Im Januar 1972 beschlossen die Regierungschefs der Länder unter Vorsitz von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) die „Grundsätze über die Mitgliedschaft von Beamten in extremen Organisationen“ . Nach diesen als Radikalenerlaß bekanntgewordenen Regeln muß sich ein Beamter zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen und für ihren Erhalt eintreten. Gehört ein Beamter einer Organisation an, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, so begründet diese Mitgliedschaft Zweifel daran, ob er jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten wird. In diesem Fall ist nach dem Erlaß eine Entfernung des Beamten aus dem Dienst zu prüfen. Ein Bewerber, der sich verfassungsfeindlich betätigt, wird erst gar nicht eingestellt. Sinngemäß galten die Vorschriften auch für Arbeiter und Angestellte im öffentlichen Dienst. Der Radikalenerlaß richtete sich in erster Linie gegen eine Unterwanderung des Staates durch Mitglieder kommunistischer Gruppierungen wie etwa der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP). Betroffen waren aber nicht nur Mitglieder der DKP, sondern es reichte aus, in einer Organisation aktiv zu sein, in der Kommunisten eine führende Rolle spielten. Dazu gehörte die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA), die Deutsche Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG-VK) oder die Vereinigung demokratischer Juristen. Rund 3,5 Millionen Bewerber für den öffentlichen Dienst wurden auf ihre Verfassungstreue durchleuchtet, 11.000 Berufsverbotsverfahren durchgeführt und rund 1.500 Bewerber abgelehnt oder aus dem Staatsdienst entfernt. In der Anfangszeit des Radikalenerlasses erfolgte sogar eine Regelanfrage beim Bundesamt für Verfassungsschutz, wenn sich jemand für eine Stelle im öffentlichen Dienst bewarb. Diese Maßnahme wurde aber nach heftigen Protesten eingestellt. Als letztes Bundesland stellte Bayern 1991 die Regelanfrage ein. Der Radikalenerlaß führte zu einer Vielzahl von Prozessen und Protesten und wurde als Berufsverbot kritisiert. Das Bundesverfassungsgericht hat den Radikalenerlaß dennoch mit seiner Entscheidung vom 22. Mai 1975 (2 BvL 13/73) gebilligt. Die in dieser Entscheidung aufgestellten Grundsätze sind heute noch Maßstab für die Einstellung von Beamten. Danach ist die Forderung nach aktivem Einsatz des Beamten für die Verfassung und nach politischer Treue ein in Artikel 33 Absatz 5 Grundgesetz verfassungsrechtlich gewährleisteter Grundsatz des Berufsbeamtentums. Dieser schränkt innerhalb der Funktionserfordernisse des Staates das Grundrecht der Meinungsfreiheit des Beamten zulässig ein. Der Radikalenerlaß war dennoch verfassungsrechtlich bedenklich, denn nach Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz kann nur das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei feststellen. Bei der Anwendung des Radikalenerlasses nimmt aber die Exekutive die Bewertung vor, ob eine Organisation verfassungsfeindlich ist oder nicht. Brandt bezeichnete den Radikalenerlaß später als schweren Fehler seiner Regierung. Erfolg für linken Lehrer in Baden-Württemberg Obwohl der Radikalenerlaß von 1972 nicht mehr angewendet wird, tauchte der Begriff doch jüngst wieder auf, als dem linken Heidelberger Realschullehrer Michael Csaszkóczy die Einstellung als Lehrer im baden-württembergischen und hessischen Staatsdienst verwehrt wurde, weil er sich in der Heidelberger Antifa engagiert, welche vom Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft wird (JF 13/07). Csaszkóczy hatte sich erfolgreich gegen die Ablehnung seiner Einstellung gewehrt. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat im März diesen Jahres die entgegenstehenden Bescheide des Oberschulamts aufgehoben und das Land verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Einstellung in den Schuldienst unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Seine Einstellung konnte er aber nicht durchsetzen. Foto: Band der Münchner Burschenschaft Danubia: Unter Beobachtung des bayerischen Verfassungsschutzes