle Parteien, die zur Bundestagswahl antreten, versprechen in ihren Wahlprogrammen, etwas für die Umwelt tun zu wollen. Aber erst, wenn es wieder Arbeit gibt und die Wirtschaft wieder wächst. Oder alternative Energieträger den Karren aus dem Dreck ziehen. Bis dahin will man es sich nicht mit den ökologisch Interessierten verderben – gleichzeitig aber nichts unternehmen, was als „Jobkiller“ gelten könnte. Entsprechend halbherzig formuliert sind die meisten Aussagen. Die Kanzlerpartei SPD stellt ihre Umweltpolitik so dar, als hätte sie gerade erst das Thema entdeckt: Sie will Anreize schaffen, „damit der Umweltschutz Schritt für Schritt in alle Politikbereiche integriert wird“. Stellt sich die Frage, warum das nach sieben Regierungsjahren noch nicht erfolgt ist. Das SPD-Programm ist gespickt mit Beteuerungen wie: „Die Sicherung von Arbeitsplätzen und verantwortliche Umweltpolitik sind für uns keine Gegensätze.“ Sogar ein „Nationales Naturerbe“ und ein Umweltgesetzbuch will die SPD schaffen. Es bleibt der Phantasie des Wahlvolks überlassen, zu glauben, daß diesmal den Worten Taten folgen. Klar ist nur das Nein zur Atomkraft und das Ja zur heimischen Kohle. Ökosteuer, Gentechnik und Dosenpfand kommen im SPD-Programm nicht vor. Auch das nach der Elbeflut 2002 erfolgte Bekenntnis zum Stopp des weiteren Flußausbaus ist abhanden gekommen. Die Grünen scheinen mit ihren umweltpolitischen Erfolgen der vergangenen Jahre recht zufrieden zu sein. Genüßlich reklamiert der kleine Koalitionspartner im Wahlprogramm Fortschritte beim Verbraucherschutz und bei den erneuerbaren Energien allein für sich. Bis 2012 wollen die Grünen die Kohlesubventionen abbauen. Bis 2020 sollen jeweils ein Viertel des Strom-, Wärme-, Kraftstoff- und Rohstoffbedarfs aus erneuerbaren Quellen kommen – wie, wird nicht verraten. Die Autos sollen sparsamer fahren – jedoch ohne daß an der Preisschraube gedreht wird: Eine Erhöhung der Mineralölsteuer sei „nicht sinnvoll“. Fliegen jedoch soll teurer, Bahnfahren hingegen billiger werden. Beim Atomausstieg soll es bleiben. Den Ausbau von Elbe, Havel und Donau „zu Wasserautobahnen“ lehnen die Grünen ab – dabei gehört die Binnenschiffahrt zu den energiesparsamsten Transportmitteln. Gegen „Verabsolutierung einzelner Umweltbelange“ Die CDU und CSU haben in ihrem „Regierungsprogramm“ zum Thema Umwelt hingegen wenig zu sagen. 15 Mal taucht der Begriff auf den 47 Seiten auf, und er wird wiederholt im negativen Sinn benutzt. So wirft die Union Rot-Grün vor, unter ihnen habe sich „eine Verabsolutierung und Idealisierung einzelner Umweltbelange breit gemacht“, die „technologischen Fortschritt und Ansiedlung von Industrie und Arbeitsplätzen verhindert“. Umweltschutz als Ursache für ökonomische Probleme? Das ist allenfalls ein kleiner Teil der Wahrheit. CDU und CSU wollen „die Eigenverantwortung der Wirtschaft und der Bürger im Umweltschutz“ stärken. Dem Staat bleibt dennoch etwas zu tun: Den „verheerenden“ Ausstieg aus der Atomkraft wieder rückgängig zu machen – was angesichts steigender Preise bei Öl und Gas populär klingt. Zum Risiko von Terroranschlägen auf Atomanlagen oder der problematischen Endlagerung von Atomabfällen schweigt die Union. Die FDP hat überraschenderweise zum Umweltthema mehr zu sagen als ihr Wunschkoalitionspartner: „Freiheit in zerstörter Umwelt – eine solche Freiheit führt sich selbst ad absurdum.“ Doch statt des Staats soll der Markt mittels Preis und Haftungsrecht die Natur bewahren. Ge- oder Verbote werden als „Gängelung“ abgelehnt. Als einzige Bundestagspartei sagen die Liberalen klar Ja zur Gentechnik und zur Forschung an embryonalen Stammzellen. Die Atomkraft ist für die Liberalen eine Option, die (erneut) überprüft werden soll. Ein „Wasserstraßenausbaugesetz“ soll – ungeachtet der EU-Vorgaben – den Ausbau von Flüssen ermöglichen. Die Linkspartei sieht im Gegensatz zu den bürgerlichen Parteien das Erreichen von Umweltzielen als primär staatliche Aufgabe. Im Mittelpunkt ihrer Vorstellungen steht ein öffentliches Investitionsprogramm in „soziale und ökologische Projekte“, das gleichzeitig auch Arbeitsplätze schafft. Wie das finanziert werden soll, wird nicht verraten. Dafür wird Revolutionäres versprochen: „Wir wollen Eigentums- und Machtstrukturen schrittweise verändern, die einem ökologischen Wandel entgegenstehen.“ Der komplette Ausstieg aus der Atomenergie soll „kurzfristig“ erfolgen – daß das höhere Strompreise zur Folge hätte, wird den Wählern aber vorenthalten. Noch staatsinterventionistischer als die Ex-PDS ist die NPD, die unter anderem eine „wirksam arbeitende Naturschutzpolizei“ fordert. Eine „Naturschutzabgabe“ soll Importprodukte verteuern, weil deutsche Firmen unter strengeren Vorschriften produzieren müßten. Der öffentliche Personenverkehr soll statt des Individualverkehrs – ähnlich wie bei Grünen und Linkspartei – staatlich gefördert werden. Das Kontrastprogramm hierzu liefert die Offensive D (Ex-Schill-Partei), die alles ausbauen will: Straßen, Schienen- und Wasserwege sowie Transrapidstrecken. Die Autobahnen sollen „beschleunigt mehrspurig ausgebaut“ werden. Die Republikaner widmen in ihrem äußerst kurzen Zehn-Punkte-Programm Natur und Umwelt keine einzige Zeile. Die Partei bibeltreuer Christen (PBC) spricht sich immerhin für die Geothermie, aber auch klar für die Atomkraft aus. Der Bundestagswahlkampf 2005 scheint die These zu bestätigen, daß Umweltschutz ein Thema für „Wohlstandsgesellschaften“ ist, das in Krisenzeiten leicht an den Rand gedrängt wird.

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