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Auch Herr Kaiser muß jetzt zittern

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Auch Herr Kaiser muß jetzt zittern

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Cato, Palmer, Exklusiv

Wer sich eingehend mit dem allgemein unter dem Kürzel „Hartz IV“ bekannten „Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ beschäftigt, kommt nicht umhin, bei den durchaus erkennbaren positiven Absichten der Reformen sowie den Sparzwängen in den öffentlichen Etats eine kritische Bilanz dieser Umgestaltungen aufzustellen. Fällt bei der derzeitigen Diskussion das Hauptaugenmerk zunächst auf die verunsicherten Arbeitslosen und Sozialhilfeempfänger, so offenbaren sich auf den zweiten Blick auch zahllose Ungereimtheiten für nur indirekt Betroffene. In diesem Kontext spielt aber auch das aktuelle Phänomen des „Angstsparens“ eine wichtige Rolle, welches die rezessionsbedingt schwache Binnennachfrage zusätzlich belastet. Konzentrieren sich diese Gelder vornehmlich auf die Älteren – geprägt durch die Not der Nachkriegszeit sowie konservativere Erziehung und Wertevorstellungen -, wächst das Bewußtsein für die Notwendigkeit von Rücklagen inzwischen jedoch auch bei den jüngeren Generationen. Gerade der Aspekt der Altersvorsorge, in jahrelanger Aufklärungsarbeit durch Politik, Presse und Finanzbranche vermittelt, steht hierbei im Fokus. Einen wesentlichen Beitrag hierzu leistete die Einführung der „Riesterrente“ – der staatlichen Förderung privater Altersvorsorge als „Ausgleich“ zu den Einschnitten in der gesetzlichen Rente. Und eben jene zerbrechliche Sensibilisierung für die Dringlichkeit des Sparens wird nun faktisch wieder ad absurdum geführt, da die Bevölkerung im Rahmen der Hartz-Gesetze bezüglich der Anlagesicherheit massiv verunsichert wird. Wer viel gespart oder als zeitweise Selbständiger nur privat vorgesorgt hat und länger als ein Jahr arbeitslos ist, der ist nun der Dumme. Er muß – bis auf ein kleines Zubrot ab 65 – zunächst alles aufbrauchen. Erst dann gibt es Unterstützung – selbst Krankenversicherung muß davon selbst bezahlt werden. Wer sein Einkommen immer vollständig konsumiert (oder ins Ausland verbracht) hat, bekommt hingegen sofort die volle „Stütze“, denn er ist ja „bedürftig“. Bisherige Sozialhilfeempfänger, die unter Umständen bislang nie (offiziell) gearbeitet haben und nun das höhere Arbeitslosengeld II erhalten, stehen dank Hartz IV sogar besser da als je zuvor. Empfänger von Arbeitslosengeld II dürfen pro Lebensjahr nur 200 Euro für ihre Vermögensbildung zurückgelegt haben; die Höchstgrenze liegt bei 13.000 Euro. Zusätzlich billigt der Gesetzgeber weitere 200 Euro jährlich zu, die ausschließlich der Altersvorsorge vorbehalten sind (Riesterrente oder ähnliches) – das sind im Schnitt gerade 100 Euro Altersrente. Altersarmut (und spätere Bedürftigkeit) ist damit vorprogrammiert. Die Regelungen bedeuten im einzelnen: – Renten- und Lebensversicherungen müssen, sofern die Freibeträge überschritten sind, aufgelöst („rückgekauft“) und zum Lebensunterhalt verbraucht werden. Verträge, die Einbußen von mehr als zehn Prozent der eingezahlten Beiträge hätten, sind (vorerst) davon ausgenommen. Ob dies auch für Policen zutrifft, die zur Rückzahlung („Tilgungsaussetzung“) einer laufenden Baufinanzierung dienen, ist unklar. – Mit Guthaben aus Bankkonten und Bausparverträgen wird analog verfahren, jedoch können Bausparer nach mehr als einem Jahr Arbeitslosigkeit zumindest die staatliche Förderung behalten. Immerhin besteht bei Bausparkonten auch die Möglichkeit einer Teilung, so daß nicht der komplette Vertrag gekündigt werden muß. Auch diese Anlageform wird oft zur Tilgung von Hypotheken genutzt. – Vorsorge ab 4.100 Euro pro Kind wird auch dem Familienvermögen angerechnet. – Ausbildungsversicherungen für Kinder werden zum Vermögen der Familie hinzugerechnet, da die Eltern meist auch Versicherungsnehmer sind. Das Versprechen von SPD-Fraktionschef Franz Müntefering, „Ausbildungsversicherungen sollte man nicht anrechnen“, hat bislang keine Gesetzeskraft. – Eigengenutzte Immobilien dürfen, sofern sie „angemessene“ (bislang nicht definierte) Werte und Wohnflächen nicht überschreiten, im Besitz verbleiben. Wer bislang aus beruflichen oder familiären Gründen nicht dort wohnen kann, ist der Dumme – diese Altersvorsorge ist „aufzubrauchen“. Angesichts dieser teils labyrinthischen, äußerst auslegungsfähigen Regelungen (es droht viel Arbeit für die Sozialgerichte), die zusätzlich zur allgemeinen Verunsicherung Betroffene und auch (noch) Nichtbetroffene verwirren, schadet das daraus hervorgehende politische Klima nicht nur der Versicherungswirtschaft. So wird der anstehende Urlaub verschoben, der fällige Möbel- oder Neuwagenkauf auf Eis gelegt. Diese Konsumzurückhaltung entzieht den auch eingeschüchterten Investoren in der Wirtschaft weiter den kargen Nährboden und blockiert die Schaffung von neuen Arbeitsplätzen. Betont gelassen geben sich angesichts der konfusen Ausblicke hingegen die Finanzdienstleister – zumindest offiziell. Während sie sich momentan öffentlichkeitswirksam darauf konzentrieren, den von der Politik beschlossenen und bereits seit langem herbeigeredeten Wegfall der Steuerfreiheit von Lebensversicherungen im kommenden Jahr für schnelle Gewinne durch die Vermittlung von Neuverträgen zu nutzen, verursacht die Aussicht auf die drohenden Mittelabflüsse bei Spareinlagen, Wertpapierdepots und Girokonten jedoch insgeheim tiefe Beunruhigung. Sparstrumpf, Bankschließfach und mit Edelmetallen gefüllte Tresore oder Vermögensanlagen im Ausland gedeihen nun für viele potentielle Kunden (auch für Kleinsparer) zur immer attraktiveren Alternative. Ferner befürchtet man in den kommenden Jahren erhebliche Einbrüche im Neugeschäft, da sich verunsicherte Bürger selbst weit unterhalb der Hartz-IV-Freibeträge bedroht fühlen werden. Die Planlosigkeit der Regierung, Schikanen wie die künftige Besteuerung der Erträge von Lebensversicherungen, der von Wirtschaftsminister Hans Eichel (SPD) avisierte Wegfall von Zinsfreibeträgen, die anstehende Konsolidierung der Bankenlandschaft sowie Zukunfts- und Terrorängste sabotieren Verbraucher, Wirtschaft und Börse gleichermaßen und nachhaltig. Der sich nach einer langen Durststrecke abzeichnende Gesundungskurs der Finanzwirtschaft erscheint verletzlicher denn je. Auch der Immobiliensektor als Grundfeste der finanziellen Stabilität ist durch die Reformen latent gefährdet. Durch die abermals geplante Streichung der Eigenheimförderung und die aus dem allgemeinen Klima resultierende Kaufzurückhaltung der Immobilienerwerber könnte die prekäre Auftrags- und Ertragslage in der Baubranche endgültig eskalieren; sekundär bedroht wären hierdurch auch die ohnehin ins Stocken geratenen und teils rückläufigen Preise bei den Immobilien selbst. Angesichts der von Hartz IV ausgelösten Panik verliert diese Form der Geldanlage und Altersvorsorge drastisch an Attraktivität und somit an Wert. Bei Fremdvermietung versalzt die jüngst verabschiedete Gesetzesänderung zur höheren Besteuerung von Alterseinkünften und die weiter sinkende Bonität von privaten und gewerblichen Mietern Investoren zusätzlich die Suppe. So sollte es niemanden verwundern, wenn bei künftigen Montagsmärschen nicht nur Arbeitssuchende, sondern auch Banker, Vermieter und letztlich „Herr Günter Kaiser“ gemeinsam mahnen, daß man einen Wirtschaftsaufschwung nicht nur herbei-, sondern auch kaputtreden kann.

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